Ein Kaktus mit ganz vielen Erinnerungen

18.9.2018, 06:15 Uhr
Ein Kaktus mit ganz vielen Erinnerungen

© Micha Schneider

Eigentlich ist es ja nur ein Kaktus. Eigentlich. Doch für Helga Fuchs aus Kiliansdorf ist es mehr als nur irgendeine stachelige Pflanze. Denn mit dem Kaktus in ihrem Garten verbindet die 81-jährige Fuchs eine besondere Geschichte. Eine Geschichte, die nach dem Tod ihrer Schwester wieder neu beginnt.

Der Kaktus ist eine Erinnerung an ihre Anneliese, die mittlerweile von ihr gegangen ist. Als sie im Jahr 2015 verstarb, packte Fuchs den Kaktus aus dem Garten ihrer Schwester in Unterhaching ein, und stellte ihn zu sich in ins heimische Haus in Kiliansdorf.

Erste Knospen

Anfang des Jahres dann kam es plötzlich zur Überraschung: Fuchs entdeckte Kindl (Ableger) an ihrer Pflanze, Anfang August beziehungsweise Anfang September waren sogar erstmals Knospen erkennbar. War das also doch nicht irgendein x-beliebiger Kaktus? Ihre Tochter habe schon gesagt: "Mensch, dass sieht ja fast danach aus, als ob da bald was blüht." Und tatsächlich: Seit zwei Wochen sind zwei kleine gelbe Blüten zu erkennen, eine der beiden Blüten blüht schon offen.

Die Wahrnehmung ihres Kaktus hat sich schlagartig verändert. Warum blühen die Blüten erst jetzt? Nach so einer langen Zeit? Fuchs recherchierte, ihre Tochter half ihr dabei. "Ich wusste bis dahin gar nicht, wie der Kaktus heißt", sagt Fuchs. Sie findet heraus, dass sich der Kaktus Goldkugelkaktus oder auch "Schwiegermutterstuhl" nennt. Doch die entscheidende Information ist eine ganz andere: Die Blüte jenes Goldkugelkaktus entwickelt sich erst nach 20 Jahren, sofern die Pflanze genug Sonnenlicht erhalten hat. "Das ist eine totale Seltenheit", sagt Fuchs.

20 Jahre sind eine lange Zeit. Doch Fuchs erinnert sich: Es ist ein ganz besonderer Kaktus: Als sie ungefähr 70 Jahre alt war, hatte sie ihrer Schwester einen geschenkt. Der Gärtner habe ihr seinerzeit gesagt, dass die Pflanze schon acht bis zehn Jahre alt sei. Zeitlich müsste es also passen. "Das muss genau dieser Kaktus sein. Jetzt ist er bei mir zurück", sagt Fuchs. Der Kreis schließt sich also. Mit dem Kaktus sind auch die Erinnerungen an ihre Schwester wieder ganz neu aufgekommen. "Die kommen schon wieder auf. Der Kaktus ist ein Vermächtnis von meiner Schwester", sagt sie.

Im Winter ins Dachgeschoss

Als Fuchs ihn damals abgeholt hatte, sei er in einem sehr schlechten Zustand gewesen, ihre kranke Schwester hätte sich nicht mehr so gut um ihn kümmern können. Obwohl sie eine Gartenliebhaberin gewesen sei. "Sie hatte sogar Palmen in ihrem Garten", sagt Fuchs, die den Kaktus bei sich fortan hegte und pflegte.

Im Winter stellte sie ihn mit nachbarschaftlicher Hilfe ins Dachgeschoss. Und jetzt, nach 20 Jahren, trägt der Kaktus in ihrem Garten erstmals Blüten. Meistens zwischen 13 und 13.30 Uhr, wenn die Sonne am höchsten steht. "Heute hat er aber auch schon um 11 Uhr geblüht", berichtet Fuchs. Der Kaktus sei grundsätzlich überhaupt nicht bedürftig. Er brauche lediglich den richtigen Standort.

Den hat er im Garten von Helga Fuchs auch erst einmal gefunden. Hoffentlich noch ganz lange. Und selbst wenn sich Fuchs wie einst ihre Schwester nicht mehr um die Pflanze kümmern kann, wird der Kaktus wieder eine neue Heimat finden: "Oma", sagte nämlich die 17-jährige Enkelin von Fuchs kürzlich: "Wenn du einmal irgendwann nicht mehr bist, dann nehme ich den Kaktus mit zu mir." Er wird also weiterleben. Und mit ihm ganz viel schöne Erinnerungen.

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