Eine Heldengeschichte

21.9.2017, 14:47 Uhr
Eine Heldengeschichte

© Foto: Stefanie Graff

"Man muss weit schauen, um etwas Vergleichbares zu finden" weiß Pfarrer Joachim Klenk, der sehr stolz ist auf das, was die aktuelle Generation an Jugendlichen in den Räumen der evangelischen Kirchengemeinde auf die Füße stellt, und auf das, was die Generationen davor geleistet und immer wieder weitergetragen haben.

Jugendarbeit hat in der evangelischen Kirchengemeinde Roth eine lange Tradition. Seit Mitte der 1920er Jahre trafen sich junge Menschen – damals noch ausschließlich männlichen Geschlechts - regelmäßig zu gemeinsamen Aktivitäten. Gemeinschaft und gemeinsame Erlebnisse standen dabei immer im Vordergrund, dahinter aber auch immer gemeinsame Spiritualität, die Suche nach und das Leben mit dem christlichen Glauben.

In den 50er und 60er Jahren legten die ersten Diakone der Kirchengemeinde wichtige Grundlagen für eine moderne und an den Bedürfnissen der jungen Menschen orientierten Jugendarbeit, die vor allem in Gruppen und bei Fahrten stattfand. "Offene Jugendarbeit", das heißt Begegnungsmöglichkeiten und -orte außerhalb fester Termine und Gruppen zu schaffen, die von den Jugendlichen selbst gestaltet und mit Leben gefüllt werden, ist noch einmal etwas ganz anderes. Da darf sich die Rother evangelische Kirchengemeinde seit 1977 durchaus in einer Vorbildfunktion kirchlicher Jugendarbeit sehen.

Mit Diakon Hans Meister war damals ein Diakon nach Roth gekommen, der Jugendarbeit mit Leib und Seele geliebt und gelebt hat. Er hat zu einer Zeit, als von "offener Jugendarbeit" noch kaum die Rede war, für das von Jochen Silkenat bereits eingeführte Jugendcafé im Jugendheim zwei Räume erkämpft, "um im Disco-Stil mit jungen Leuten beisammen zu sein." Damit hat er, wie er selbst rückblickend in einem seiner Berichte schrieb, "den Nagel auf den Kopf getroffen" und sich bald vor jungem Publikum kaum mehr retten können. Zeitweilig mussten Ausweise vergeben werden, um den Ansturm auch aus Weißenburg und Schwabach in geordnete Bahnen zu lenken.

Kaff statt Café

Aus dem Jugendcafé wurde im Laufe der Jahre das Kaff, dazu die Jugendkulturkneipe Schemala (die als allererste Initiative mit dem Jugendkulturpreis des Landkreises ausgezeichnet wurde), schließlich die HELDenzeit. Die Kneipe "von jungen Leuten für junge Leute" ist freitags von 19 bis 22 Uhr und montags im Anschluss an die um 19.45 Uhr in der Stadtkirche stattfindende Jugendandacht geöffnet.

Zum "HELD" gehört heute neben dem Kneipenraum mit der Theke ein Kinoraum, ein Billard- und Kickerzimmer und ein Bandraum. Der großzügige Jugendbereich im Keller des evangelischen Gemeindehauses hat einen eigenen Zugang und wird von den Jugendlichen regelmäßig umgebaut und an wechselnde Bedürfnisse und Geschmäcker angepasst. Hier gibt es günstige Getränke, kleine Snacks und eine lockere Atmosphäre.

Genützt werden die Jugendräume nicht nur zu den "offiziellen" Öffnungszeiten. Die Aktiven der Jugendkirche treffen sich fast täglich dort, in ihrem "zweiten Wohnzimmer", um Zeit miteinander zu verbringen, über Gott und die Welt quatschen und Aktionen zu planen. Sie beteiligen sich am Gemeindefest und an der Konfiarbeit und gestalten Gottesdienste mit. Die jährliche Christbaumaktion hat eine lange Tradition. Jeden Montag feiern sie eine Jugendandacht in der Stadtkirche. Vor zwei Jahren hat die Jugendkirche dazu einen nach ihren Wünschen gestalteten eigenen Jugendaltar bekommen.

Eine "selbstbestimmte und selbstorganisierte Spiritualität", so Pfarrer Joachim Klenk lebe die Jugendkirche mit Diakon Michl Martin, der ein feines Gespür für und einen heißen Draht zu den Jugendlichen hat.

"Kirche kann mehr als Sonntagmorgen", sagte einer, der regelmäßig sowohl in der Stadtkirche als auch im HELD zu treffen ist. Der 17-jährige Paul Krauss engagiert sich seit Jahren in der evangelischen Gemeinde an vielen Stellen. Die Jugendkirche und kirchliche Jugendarbeit ist für ihn wie für viele seiner Freunde etwas ganz Wichtiges. "Ohne Jugendarbeit kann die Kirchengemeinde doch komplett einpacken und hat keine Zukunft. Hier kann jeder teilnehmen und Teil werden von Gemeinde."

Dass das nachhaltig wirkt und funktioniert, zeigt ein Blick in den aktuellen Kirchenvorstand, in dem einige sitzen, die über die offene Jugendarbeit feste Bindung und tragfähiges Netz zu ihrer Gemeinde geknüpft haben.

Die Vertrauensfrau des Gremiums Barbara Zehnder erinnerte sich genauso gerne an ihre Zeit im Jugendcafé wie Sebastian Prokop, der den Jugendlichen im Namen des Kirchenvorstands einen besonderen Gruß zum 40. Jubiläum mitgebracht hat: Kein geringerer als das Geburtstagkind des Jahres, Martin Luther höchstpersönlich, überbrachte die besten Wünsche in Form eines Briefes "an die erstaunliche und fleißige Jugend", den die Vorsitzende des Jugendausschusses und Vorsitzende der Jugendkirche Johanna Klenk verlesen durfte. Es sei ihm eine große Freude zu sehen, dass in diesen Räumen gelernt wird, zu glauben, zu denken und zu handeln, schreibt Luther, der als Pappmaché-Figur daneben steht. "Ihr seid Helden, weil ihr ein Stück Himmel auf die Erde bringt."

"Echt begeistert" von dem, was sie beim Jubiläumsfest im HELD zu hören und zu sehen bekommen hat, zeigte sich auch die stellvertretende Landrätin Hannedore Nowotny, die sich dem Wunsch anschloss, dass diese lebendige kirchliche Jugendarbeit auch weiterhin von Generation an Generation weitergegeben werden könne. "Wir werden alles dafür tun", versprach die Vorsitzende des Kirchenvorstands Barbara Zehnder.

Keine Kommentare