Live aus dem Nest

21.7.2016, 16:13 Uhr
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© Fotos: Gsänger

Ende April/Anfang Mai kommen sie an und verlassen die Kreisstadt erst wieder Mitte August. In dieser Zeit brüten die Vögel unter anderem im Schloss Ratibor. Die größte Kolonie im Landkreis gibt es jedoch auf Burg Abenberg, wie Klaus Bäuerlein vom Landesbund für Vogelschutz beim Ortstermin im Dachgeschoss des Schlosses Ratibor zu berichten weiß.

Bäuerlein und seine Mitstreiter widmen ihr Interesse schon seit vielen Jahren der Beobachtung dieses außergewöhnlichen Zugvogels. Der ursprüngliche Fels- und Baumbrüter wurde vor Kurzem in der neuen Roten Liste sogar als gefährdet eingestuft.

Markenzeichen der rußbraunen Vögel sind deren sichelförmige Flügel. Die Flugspannweite beträgt knapp 40 Zentimeter. Sie werden häufig mit Schwalben verwechselt – mit denen sind sie aber nicht verwandt.

Hier im Schloss Ratibor sind die Mauersegler als Kolonie seit 1984 regelmäßige Gäste. Hier hat nun der Landesbund für Vogelschutz in Kooperation mit dem Museum Schloss Ratibor und der Stadt Roth zwei der wenigen Mauersegler-Webcams (www.lbv.de) in Deutschland installiert, die es ermöglicht, die Tiere aus nächster Nähe beim Brüten zu beobachten.

Der Mauersegler ist eine unserer faszinierendsten heimischen Vogelarten. Ursprünglich ein Felsbrüter, wurde er im Laufe der Jahrhunderte aber immer mehr zum Bewohner menschlicher Siedlungen. In älteren, unsanierten Gebäuden finden Mauersegler beispielsweise viele Dachhohlräume für ihre Nester. Ganze 80 Nistkästen betreuen Bäuerlein und seine Mitstreiter im Schloss Ratibor.

Als ortstreuer Vogel kehrt der Mauersegler nämlich immer wieder in die Gegend seines Brutplatzes zurück. Durch die Sanierung von Gebäuden werden die Zugänge zu den Nestern jedoch immer häufiger verschlossen oder Dachräume zu Wohnungen ausgebaut. Der Mauersegler bekommt dadurch zunehmend „Wohnungsnot“. Nicht so im Schloss Ratibor.

10 000 Insekten pro Tag

Unter dem Dach gewährt Bäuerlein einen kurzen Blick ins „Vogel-Wohnzimmer“. Nur noch wenige Jungtiere verkriechen sich jetzt in den Nestern, die spärlich aus Stroh oder Federn bestehen. Schließlich neigt sich die Brutzeit dem Ende entgegen. Das kleine, mit Speichel befestigte „Napfnest“ besteht aus in der Luft gesammelten oder am Brutort vorgefundenen Materialien.

Bis zu 10 000 Insekten verspeist so ein Altvogel am Tag. Spinnentiere, Schwebfliegen, Mücken und fliegende Formen von Ameisen und Blattläusen erbeutet er in der Luft. Diese hohe Futter-Zahl erstaunt selbst den LBV-Landesvorsitzenden Dr. Norbert Schäffer, der die beiden Webcams unter dem Schlossdach persönlich in Augenschein nimmt. Die Kameras selbst fallen im Nest nicht störend auf.

Altvögel entfernen den Kot der Jungtiere aus dem Nest. Mauersegler sind als heimliche Untermieter reinlich. Sie hinterlassen keinen Schmutz an Fassaden, und ihre Anwesenheit an einem Gebäude bleibt oft unbemerkt. Deshalb werden sie bei Baumaßnahmen meist nicht rechtzeitig bemerkt.

Vorsichtig wie einen Schatz holt Bäuerlein ein frisch geschlüpftes, ja fast zerbrechlich wirkendes Jungtier aus dem Nest und hält es in seinen großen Händen. „Ein menschlicher Kontakt hat keinerlei Auswirkungen für das Jungtier“, beruhigt Bäuerlein. Fasziniert schauen Bürgermeister Ralph Edelhäußer und seine Mitarbeiterin Susanne Temme zu.

Mauersegler sind Zugvögel und verbringen nur die Zeit von Ende April bis Ende Juli bei uns – deshalb werden sie häufig als „Sommerboten“ bezeichnet. Und nur in dieser Zeit brüten sie. Sie legen zwei bis drei weiße, elliptisch-langgestreckte Eier. Diese werden 18 bis 25 Tage bebrütet. Die Jungen verbringen nach dem Schlüpfen 37 bis 56 Tage am Nistplatz. Brutbeginn ist ab etwa Mitte Mai, Brutende ab Mitte bis Ende Juli. Anfang/Mitte August geht es zur Überwinterung wieder nach Zentral- und Südafrika.

Und sie gelten als Leistungssportler unter den Vögeln: Sie verbringen ihr ganzes Leben – mit Ausnahme eben der Brutzeit – in der Luft, wo sie fressen, trinken, baden, Nistmaterial sammeln, sich paaren und sogar schlafen können. Ein Mauersegler legt so pro Jahr rund 190 000 Kilometer fliegend zurück, lässt Bäuerlein wissen. Sie sind jedoch nicht nur Viel-, sondern auch Hochgeschwindigkeitsflieger: Bei ihren rasanten Flugspielen erreichen sie Geschwindigkeiten bis zu 200 km/h.

Die Zugvögel stehen kurz vor dem Abflug aus ihren bayerischen Brutgebieten in ihre Winterquartiere im südlichen Afrika. Bis sie im Mai nächsten Jahres wieder bei uns ankommen, werden sie nicht ein Mal den Boden berühren und die gesamte Zeit in der Luft verbringen. Mauersegler rasten kaum und schlafen sogar im Flug, weshalb sie fast ausschließlich in der Luft beobachtet werden können. Nur zum Brüten setzen sie sich hin und suchen sich als sogenannte Gebäudebrüter ihre Nistplätze unter anderem im Schloss Ratibor.

Auch heuer bietet die Arbeitsgruppe um Klaus Bäuerlein und Hans Zeiner einen Mauersegler-Workshop an. Dieses Mal am LBV-Altmühlzentrum in Muhr am See, am Samstag, 17. September, um 19 Uhr. Vorher (um 16 Uhr) geht es auf die Vogelinsel.

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