Heideck: Kemal ist krank, muss aber zurück nach Mazedonien

6.2.2015, 16:08 Uhr
Heideck: Kemal ist krank,  muss aber zurück nach Mazedonien

© Foto: Elke Bodendörfer

Der Schüler leidet an fortgeschrittener Skoliose, einer Wirbelsäulenverkrümmung, die unbedingt ärztlich behandelt werden muss, sonst droht dem Jungen irgendwann die Invalidität und er wäre auf einen Rollstuhl angewiesen. Das Problem: Kemal und seine Eltern sind Roma, sie stammen aus Mazedonien, wo sie keine Lebensperspektive haben. Aber auch in Deutschland sind die Asylbewerber nicht gewollt. Sie müssen bis Ende nächster Woche ausreisen.

„Ich will gesund sein und Elektriker werden“, sagt Kemal, wenn man ihn nach seinen größten Wünschen fragt. Doch davon ist der 14-Jährige, der in Thalmässing die Mittelschule besucht, weit entfernt. Seit zwei Monaten muss er ein Korsett tragen, das ihn unangenehm einzwängt. Mindestens drei Jahre lang muss er dieses „Plastikding“ erdulden, solange er noch wächst. In dieser Zeit könnte die Wirbelsäule wieder begradigt werden. Dazu müsste er allerdings regelmäßig zur Kontrolle zum Facharzt und bräuchte immer wieder neue Korsetts.

Ohne Arbeit keine Krankenversicherung

In seiner alten „Heimat“ konnte er keinen Arzt aufsuchen. Ohne Arbeit keine Krankenversicherung. Sein Vater, Terhan Musliev, würde alles arbeiten, wenn man ihn nur ließe. Auf dem Balkan sind die Roma eine ausgegrenzte Minderheit und tun sich schwer, Arbeit zu finden. Sie leben von Tätigkeiten wie Schrottsammeln, weiß Karolina Zottmann vom Heidecker Helferkreis, die sich um die Asylbewerber kümmert.

In Heideck konnte Kemals Vater vor dem Winter zumindest ein wenig am Bauhof helfen, doch jetzt im Winter sei da auch nicht so viel zu tun. Er und die anderen Asylbewerber in der Unterkunft halten zumindest das Gebäude, in dem sie jetzt leben, in Schuss. Sonst gibt es nicht viel zu tun. „Wir gehen spazieren und denken“, sagt Terhan in gebrochenem Deutsch.

Sie denken an die ungewisse Zukunft. Im Zimmer der Familie Musliev ist alles picobello aufgeräumt. Zu dritt leben sie hier. Ein Doppelbett, eine alte Couchgarnitur, ein Wohnzimmertisch, ein Fernseher, ein Schrank, das ist alles, was sie hier haben. Aber es ist immer noch mehr als was sie in Mazedonien hatten. Sie wollen nicht zurück in dieses Leben ohne jegliche Perspektive.

Doch sie müssen. Sie kommen nicht aus Syrien oder einem anderen Bürgerkriegsland. Da kennt die Gesetzeslage kein Pardon. Bis Ende nächster Woche müssen sie freiwillig ausreisen. „Das Busticket wird von einer Stiftung bezahlt“, weiß Karolina Zottmann. Wie es dann in Mazedonien weitergeht, dafür muss die Familie selber sorgen. Es gibt lediglich ein Zimmer, wo bislang die Eltern von Terhan lebten. Der Vater hat sich an Weihnachten infolge schwerer Depressionen das Leben genommen, übersetzt Zottmann.

Die Angst im Heidecker Wohnraum der Familie Musliev ist spürbar. Mutter Elvide ist der Verzweiflung nahe. Sie habe doch nur diesen einen Sohn, Kemal. Zwei weitere Kinder hat sie schon während der Schwangerschaft verloren. In Deutschland wurde diagnostiziert, dass der Grund dafür Hepatitis B war. Auch sie würde gerne in Deutschland arbeiten. Im Haus macht sie sich zumindest als Putzfrau nützlich.

Behandlung in Mazedonien unmöglich

Für Kemal ist die baldige Ausreise eine Katastrophe. Er könne in Mazedonien nur schwer behandelt werden. Das sei unbezahlbar. Und das wäre fatal für den Jungen, der überdies nach einer Mittelohrentzündung auch noch schwerhörig sei und ein Hörgerät auf beiden Seiten trägt, sagt Zottmann.

Einmal pro Woche muss Kemal zurzeit nach Rummelsberg, wo sein Korsett angepasst wird. 22 Stunden am Tag muss er dieses am Körper tragen. Er klagt nicht, er trägt es mit stoischer Gelassenheit. Er weiß, dass er keine andere Chance hat, um wieder gesund zu werden.

Der Heidecker Helferkreis will Kemal auch in Mazedonien unterstützen. Spenden sollen gesammelt werden, damit der Junge in seiner Heimat weiterbehandelt werden kann. In drei Monaten steht ein Kontrollbesuch in Rummelsberg an und Ende des Jahres braucht er ein neues Korsett. Eine Heidecker Familie, deren Kind ebenfalls an Skoliose leidet, wäre bereit, ihn während der Behandlungen in Deutschland bei sich aufzunehmen. Spendengelder werden vor allem für die Fahrt- und die weiteren Behandlungskosten benötigt.

Der Heidecker Helferkreis hat über die evangelische Kirchengemeinde ein Spendenkonto für Kemal eingerichtet: Ev. Kirchengemeinde Heideck-Alfershausen, IBAN 91 760 694 62 000 431 195 7, Raiffeisenbank Greding-Thalmässing, Stichwort „Kemal“.

2 Kommentare