Der „Traum von Raum“ ist wahr geworden

16.10.2015, 17:48 Uhr

Aberzhausen? Vanessa Cognard dürfte den Ort erstmals unterm Zeigefinger gefunden haben. Damals, vor vier Jahren, als sie gemeinsam mit Nadine Elda Rosani nach einem geeigneten Objekt fahndete und „auf der Landkarte einen Radius von eineinhalb bis zwei Stunden Entfernung um München gezogen“ hatte.

Klar war beiden: Sie wollten raus aus der Landeshauptstadt. „Mir war´s da zu anstrengend. Zu viele Leute, zu viel alles!“, bekennt Holzbildhauerin Rosani. Also tauschen: eine 35-Quadratmeter-Werkstatt in Citynähe, die es mit drei weiteren Kollegen zu teilen galt, gegen „viel Platz auf´m Land, bezahlbar“. Denn auch Designerin Cognard merkte schnell: „In München kriegst du nur schwer einen Fuß auf den Boden.“

Das Internet rückte ihren „Traum von Raum“ schließlich in den Realitätsbereich: ein Bauernhaus nahe Heideck – erste urkundliche Erwähnung anno 1781 — nebst Stallung mit Heuboden. Morsch, marode.

Aber: „Wir haben gleich gesehen, was draus werden kann. Da blendet man die Wirklichkeit aus“, erinnert sich Vanessa Cognard noch gut an die Erstbegehung der Scheune, wo frau „höllisch aufpassen“ musste, „um nirgends durchzukrachen“.

Vorbei. Die Phase des Campens mit Dixi-Klo und Gartenschlauch vor betagter Kulisse. Vorbei. Die Tage, als Schlagbohrer, Staub und Bagger das Bild dominierten. Vorbei. Die Zeit, als „Anpackerin“ Rosani „manchmal dachte, jetzt hab´ ich echt keine Lust mehr“. Vorbei, vorbei, vorbei.

Dreieinhalb Jahre lang wurde geschuftet, beinahe täglich, ungezählte Stunden. Doch ein „Abdriften in die Hoffnungslosigkeit“ versagten sich Cognard und Rosani tunlichst. Das Ergebnis ihres Durchhaltewillens: ganz viel Atmosphäre und ein Ambiente, das den Kunstsinn der beiden Damen verströmt.

Denn aus dem alten Stadel ist ein großzügiger Präsentations-, Atelier- und Werkstattraum geworden, der die historische Substanz und den Wunsch nach innovativer Kreativität gekonnt vereint.

Die eingesetzte Fensterreihe sorgt für Licht unterm Dach, derweil ein Kaminofen behagliches Rotgelb in den Raum flackert. „Ganz warm wird’s natürlich nicht. Sowas kann man nich´ so einfach dämmen“, sagt die handwerklich versierte Nadine Elda Rosani und macht eine ausladende Geste in den Raum.

Symbiose von Alt und Neu

200 Quadratmeter Dachgeschossfläche, versehen mit neuen Bodendielen, an deren Rand auch die alte Sandsteinmauer eine optische Daseinsberechtigung erhalten hat. In diese Blickachse fügen sich selbst gezimmerte Ausstellungstische á la Rosani, die bereits erste Exponate auf den Rücken tragen.

Während man droben doch den Spätherbst zu spüren vermeint, empfängt die darunterliegende Werkstatt mit einnehmender Wärme und Helligkeit. Auch hier haben die Hausherrinnen dem Tageslicht Bahn bereitet. Auch hier wurde glücklich die Symbiose von Altem mit Neuem gewagt. So schmiegt sich etwa ein Fragment der alten Viehtröge ganz organisch an die Werkbank. So ist das Fundament des einstigen Mistplatzes — draußen, vor den großen Fenstern — kurzfristig zum Sonnendeck umfunktioniert worden.

Ob´s am Respekt fürs Dagewesene lag? „Das Anwesen hat uns jedenfalls relativ schnell angenommen“, sind sich die Deutsch-Französin Vanessa Cognard und die Deutsch-Italienerin Nadine Elda Rosani einig.

Angenommen worden sei man aber auch von der Dorfgemeinschaft, die das sich verändernde Gesicht des Hofs stets interessiert begutachtet hat. „Guad habt´s es g´macht“, ließen die Nachbarn resümierend verlauten.

Keine durchgestylte Galerie

Heißt also: Der Besucher findet „keine durchgestylte Galerie“ in Aberzhausen. Es sei vielmehr ein Ort, „wo sich die Leute willkommen fühlen sollen“, erklärt Vanessa Cognard das Konzept. Ein Konzept, das vor allem mit dem Attribut „unabhängig“ an den Start gehe. „Wir sind keinem Sponsor verpflichtet“, unterstreicht Cognard, sondern „getrieben aus einem eigenen Bedürfnis heraus“.

Dieses Bedürfnis umfasst den Anspruch, „Kunst auf hohem Niveau zu liefern. Wenn wir Gäste einladen, dann sollen sie auch mit Qualität bedient werden“, umreißt Vanessa Cognard.

Dazu werden sechs KünstlerInnen am Wochenende des 23. bis 25. Oktober erstmals ihr jeweiliges Scherflein beitragen, indem sie Arbeiten angewandter Kunst zeigen: Gefäße aus Ton, Holz, Beton oder Silber (siehe eigenen Bericht).„Kunst am Kamin“ lautet dazu das anheimelnde Motto für Gespräche, Betrachtungen, Begegnungen. Dazwischen tummelt sich die „Gesellschaft für Unvorhergesehenes“ mit improvisierten Theatereinlagen. Und Keramikerin Roswitha Madlon Hölle bietet Tee aus selbstgebrannten Chawan-Schalen an – ganz nach japanischer Tradition.

Es dürfte demnach spannend werden, wenn sich am 23. Oktober ab 19 Uhr das große Stalltor für kreativliebende, gesellige Abendschwärmer öffnet.

Doch die Spannung bleibt auch danach erhalten. Der Kulturhof in Aberzhausen will in erster Linie künstlerische Arbeit, künstlerische Präsentation und die Vermittlung künstlerischen Schaffens an potenzielle Käufer verquicken. Das ja.

Aber was da künftig noch so über die Bühne gehe? Nadine Elda Rosani zuckt lachend die Schultern. Symposien, Workshops, Seminare, ein jährlich wiederkehrendes Jazzpicknick? Für Interessenten aus ganz Deutschland und darüber hinaus? „Wir sind offen“, sagt Vanessa Cognard. „Das ist die Zukunft...“

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