Mini-Boot und Ferrari-Motor

29.8.2016, 18:03 Uhr
Mini-Boot und Ferrari-Motor

© Foto: Robert Schmitt

Es ist eine beeindruckende Halle an der Ohmstraße in Rednitzhembach, in der im Dreischichtbetrieb gearbeitet wird. Elf Meter hoch, 36 Meter breit und 65 Meter lang. 1999 ist sie erbaut worden. Seit 2000 ist dort der 46-jährige Thomas Kerling Geschäftsführer. Damals haben für die „Kerling Kunststoff- und Komponentenfertigung GmbH und Co KG“ 23 Beschäftigte an 17 Spritzgussmaschinen gearbeitet. Heute sind es knapp 100 Mitarbeiter, die an zwei Standorten mit 50 Maschinen fertigen. Kerling ist damit einer der größten Arbeitgeber Rednitzhembachs. „Zukunft in Form gebracht“ lautet der Firmenslogan. Schließlich geht es um „spanlose Verformung“, wie der Fachmann sagen würde.

Bei Kerling wird allerdings nicht nur produziert. Dort werden Kunststoffteile nach Kundenwunsch entwickelt. Mit einem eigenen Werkzeugbau setzt Thomas Kerling auf Innovation und ein Komplettangebot von der Planung bis zum einsatzfähigen Produkt. Die Pressteile aus Rednitzhembach werden in der ganzen Welt verbaut. Semikron, Continental und Bosch heißen die größten Partner. Also der Marktführer für elektronische Stromregelung aus Nürnberg und die erste Reihe der deutschen Automobilbau-Zulieferer.

„60 Prozent unseres Umsatzes machen wir mit der Leistungshalbleiterelektronik“, sagt Thomas Kerling. „Ohne Semikron-Teile aus unseren Produkten würden elektronische Antriebe nicht funktionieren.“ Gefragt sind aber auch Kunststoff-Produkte, die nicht entflammbar sind. Damit eventuelle Kurzschlüsse nicht zu großen Bränden führen. „Das wäre vor allem bei Windkraftanlagen auf hoher See eine Katastrophe“, sagt Kerling, dessen Teile die Trägerplatten für die Regelungstechnik in den Generatoren bilden. Um die physikalischen Eigenschaften seiner Kunststoffe stets zuverlässig zu testen, hat Thomas Kerling sogar ein eigenes Labor eingerichtet.

Besonders gefragt ist Kerling auch dann, wenn Kunststoff mit Metallteilen kombiniert werden muss. „Hier sind wir Spezialist.“ Teile für die Formel-Eins-Motoren von Ferrari stammen ebenso aus der Kunststoffschmiede wie die Grundplatte der Stromdosierer in chinesischen Elektro-Bussen. Von wenige Millimeter großen Präzisionsteilen für Handys bis zu Drehkreuzen für Bürostühle mit 65 Zentimetern Spannbreite: Thomas Kerling und sein Team liefern das, was die Kunden brauchen. „Man kann nicht nur von Hightech leben, man muss auch einfache Teile machen“, weiß Seniorchef Karl Kerling.

Thomas Kerling ist gelernter Werkzeugmacher und Formenbauer. Er führt den Betrieb in zweiter Generation. Im September kann die Kerling GmbH ein großes Jubiläum feiern. Vor 50 Jahren hat der heute 74-jährige Karl Kerling das Unternehmen nebst einem Partner in der elterlichen Schreinerei in Veitsaurach aus der Taufe gehoben. Mit einem Angestellten im Drei-Mann-Team. „Dann ging es ganz schnell“, blickt Kerling zurück. „1969 hatten wir bereits acht Maschinen.“

Thomas Kerling war zu dieser Zeit zwar noch nicht geboren. Doch in der jahrelangen Zusammenarbeit mit seinem Vater hat er ein Bild von dessen Fähigkeiten gewonnen. „Er ist ein brillanter Techniker mit einer wahnsinnigen Vorstellungsgabe““ beschreibt er den Senior, der ebenfalls Werkzeugmacher-Techniker ist und vor der Firmengründung zwei Jahre in der Schweiz gearbeitet hat.

1969 wurde in Veitsaurach die erste Halle gebaut. 1974 folgte eine weitere. „60 Prozent aller Sprühventile in Deutschland kamen damals von uns“, verdeutlicht Karl Kerling den Erfolg. 1982 trennten sich die Wege der beiden Gründer. Karl Kerling zog nach Rednitzhembach. Bereits 1986 entstand auch dort wieder eine zweite Produktionshalle. Ende des vergangenen Jahrtausends waren dann die Grenzen des Grundstücks an der Ziegelstraße erreicht. Heute ist dort Werk 2 untergebracht. Mit Inbetriebnahme der hochmodernen Produktionsstätte an der Ohmstraße übergab Karl Kerling die Geschäftsführung an seinen Sohn. 2008 hat Thomas Kerling einen insolventes Automotiv-Unternehmen in Eckental gekauft und dessen Produktion in Rednitzhembach integriert. Der Umsatz liegt seither stets zwischen neun und zehn Millionen Euro pro Jahr.

Karl Kerlings Entwicklungsbegeisterung war es, die ihn zu einem der Väter der „Gimmicks“ werden ließ. Vor allem die Generation der heute um die 50-Jährigen wird daran eine lebhafte Erinnerung haben. Von 1975 an stellte das Yps-Heft eine Revolution auf dem deutschen Comic-Markt dar. Denn neben lustigen Bildergeschichten über die Abenteuer eines Kängurus lieferte jedes Heft ein meist zusammenbaubares Spielzeug, manchmal sogar mit einem altersgerecht aufbereiteten naturwissenschaftlichen Hintergrund.

Ab 1981 kamen die bei den Kids der 1970er und 1980er Jahre heiß begehrten Kunststoff-Gimmicks viele Jahre lang aus Rednitzhembach. Die Zauberbox, ein Fernrohr, das Bonsai-Set und ein Mini-Boot mit Backpulverantrieb gingen beispielsweise auf die Kreativität und das handwerkliche Gestaltungsvermögen Karl Kerlings zurück. „Damals fuhr von hier jede Woche ein ganzer Lastzug weg zum Verlag Gruner und Jahr“, erinnert sich Karl Kerling.

Trotz ihrer Größe ist die Kerling GmbH ein Familienunternehmen geblieben. „Noch bis 2015 war ich hier Chefentwickler“, sagt Karl Kerling, der sein Kind offenbar nur ganz langsam nach und nach loslassen kann. Zu ernsthaften Reibereien zwischen ihm und seinem Sohn ist es deshalb aber nie gekommen. „Man ist nicht immer einer Meinung, aber wir haben immer gut zusammengearbeitet“, versichert Thomas Kerling, der offenbar nicht nur unternehmerisch ein geschicktes Händchen hat. Gattin Viktoria ist immerhin studierte Betriebswirtin. Die 42-Jährige trägt die Verantwortung für die gesamte Finanzbuchhaltung. Der Unternehmenserfolg ist also auch ihr zu verdanken. So läge es durchaus nahe, die Feier im September als Doppeljubiläum zu gestalten. Schließlich sind Thomas und Viktoria Kerling 2016 seit exakt 20 Jahren verheiratet.

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