Ein Dorn in der Seite der Nazis

6.8.2009, 00:00 Uhr
Ein Dorn in der Seite der Nazis

© Unterburger

Claus Wittek, der erst im vergangenen Dezember den ersten Teil einer von ihm verfassten Ortschronik von Eckersmühlen vorgestellt hatte, präsentierte nun in Anwesenheit von Bürgermeister Richard Erdmann, dem Leiter des Rother Stadtarchivs, Guido Schmid, und dem Eckersmühlener Pfarrer Willfried Wäschenfelder ein Geheft, das diesen «Leserbriefkrieg« in kommentierter Form zum Inhalt hat.

Wie Wittek mitteilte, stammen die Unterlagen aus dem Eckersmühlener Pfarrarchiv, dessen Bestände von 1568 bis 1946 im Landeskirchenarchiv der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern in Nürnberg untergebracht sind.

Auslöser der damaligen Auseinandersetzung war ein Aufruf der NSDAP-Gauleitung Franken, in dem diese die Bürger aufforderte, schulpflichtig gewordene Kinder ausschließlich in einer so genannten «deutschen Gemeinschaftsschule« statt an einer damals üblichen «Bekenntnisschule« anzumelden. In dem Nazi-Aufruf von Gaupropagandaleiter Karl Holz von 1934 heißt es unter anderem: «Die deutsche Gemeinschaftsschule will von vornherein jedem unglückseligen und unglücklichen Zwiespalt im deutschen Volke ein Ende bereiten... Die Zukunft wird zeigen, dass die nationalsozialistische Bewegung auch jetzt wieder mit ihrem Eintreten für die Gemeinschaftsschule auf dem richtigen Weg ist.«

Der Eckersmühlener Pfarrer Beckhaus wandte sich furchtlos gegen die Vereinnahmung durch die Nazis und wies auch die Beleidigungen zurück, die ihm in zahlreichen Schmähbriefen entgegengebracht wurden. Man warnte den Geistlichen eindringlich: «Predigen Sie doch das Wort Gottes, dann wird der Nationalsozialismus sich schützend vor Ihre Person und Ihr Amt stellen! Unterlassen Sie aber solch gewagte Exkursionen auf politisches Gebiet!« Man versuchte, den Eckersmühlener Pfarrer mürbe zu machen, indem man ihm das Wort im Munde umdrehte und ihn schmähte. Ortsgruppenleiter Karl Merkels Erwiderungen auf Beckhaus’ Einwände sind an Gehässigkeit und Häme kaum zu überbieten.

Vom Regen in die Traufe

1937 übrigens ließ sich Pfarrer Beckhaus nach Obernsees bei Bayreuth versetzen, wo er vom Regen in die Traufe kam. Er musste sich dort mehrmals für mehrere Tage in einem Kartoffelkeller vor den Gestapo-Häschern verstecken. Beckhaus überstand das «Dritte Reich« und ging 1946 in den Ruhestand. 1953 starb er.

Pfarrer Wäschenfelder bezeichnete den einstigen Eckersmühlener Pfarrer als «eine sehr interessante Persönlichkeit, die hoch angesehen in Eckersmühlen und auch in Obersees war«. Von Seiten der Kirchenleitung habe man Beckhaus geraten, Eckersmühlen zu verlassen. «Er war ein bekenntnistreuer und starker Pfarrer.«

Verfasser Claus Wittek versteht seine kommentierte Textsammlung als Arbeitsheft. «Arbeitsheft deshalb, weil dieses Heft sowohl den Lehrern als auch Schülern, aber auch anderen Interessierten als Quelle, Anhalt und Grundlage für Facharbeiten und Diskussionen zu zeitgeschichtlichen und sozialpolitischen Themen, Diskussionen über Meinungsfreiheit sowie die Presse als politisches Organ dienen soll, um nur ein paar Beispiele aufzuzeigen.«

Am Schluss des Heftes hat Claus Wittek unter anderem eine Kurzbiographie über Pfarrer Beckhaus beigefügt, um den Lesern den Werdegang und das Schicksal eines nicht parteikonformen Ortsgeistlichen während der Zeit des «Dritten Reiches« aufzuzeigen.

Pfarrer Willfried Wäschenfelder ergänzte, dass Pfarrer Beckhaus wegen seiner kritischen Haltung zum Nationalsozialismus oft provoziert worden sei. So seien Schaufenster eingeschlagen und Kränze vom Friedhof vor die Tür des Pfarrers geworfen worden. Wäschenfelder schlug vor, eine Eckersmühlener Straße nach Pfarrer Beckhaus zu benennen. Claus Wittek regte zusätzlich an, die Eckersmühlener Schule in «Pfarrer-Johann-Beckhaus-Schule« umzubenennen, da Pfarrer Beckhaus offen gegen die NSDAP Widerstand geleistet habe und sich nicht unterkriegen ließ. Bürgermeister Richard Erdmann sicherte zu, dass sich der Rother Stadtrat mit diesem Wunsch befassen werde.

Witteks Arbeitsheft erscheint Mitte August. Es kostet sechs Euro und kann bezogen werden in der Rother Buchhandlung Feuerlein, im Schlossmuseum Schloss Ratibor, bei Schreibwaren Bergmann und beim Autor unter info@theatrum-historica.de.

ROBERT UNTERBURGER

(Ortspfarrer vs. Ortsgruppenleitung. Der öffentlich geführte «Leserbriefkrieg« zwischen Pfarrer Johann Konrad Beckhaus, Eckersmühlen, und der NSDAP-Ortsgruppenleitung Roth im Januar/Februar 1934. - Ein Arbeitsheft nicht nur für Geschichtslehrer! Herausgegeben von Claus Wittek, 2009, 36 Seiten, sechs Euro).