Kosten für Straßenausbau machen Bürger oft wütend

12.12.2014, 05:57 Uhr
Kosten für Straßenausbau machen Bürger oft wütend

© André Ammer (Archivfoto)

Der Schlüssel zum Glück für die Bürger von Rednitzhembach heißt „Mängelmeldung“. Auf der Startseite des gemeindlichen Internetauftritts können sich die Bewohner des Ortes im Kreis Roth melden, wenn sich eine Fahrbahn abgesenkt hat, Pflastersteine locker sind und die Straße beschädigt ist – oder auch einfach, wenn der Friedhofscontainer mal wieder voll ist.

„Wir haben 7000 Mitarbeiter, die auf unsere Straßen aufpassen“, scherzt Bürgermeister Jürgen Spahl. Aus anderen Gemeinden kommen regelmäßig die Horrormeldungen, dass 83-jährige Witwen plötzlich 20.000 Euro für eine Straßensanierung zahlen müssen — in Rednitzhembach kennt man so etwas überhaupt nicht.

Der Ort hat zwar eine Straßenausbaubeitragssatzung (Sabs), muss sie aber schon seit 20 Jahren nicht mehr anwenden. „Wir sanieren einfach frühzeitig, fräsen die Straße komplett ab, bessern die Schäden aus und asphaltieren die Fahrbahn neu“, erklärt Spahl. Bei einer solchen Reparatur greift die Satzung nicht, die Bürger werden nicht zur Kasse gebeten.

Viel Geld gespart

Und sogar die Gemeinde spart damit. „Seit 1999 haben wir dieses System. Seither haben wir 1,3 Millionen Euro gespart, die Bürger sogar 13 bis 14 Millionen“, sagt Spahl. Er glaubt nicht, was ihm viele Ingenieurbüros sagen und ist der Meinung, dass sich der Untergrund von Straßen nach 30 bis 40 Jahren immer festgefahren hat, egal, welche Unterlage gewählt wurde. Das hat sich bisher auch stets bewahrheitet. Noch nie musste komplett saniert werden. Sind Kanal oder Leitungen schuld an den Baumaßnahmen, müssen die Bürger ohnehin nichts zahlen.

„Das System haben wir uns vom staatlichen Bauamt abgeschaut, das macht es bei Staats- und Bundesstraßen genauso“, erklärt Spahl. Im Jahr 2011 wurde Rednitzhembach vom ADAC für sein effizientes Finanz- und Vergabemanagement ausgezeichnet. Abschaffen will Spahl die „Sabs“ trotzdem nicht: „Ach, wissen Sie, so eine Satzung ist schon was Praktisches“, räumt er ein. Wenn sich plötzlich Bürgerinitiativen einen Edelausbau wünschen würden, könnte er einfach auf den Eigenanteil von 80 Prozent hinweisen. „Da werden die Wünsche plötzlich sehr klein“, weiß Jürgen Spahl.

Ebermannstadt will Modell übernehmen

Den Mängelmelder auf der Internetseite will auch Ebermannstadt im Kreis Forchheim im kommenden Jahr einführen. Und es wird höchste Zeit: Die Stadt ist mit 22,3 Millionen Euro verschuldet. Deshalb wird sie jetzt vom Landratsamt dazu genötigt, eine „Sabs“ einzuführen, rückwirkend für 20 Jahre.

In den vergangenen Jahren wurden alle Ortsteile saniert, jedoch keine Beiträge von den Bürgern verlangt. Teilweise wurde sogar auf Zuschüsse verzichtet. Kurzum: Die Stadt hat weit über ihre Verhältnisse gelebt und muss dafür nun zu Kreuze kriechen. Die Leidtragenden sind die Bürger.

Am 19. Januar soll der Stadtrat über die Satzung entscheiden. Würden die Politiker dagegen stimmen, würde letztendlich ein Zwangserlass des Landratsamt folgen, sagt Bürgermeisterin Christiane Meyer. „Für viele Stadträte ist das eine schwierige Situation. Sie haben den Leuten versprochen, dass sie nichts zahlen müssen“, erzählt sie. „Für mich als neue Bürgermeisterin ist das eine Harakiri-Aktion — aber ich habe keine Wahl.“ Sie hätte einen unglaublichen Investitionsstau und würde kein Darlehen mehr genehmigt bekommen. „Ich bin nicht mehr handlungsfähig“, bekennt Meyer.

Offiziell liegt es im Ermessen der Gemeinde, wie weit sie die Satzung rückwirkend anwendet. 20 Jahre sind die Höchstgrenze. Ist eine Kommune allerdings so klamm wie Ebermannstadt sinkt der Ermessensspielraum auf null.

Schon 3700 Unterzeichner

Wer finanziell ein dickes Polster hat, kann es sich dagegen sogar leisten, auf die Satzung ganz zu verzichten. So wie München, das diese Woche beschlossen hat, die „Sabs“ zum Jahreswechsel abzuschaffen.

Das Rednitzhembacher Beispiel kennt auch Stefan Zrenner vom Verband Wohneigentum Bayern. Sein Verband steckt hinter einer Online-Petition, die derzeit die Abschaffung der Satzung fordert. Die Unterstützer wollen die Straßensanierungen künftig durch Steuermittel finanzieren oder die Kosten gleich durch nachhaltiges Straßenbaumanagement wie in Rednitzhembach eindämmen.

Knapp 3700 Menschen haben die bis zum 13. Mai laufende Petition schon unterzeichnet. In der Region gibt es besonders viele Unterstützer in Nürnberg-Altenfurt und in Zirndorf.

Dort sammeln die Freien Wähler (FW) derzeit auch Unterschriften gegen die Satzung. 500 haben sie schon. „Das Ungerechte ist, dass man dafür herangezogen wird, egal, wie groß das Auto ist und wie oft man über die Straße fährt. Und sogar, wenn man gar kein Auto hat“, meint Marcus Baritsch von den Freien Wählern.

Er plädiert für eine Erhöhung der Grundsteuer. Dann würden die Grundstückseigentümer zwar nicht unbedingt weniger zahlen. „Aber die Ausgaben sind gleichmäßig verteilt und man wird nicht plötzlich von einem Bescheid über 15.000 Euro überrascht“, betont Baritsch.

Muss die „Sabs“ bleiben, sieht Baritsch zwei Stellschrauben: Erstens könnte man die Beiträge absenken und zweitens die Bürger mitbestimmen lassen, etwa über die Auswahl der Pflastersteine. „Das ist eine Möglichkeit, viel Frust abzubauen“, ist Baritsch überzeugt.

 

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