Essen, tanzen, die Freundschaft vertiefen

12.9.2017, 17:21 Uhr
Essen, tanzen, die Freundschaft vertiefen

© Robert Unterburger

Der Dauerregen erlaubte es nicht, dass das äthiopische Neujahrsfest — wie im vergangenen Jahr — draußen gefeiert wurde. Dies tat aber der Feierlaune keinen Abbruch. So verwandelte man den langen Flur im ersten Stock zu einem Treffpunkt für alle, die gekommen waren, um mit den Äthiopiern gemeinsam zu essen, zu tanzen, Freundschaften zu vertiefen oder um sich einfach nur zu unterhalten. Die Frauen und Mädchen hatten ihre weißen Festtagskleider angezogen. Gemeinsam stärkte man sich zu Beginn mit einem köstlichen äthiopischen Essen. Es gab Injera, ein weiches, gesäuertes Fladenbrot aus Teffmehl, das wie Pfannkuchen aussieht. Injera wird traditionell in Äthiopien und Eritrea gegessen. Die Frauen vermischen das Mehl mit Wasser zu einem Teig, der einige Tage gären muss. Dann werden daraus auf heißen Ton- oder Herdplatten Fladen gebacken. Injera wird gemeinsam mit anderen Speisen wie Fleischragout verzehrt.

Beim Neujahrsfest in Hilpoltstein hatten die Gäste die Auswahl, Injera mit schmackhaften Beilagen zu versehen: mit "Siga wet" (Rindfleischsoße), "Misir wet" (Linsensoße), "Gornen wet" (Grünkohlsoße), "Fosilia" (Bohnen mit Karotten) und "Dinich" (Kartoffeln mit Karotten).

Und wie isst man Injera? Die Gastgeber zeigten es: Man reißt Stücke mit der rechten Hand ab und greift sich damit eine mundgerechte Portion. Injera ist somit Speise und Teller zugleich. Wer wollte, konnte natürlich auch mit Messer und Gabel essen.

Zur Herstellung des äthiopischen Nationalgerichts verwenden die Menschen heute auch Weizen-, Gerste- oder Reismehl und mischen es mit dem relativ teuren und schwer zu beschaffenden Teffmehl. Natürlich verändert sich der Geschmack des Injeras durch die Verwendung verschiedener Mehlmischungen. Als Nachtisch kredenzten die äthiopischen Gastgeber einen äthiopischen Kaffee mit Kuchen.

Nach dem gemeinsamen Essen war Tanz angesagt. Ein äthiopischer Discjockey spielte Musik aus der Heimat und dazu wurde übermütig getanzt – soweit es der beengte Platz zuließ. Auch die deutschen Gäste tanzten begeistert mit.

Das neue Jahr beginnt in Äthiopien am 1. Meskerem, was nach dem gregorianischen Kalender dem 11. beziehungsweise 12. September entspricht. Der 11. September ist Johannes dem Täufer gewidmet, der als Prophet den Übergang vom Alten Testament zum neuen Testament symbolisiert. Nach den äthiopischen Heiligenviten wurde Johannes der Täufer am 11. September ermordet, weswegen sein Gedenktag ein wichtiger Termin im Kirchenjahr ist.

Die Jahre werden im Vierer-Rhythmus nach dem Evangelisten benannt. Jedes Johannesjahr bekommt außerdem einen Schalttag. Die äthiopische Zeitrechnung ist gegenüber dem gregorianischen Kalender etwa sieben Jahre und neun Monate zurück. Die Jahre vor Christi Geburt werden außerdem als "Jahre der Welt" bezeichnet. Die Jahre nach Christi Geburt gelten als "Jahre der Gnade" beziehungsweise "Jahre der Barmherzigkeit".

Es gibt jedoch noch eine weitere Lesart für das äthiopische Neujahrsfest. Der 11. September steht auch für den Tag der Rückkehr der Königin von Saba, als diese um 980 vor Christus König Salomon in Jerusalem besuchte. Laut Überlieferung überreichten damals die Ältesten des Landes der Königin anlässlich ihrer Rückkehr das Enkutatash, ein edles Schmuckkästchen, in dessen Innerem sich wertvoller Schmuck und Edelsteine verbargen.

In Erinnerung an das Enkutatash gibt es zum äthiopischen Neujahrsfest Geschenke. Für die Kinder ist dies meist neue Kleidung. Bei den vielen Festlichkeiten, die gleichzeitig auch das Ende der Regenzeit feiern, wünschen sich die Menschen alles Gute für das neue Jahr. So hört man überall "Melkam Addis Amet!" (amharisch für "Frohes neues Jahr!")

Da es zu dieser Zeit in Äthiopien überall grünt und blüht, schenken Kinder ihren Eltern einen üppigen Blumenstrauß. Das kunstvolle Blumengebinde schmückt dann das ganze Jahr über das Haus.

Der äthiopische Kalender basiert auf dem koptischen Kalender. Neben der etwas anderen Berechnung von Christi Geburt zeichnet sich der koptische Kalender durch eine weitere Besonderheit aus: Er besitzt 13 Monate. Davon haben zwölf Monate 30 Tage. Der 13. Monat ist ein sogenannter Kurz-Monat (Pagume) und hat fünf Tage beziehungsweise im Schaltjahr sechs Tage.

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