Hebammen haben eine gehörige Portion Wut im Bauch

2.3.2019, 06:00 Uhr
Hebammen haben eine gehörige Portion Wut im Bauch

© Foto: Graff

Wer als junge Mutter ein Neugeborenes im Arm hält und regelmäßig Besuch von einer Hebamme zur Nachsorge bekommt, hat Glück gehabt. Hebammenhilfe steht theoretisch jeder Frau im Wochenbett zu. Aber für die Frauen wird es immer schwieriger, eine Hebamme zu finden. Wer nicht sofort nach Bekanntwerden der Schwangerschaft anfängt, herumzutelefonieren, der sitzt nach den Kliniktagen allein im Wochenbett.

Viel hängt auch vom Wohnort ab. Es fallen vor allem die durch das Raster, die Hilfe besonders nötig hätten. Frauen in besonders schwierigen Lebenslagen, die sich nicht sofort kundig ans Telefon hängen können. Sandra Cremer von der Schwangerenberatung des staatlichen Gesundheitsamtes kennt das Problem. "Wir können nur raten und hoffen, dass sich eine Hebamme findet." Dennoch ist die Schwangerenberatung immer eine gute Anlaufstelle.

Claudia Harzbecker ist freiberufliche Hebamme aus Schwabach. Sie gehört zu den wenigen Vollzeit-Hebammen, die in Schwabach und im Landkreis Roth praktizieren. Seit vielen Jahren im Geschäft beobachtet sie die besorgniserregende Entwicklung in ihrem Berufsstand auch mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch. Mal abgesehen davon, dass die Arbeitszeiten freiberuflicher Hebammen schon der Sache wegen schwer zu planen und mit der eigenen Familie unter einen Hut zu bekommen sind, und das Einkommen bescheiden ist: Die Bürokratie habe sich komplett verselbständigt. "Wir fühlen uns geknechtet!" klagt sie angesichts manchmal grotesk anmutender Anforderungen der Krankenkassen dazu, wie sie ihren Beruf auszuüben, zu dokumentieren und abzurechnen habe. Sie wundert sich nicht, dass die meisten ihrer Kolleginnen nach wenigen Jahren ganz aufgeben oder nur Teilzeit arbeiten, der Frust groß ist und Hebammen überall fehlen.

Dabei dürfen sich die Frauen im Landkreis und in Schwabach noch über eine vergleichsweise gute Situation freuen. "Immerhin gibt es an der Kreisklinik eine Geburtshilfe-Abteilung und Hebammen." Und wer in Roth entbindet, wird bei Problemen im Wochenbett nicht allein gelassen, sondern darf bei Problemen vorbeikommen.

Immer weniger Krankenhäuser jenseits der Großstadt-Kliniken tun sich das an. Für Frauen mit Wehen wird oft schon die Suche nach einem aufnahmebereiten Kreißsaal zur Odyssee. Da lässt man sich im Zweifelsfalle lieber einen Termin für einen geplanten Kaiserschnitt geben.

Weniger Hebammen bei gleichzeitig steigenden Geburtenraten. Diese Rechnung kann nicht aufgehen. Das Stadtkrankenhaus Schwabach bietet keine Geburtshilfe mehr an. In der Kreisklinik Roth erblickten dafür in den letzten Jahren jeweils gut 600 Kinder das Licht der Welt. Viele Frauen bringen ihre Kinder auch in Nürnberger Kliniken auf die Welt. Knapp 1200 neugeborene Landkreisbürger verzeichnet die Statistik für 2017. Wie viele der Mütter Nachsorge durch Hebammen in Anspruch nehmen (können) und wie viele vergeblich nach Hebammen-Hilfe telefonieren, weiß keiner so genau. Wittmann spricht landesweit von etwa einem Drittel von Frauen, die eine Hebamme suchen, und keine finden. Etwa 30 Nachsorge-Hebammen sind im Landkreis tätig, fünf davon auch als Beleghebammen in der Kreisklinik.

"Hebammen sind Einzelkämpfer", weiß Claudia Harzbecker. "Vernetzungsversuche scheitern an den komplizierten Arbeitsabläufen und schlicht an der Zeit." Kein Zufall, dass von den Kolleginnen, die ihre Teilnahme am Pressegespräch zugesagt hatten, keine außer ihr tatsächlich kommen konnte.

Als die Staatsregierung im September letzten Jahres das Geburtshilfe-Förderprogramm für die Kommunen verabschiedet hatte, hat der Landkreis sofort reagiert und Fördergelder beantragt: 40 Euro pro Geburt in der Kreisklinik, wenn der Landkreis selbst noch zehn Prozent drauflegt. "Das ist angesichts der Misere nicht viel", gibt Günther Wittmann zu. "Wir versuchen jetzt, das Geld möglichst nachhaltig anzulegen und gemeinsam mit den Hebammen zu überlegen, wo es langfristig am sinnvollsten investiert werden soll." Dazu muss man erst einmal ins Gespräch kommen.

Der erste runde Tisch Mitte Februar machte Hoffnung: 24 von 30 Hebammen haben sich auf die Einladung hin gemeldet, 18 haben teilgenommen. In einem ersten Schritt soll möglichst viel von dem Geld direkt an die Hebammen, die in der Wochenbettbetreuung tätig sind, weitergeleitet werden. "Wer sich bereit erklärt, in den nächsten zwei Jahren weiter mitzuarbeiten, bekommt auf Antrag eine pauschale Summe." Darüber hinaus verwendet der Landkreis einen Teil der Fördermittel dafür, den hiesigen Hebammen Pflichtfortbildungen, für die sie sonst oft weit reisen müssen und ganze Arbeitstage verlieren, vor Ort anzubieten. "Wir haben endlich mal das Gefühl, es wird etwas für uns getan.", lobt Claudia Harzbecker diese Bemühungen.

"Die Hebammen gleichen mit ganz hoher Motivation auf ihrem Rücken ein Systemversagen aus, das nur einen winzigen Teil des Gesundheitssystems betrifft", fasst Wittmann das Problem zusammen. Warum es den Hebammen so schwerfällt, eine wirksame Lobbyarbeit zu machen, weiß Claudia Harzbecker: "Man braucht uns eben nur in einem kleinen Zeitfenster des Lebens."

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