In Spalts guter Stube wird ein neues Kapitel aufgeschlagen

27.6.2014, 22:32 Uhr
In Spalts guter Stube wird ein neues Kapitel aufgeschlagen

© Petra Bittner

Erzählen ohne Emotion? Es fällt ihm schwer, verdammt schwer. Denn die Story von Marc Kreidls caritativem Engagement beginnt mit dem Krebstod seines besten Freundes.

Damals, sagt Kreidl, sei dieser Gedanke in ihm gewachsen: „Man muss doch irgendwas tun. Die Kliniken sind immer noch voll mit schwerkranken Menschen“. Und weil Marc Kreidl kein Mediziner ist, begann er zu sammeln: Second-Hand-Literatur. Die brachte er auf Trempelmärkten unters Volk, um den Erlös an die Nürnberger Elterninitiative krebskranker Kinder zu spenden. So fing 2008 alles an...

Ein sonnenverwöhnter Junimorgen 2014: Christine Wohlrab öffnet die Ladentür inmitten eines historischen Gebäude-Defilees der Spalter Altstadt. Kreidls Lebensgefährtin tut damit ein 45-Quadratmeter-Dorado auf, das jedes Leser-Herz höher schlagen lässt. Nicht nur des einladenden Ambientes wegen, das mit seinen nussbraunen Dielen, den weiß getünchten Wänden, dem knallroten Mümmelsessel und den hübsch arrangierten Ausstellungstischen Harmonie verströmt. Es sind vor allem sie: „Geschätzte 6000 Titel“.

Marc Kreidl geht die Regalreihen durch: Bellestristik, Politik, Geschichte, Pädagogik, Kunst... - zu fast jedem Bereich findet sich Lesefutter. Besonders stolz ist er auf eine eigene „Kinderecke“, die sich hinter der Ladentheke erstreckt. Und das niedliche Antiquariat neben dran sei „auch nicht zu verachten“.

Trotzdem. Ein normaler Buchshop will das Lädchen nicht sein. „Geht gar nicht“, betont Kreidl. Denn all diese Ausgaben sind Gebrauchtwaren – zu haben für einen, für zwei Euro.

Gespendet werden die Wälzer von Menschen aus vielen Teilen Mittelfrankens. Menschen, die „Buchrettet-Leben“ einfach gut finden. Weil damit Therapien für kranke und behinderte Kinder unterm Dach des Vereins „Kinderschicksale Mittelfranken e.V.“. protegiert werden. Therapien, die die Krankenkassen oft nicht zahlen.

Für Marc Kreidl bedeutet das: bis zu 1000 Euro Spritgeld im Monat und jede Menge Zeit zu investieren, um die literarischen Gaben bezirksweit abzuholen und dann in ein Lager im Landkreis Ansbach zu verfrachten. Doch dort fange die Arbeit erst richtig an.

80 Prozent der Schmöker seien nämlich „nicht veräußerbar“, müssen aussortiert werden. „Wir sagen zwar ausdrücklich, was wir nehmen und was nicht. Aber die wenigsten Spender halten sich dran.“ Also wird nachträglich getrennt: die Guten in Kisten, die Schlechten in den Recyclingcontainer.

Qualität wird erwartet

Das habe ihm bereits massive Kritik eingebracht, erklärt er, „verleumderische Kritik“. Aber was, bitte schön, solle man mit all dem „Ausschuss“ anfangen? Sowohl im Spalter Laden, als auch bei seinen Abenberger Buchflohmärkten und nicht zuletzt im Internet-Shop, den Kreidl betreibt, um sein Projekt zu finanzieren, erwarten die Kunden schließlich „eine gewisse Qualität“.

Aber er sei Kummer ja gewöhnt, macht Marc Kreidl mit saurem Lächeln deutlich. Seit er für seine „Buch-rettet-Leben“-Idee den Ökotrophologen-Job 2009 an den Nagel gehängt habe, um die caritative Initiative fulltime voranzutreiben, stünden ständig Kritiker auf dem Plan. „Das Härteste, was mal jemand zu mir gesagt hat, war: ´Worin liegt hier eigentlich der Beschiss`?“

Das seien verbale Ohrfeigen, die richtig weh täten. Umso mehr, als sich Kreidl mit seiner Entscheidung für „Buch-rettet-Leben“ selbst an ein Leben des finanziellen Minimums und eines Maximums an Arbeit gewöhnen musste.

Warum er dennoch weitermache, sei schnell beantwortet: „Wenn ich sehe, wie ein Kind mit Mehrfachbehinderung durch eine von uns unterstützte Reittherapie profitiert, dann weiß ich warum“.

Und er weiß auch: Es stehen ihm Unterstützer zur Seite — angefangen bei seiner „besseren Hälfte“ Christine, über eine Vielzahl befreundeter „Aktivisten“ bis hin zur Drogeriemarktkette „dm“. Letztere hat in 34 regionalen Filialen „Buchrettet-Leben“-Sammelstellen eingerichtet. Außerdem wurden kurzerhand Tische für den Spalter Laden „spendiert“. Ein Entgegenkommen, das Kreidl rührt.

„Riesige Unterstützung“ habe ihm aber auch sein neuer Vermieter angedeihen lassen – und zwar nicht nur beim Renovieren des Geschäfts. Kurzerhand verwandelte der seinen alten Kuhstall in ein Büro, sodass Marc Kreidl und Christine Wohlrab nun hinterm Laden auch über einen Arbeitsbereich für alle verwaltungstechnischen Aufgaben verfügen.

„Bingo!“ sagt der 42-Jährige und freut sich wie ein Schneekönig darüber, dass er „angekommen“ sei. Noch dazu ist „Buch-rettet-Leben“ seit Kurzem als gemeinnütziger Verein anerkannt. Kreidl hofft daher, nun „endlich die richtige Form“ für seine Initiative gefunden zu haben. Denn der ständige Kampf gegen Bürokratismen und Hierarchien mache mürbe, „obwohl wir schon immer alles sauber dokumentieren, was wir machen“.

Auch Helfen, seufzt Marc Kreidl, wolle eben gelernt sein. Das musste er in den vergangenen sechs Jahren erfahren.

Augenblicklich jedoch dominiere die Euphorie. Denn man sei stolz auf das, was man hier geschafft habe. Allen Widerständen zum Trotz.

Geschafft für so viele Kinderschicksale. Und letztlich für seinen verstorbenen Freund, meint Marc Kreidl. Auch jetzt überwältigen ihn die Emotionen. Denn ein bisschen fühle sich das an wie ein Happy End...

Der neue „Buch-rettet-Leben“-Laden in der Spalter Hauptstraße 31 öffnet immer donnerstags und freitags von 13 bis 18 Uhr sowie samstags von 9 bis 13 Uhr. Aktuell wartet dort auch ein Gewinnspiel auf die Kunden. Wer Mitglied im Verein „Buch-rettet-Leben“ werden möchte, wendet sich an Marc Kreidl unter (01 74) 3 42 41 59.

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