Die Fracht wechselt von der Schiene auf den Asphalt

20.5.2015, 16:19 Uhr
Die Fracht wechselt von der Schiene auf den Asphalt

© Foto: Hans-Joachim Winckler

ROTH/HILPOLTSTEIN — „Der Streik strapaziert mich schon sehr“, seufzt Norbert Wendel, und damit meint der Logistik-Direktor bei Leoni in Roth nicht nur, dass die bahnfahrenden Kollegen etwa aus Nürnberg in den nächsten Tagen wieder andere Wege zu dem Kabelhersteller in Roth finden müssen. 20 bis 30 Eisenbahn-Container mit „Vormaterial“ wie etwa PVC-Granulat für die Leoni-Werke in Mexiko oder der Türkei schickt das Unternehmen allwöchentlich zu den großen Überseehafen in Hamburg und Bremen — und diese Container legen den Weg üblicherweise mit der Bahn zurück.

Bei Streik bewegt sich kein einziger dieser Container, alternativ muss die Fracht auf Lkw geladen werden, „das sind jeweils 200 bis 300 Euro Mehrkosten“, sagt Wendel.

Wirtschaft massiv belastet

Natürlich sei der Streik ein wichtiger Bestandteil im Arbeitskampf, zeigt der Logistiker Verständnis, „aber es ist schade, dass auch jeder Schlichtungsversuch gescheitert ist, weil die Wirtschaft davon massiv belastet wird“. Eine „ganz schnelle Einigung“ hält er für „sehr wichtig“, nicht zuletzt um zu vermeiden, dass vielleicht auch die Arbeitgeberseite in den Arbeitskampf eingreift — „mit Aussperrungen zum Beispiel“.

Betroffen vom inzwischen neunten und bisher längsten Streik der Bahn wird wohl auch die Firma Schlenk in Barnsdorf sein. Versandleiter Michael Schick musste beim letzten Ausstand Anfang des Monats rund zehn bis 20 Prozent an Terminverschiebungen verzeichnen. Die Produkte des Unternehmens — Alupigmente in Pasten- oder Pulverform — finden ihren Absatz zwar großteils innerhalb der EU, aber die Seefracht nach New York City in den USA oder nach Sao Paolo in Brasilien läuft bis Hamburg auf der Schiene.

Wenn diese Ladungen dann auf Lkw transportiert werden müssen, wird laut Schick aber nicht Schlenk für die Mehrkosten zur Kasse gebeten, sondern der Spediteur, den der Kunde beauftragt hat.

Überhaupt nicht mit der Bahn, sondern mit Speditionen regelt ihren Gütertransport die Firma Keller und Kalmbach, die in Hilpoltstein seit sechs Jahren ihr zentrales Hochregallager für Schrauben und Werkzeuge betreibt. Deshalb sieht man dort den derzeitigen Ausstand relativ gelassen.

Zwei Wochen Puffer

Und beim Autohaus Feser-Joachim in Roth kommen ebenfalls nicht alle Neu- oder Gebrauchtwagen per Bahn an, außerdem, so eine Mitarbeiterin in der VW-Disposition, „gibt es einen Puffer von zwei Wochen“. Ob das neue Auto also am Montag, Mittwoch oder Freitag in Wolfsburg losgeschickt wird, wirke sich auf die Information für den Kunden gar nicht aus. „Der erfährt erst den endgültigen Liefertermin.“

Eher positiv wirkt sich der lahmgelegte Güterverkehr auf der Bahn dagegen für einen anderen Berufszweig aus: So registriert die Spedition Greiner in Hilpoltstein in diesen Tagen eher „noch ein paar zusätzliche Aufträge“, wie Thomas Döbereiner von der Disposition des Unternehmens feststellt.

Ob die Lkw, die vorwiegend Verpackungen wie Kartonagen oder Folien in Süddeutschland transportieren, infolge des Streiks mit mehr Verkehr auf der Straße und längeren Fahrtzeiten zu kämpfen haben? „Nein“, sagt Döbereiner, auf den Autobahnen sei der Streik kaum spürbar, „das betrifft vorwiegend die Innen- und Großstädte im Pendler- und Berufsverkehr“.

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