"Es gibt nichts Schöneres als gebraucht zu werden"

1.2.2019, 15:51 Uhr

© Foto: Tobias Tschapka

Die Nachwuchsschauspieler waren eine Woche vom Unterricht befreit, um mit Drozak verschiedene Szenen einzustudieren, deren Grundlage die Berichte von vier Menschen aus der Region waren, die aus sozialen Berufen kommen und sich zu Recht "Herzwerker" nennen können. Organisiert wurde das Projekt, das in Kooperation mit dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales realisiert wurde, von Lehrerin Eva Franz.

Am Vorabend des Schultages, an dem die Stücke samt Live-Interviews den Schülern der achten und neunten Klasse gezeigt wurden, kamen die Eltern in den Genuss des informativen Projekts, mit dem Werbung für die sozialen Berufe gemacht werden soll, da hier der Personalmangel besonders groß ist. Dabei kann eben diese Arbeit ausgesprochen erfüllend sein, findet Thomas Döbler vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, der als Berater zur Qualifizierung der Pflegeberufe tätig ist. "Das Motto des Bundesfreiwilligendienst ‚Es gibt nichts Schöneres als gebraucht zu werden‘, gilt schließlich für alle sozialen Berufe", ist er überzeugt, und wünschte allen Anwesenden viel Spaß an diesem Abend, der zum Teil als Talkshow, und zum Teil als Theater konzipiert wurde.

"Wir orientieren uns beim Talk aber eher am BR als an RTL", machte Jean-Francois Drozak von der Agentur Kunstdünger aus Nürnberg deutlich. Als Vorbereitung hatte das Schauspielteam, bestehend aus Yen Bunge, Elisabeth Schäll, Sophia Weyrauther (8a), Eva Trickl (8b), Antonia Pettera (8d), Nick Dause, Simon Rölz und Sophia Zellhuber (8e) intensive Interviews mit den vier "echten" Herzwerkern" geführt – stellvertretend für alle, die täglich in sozialen Berufen um das Wohl ihrer Mitmenschen bemüht sind. Dabei wurde deutlich, dass es ihnen Spaß macht, anderen Menschen mehr Lebensqualität und Lebensfreude zu vermitteln, ihnen Perspektiven zu eröffnen, diese zu fördern und zu begleiten. Da viele dieser Herzwerker zwar viel Gutes tun, aber selten darüber reden, hatte Drozak die Idee, Kurzgeschichten aus deren Berufsleben zu inszenieren – individuell und regional.

Als Erstes bekam man einen Einblick in den beruflichen Alltag des Heilerziehungspflegers Andreas Freund, der in der intensiven Einzelbetreuung verhaltensauffälliger Menschen am Auhof tätig ist. Wie alle anderen seiner Herzwerker-Kollegen saß er während der kurzen Stücke auf der Bühne und sah zum ersten Mal, was die Schauspieler aus seinen Erzählungen gemacht haben.

Nur eingreifen, wenn Hilfe nötig

Unter anderem bekamen er und die Zuschauer eine Szene zu sehen, in der er einen seiner Schutzbefohlenen in ein Schnellrestaurant begleitete und diesen selbstständig sein Essen bestellen ließ. Dies dauerte freilich etwas länger, weshalb die Szene "Slowfood-Restaurant" genannt wurde. Darin wurde deutlich, dass er, so gut es geht, die Menschen mit Handicap selbstständig handeln lässt, und nur eingreift, wenn seine Hilfe wirklich benötigt wird. Aus der Betreuung von kleinen Kindern besteht der berufliche Alltag von Melanie Luger von der Kinderkrippe "Schatzkiste" in Hilpoltstein. Dass die Aufgaben einer Erzieherin, deren Ausbildung fünf Jahre dauert, ganz bestimmt nicht jeder so ohne Weiteres bewältigen kann, wie ein weitverbreitetes Vorurteil lautet, wurde unter anderem in dem Stück "Schienbein" deutlich, in dem ein Streit unter Kindern so eskaliert, dass er mit einer Bisswunde am Schienbein endet. "Unser Tag ist laut, stressig, aber auch sehr schön, denn die Kinder geben einem viel zurück", berichtet Luger.

Daniel Caputo ist Altenpfleger bei der Awo Hilpoltstein, und auch in dessen Alltag geht es ganz schön rund. In seinen Stücken sieht man, wie zum Beispiel die Bewohner der Einrichtung nachts durch die Flure schleichen oder ein dementer ehemaliger Gärtner das Publikum, das er für "welke Pflanzen" hält, mit Pistazienschalen "düngt".

"Mein Job hat viel mehr zu bieten als nur ‚satt und sauber‘", berichtet Caputo. Geduld, Motivation und die Freude am Umgang mit älteren Menschen seien für seinen Beruf erforderlich, "und kein Tag ist der gleiche wie der zuvor".

Schließlich gab es noch einen Einblick in die Arbeit der Jugendhilfestation Roth. Manuela Ostermeier hat zunächst Erzieherin gelernt und anschließend soziale Arbeit studiert. In dem Stück wurde eine Szene beleuchtet, in der sie eine 18-jährige Mutter besucht, die kürzlich vom Vater ihres Kindes verlassen wurde und der alles gerade über den Kopf wächst: keine Ausbildung, kein Job, kein Geld, der Ex-Freund bestellt auf ihre Kosten immer noch Sachen, und die Nachbarn beschweren sich täglich über das Kindergeschrei.

"In so einem Fall versuchen wir, Schritt für Schritt die Situation zu verbessern. Das ist zwar oft ein langer Weg, aber es lohnt sich immer", kommentiert Ostermeier die Situation der jungen Frau. Aber sie könne auch berichten, dass es dieser, dank der Hilfe der Jugendhilfe, nun viel besser gehen würde. "Und es ist sehr schön, diese Entwicklung mitzubekommen und zu begleiten", stellte sie fest.

Um in einen der vorgestellten Berufe einzusteigen, benötigt man die Mittlere Reife, "weshalb wir heute unsere Stücke ja auch in der Realschule vorstellen", so Theaterpädagoge Drozak, der gleichzeitig Moderator des Abends war. Alle beteiligten Einrichtungen würden sich über Praktikanten freuen. Genau dazu forderte 3. Bürgermeister Josef Lerzer alle Realschüler auf, das sei "für die Gesellschaft und unsere Zukunft" entscheidend. Die Behinderteneinrichtungen der Region, Regens-Wagner und Auhof, verdienten es, unterstützt zu werden, außerdem bemühe sich Hilpoltstein, eine kinderfreundliche Kommune zu sein. "Da sind wir auch auf einem guten Weg, und haben schon mehrere Anbauten und Erweiterungen von bestehenden Kinderbetreuungseinrichtungen abgeschlossen. Aber nun haben wir Probleme, geeignetes Personal zu finden", so Lerzer.

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