Ex- Hilpoltsteiner Peter Dalheimer berichtet für ARD aus Athen

1.8.2015, 06:00 Uhr
Ex- Hilpoltsteiner Peter Dalheimer berichtet für ARD aus Athen

Ja, es sei schlimm, sagt der Reporter, der seit 1999 im ARD-Studio in Rom arbeitet und für Italien, Griechenland, den Vatikan und Malta zuständig ist. Es stimme größtenteils, was in Deutschland in den Medien berichtet werde – zum Beispiel über Menschen, die im Müll nach Essbarem wühlen.

27 Prozent der Griechen seien arbeitslos, ein Drittel lebe unter der Armutsgrenze, ein Drittel habe keine Krankenversicherung, weiß Dalheimer, der seine journalistische Karriere als freier Sportberichterstatter bei der Roth-Hilpoltsteiner Volkszeitung begann und während des Studiums zum Bayerischen Rundfunk und schließlich zum Fernsehprogramm von ARD und BR kam.

Medizinische Versorgung zu teuer

Neulich habe er mit einem Kamerateam in einem medizinischen Zentrum gedreht, wo Ärzte kostenlos Menschen behandeln, die keinen Zugang mehr zum Gesundheitssystem haben. Denn nach einem Jahr Arbeitslosigkeit verliert man in Griechenland nicht nur Arbeitslosenhilfe, sondern auch die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung. „Da war eine Frau, Ende 40, die hatte einen bereits sichtbaren Brusttumor. Sie wurde im Krankenhaus nicht behandelt, weil sie keine Krankenversicherung hatte“, berichtet der 57-Jährige. Solche Geschichten lassen auch einen Korrespondenten nicht kalt, der schon viel gesehen hat, zum Beispiel beim Erdbeben im italienischen L’Aquila 2009.

In Athen lernte Dalheimer auch einen 78-jährigen Mann kennen, der von 680 Euro Rente eine ganze Familie samt Enkeln und Urenkeln über Wasser hält. „Die vielen Geschäfte in der Straße, in der unser Büro liegt, stehen leer. Ich weiß nicht, was aus dem Fotografen geworden ist, bei dem wir immer unsere Passbilder machen ließen.“ Angesichts des Leids spricht Dalheimer von einer „humanitären Krise“, aber nicht von einer Katastrophe.

Es gebe auch Zeichen der Solidarität. In Supermärkten seien mittlerweile Ecken zu finden, in denen Leute Lebensmittel für Bedürftige abgeben. Klinikärzte zeigten sich ebenfalls solidarisch und gründeten Ärztezentren, wo sie Patienten kostenlos behandeln. In den Krankenhäusern herrsche großer Personalmangel, weil die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst um fast ein Drittel gekürzt wurde.

Lage nach Referendum verschlechtert

Nach dem Referendum Anfang Juli habe sich die Lage dramatisch verschlechtert. Aber Massendemonstrationen wie vor einigen Jahren seien nicht mehr an der Tagesordnung. „Die Menschen sind müde, verzweifelt, hoffnungslos“, meint der ARD-Mann. Noch nie hätten sie ihn persönlich angegangen, aber die Kommentare über bestimmte Politiker aus Deutschland würden schärfer. Nicht gut zu sprechen seien die Griechen zurzeit vor allem auf Finanzminister Wolfgang Schäuble, der durch seine harten Forderungen in den Augen der Hellenen wolle, dass sie aus dem Euro aussteigen.

Peter Dalheimer rechnet allerdings schwer damit, dass genau das in spätestens zwei Jahren passiert: „Den Griechen bleibt wohl nichts anderes übrig. Der Grexit wäre aber auch eine Chance, einen Schuldenschnitt durchzuziehen.“ Jetzt bräuchte es dringend echte Reformen, nicht nur Sparmaßnahmen, meint der Griechenland-Experte. Und es müssten Investitionen ins Land gebracht werden, damit die Menschen wieder Arbeit fänden. Dafür wäre eine Art „Marshall-Plan“ nötig wie in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Viel Arbeit für Auslandskorrespondenten

Peter Dalheimer wäre froh, wenn die Nachrichten aus Griechenland wieder weniger würden. Auch an ihm habe die Krise Spuren hinterlassen. Ende Juni, Anfang Juli habe er zwei Wochen lang 18 Stunden am Tag gearbeitet und dabei fast zehn Kilo abgenommen. Seine Familie, die in Rom wohnt, bekommt er kaum zu Gesicht. 2015 war er bislang an 77 Tagen in Athen und hat 138 Beiträge oder Live-Schaltungen gemacht. Früher, als er noch mehr Zeit in Athen hatte, fuhr er auch mal ins Akropolis-Museum oder ans Meer. Dafür bleibe momentan keine Zeit.

Rom, Athen — zwischen diesen Städten pendelt Peter Dalheimer hin und her. Kommt da nicht manchmal Heimweh nach dem beschaulichen Frankenland auf? „Ich vermisse meine Verwandten und meine Freunde in der Heimat“, gibt der gebürtige Nürnberger zu, der früher leidenschaftlich Volleyball gespielt hat, zunächst beim TV Hilpoltstein, später bei der DJK Allersberg.

Noch immer ist er leidenschaftlicher Club-Fan. Auch wenn sich in Athen die Ereignisse überschlagen, so verfolgt Dalheimer das Geschehen rund um den Valznerweiher: „War ja wieder ein grauenhafter Montag“, kommentiert er das 3:6 beim Bundesligaauftakt in Freiburg. Aber einen Krisen-Experten und waschechten Club-Fan bringt das nicht zur Verzweiflung. . .

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