Monika Engelhardt aus Roth will Image des Flecht-Handwerks fördern

23.6.2017, 16:48 Uhr
Monika Engelhardt schätzt vor allem die Vielseitigkeit ihres Berufs. Die Attraktivität des Flechtgestalterhandwerks will sie nun auch als Bundesinnungs-Vize pushen.

© Petra Bittner Monika Engelhardt schätzt vor allem die Vielseitigkeit ihres Berufs. Die Attraktivität des Flechtgestalterhandwerks will sie nun auch als Bundesinnungs-Vize pushen.

Ob Moses in einem Bast-, Binsen- oder Schilfrohrkörbchen gefunden wurde – daran scheiden sich die Geister. Es muss jedenfalls ein geflochtenes Behältnis gewesen sein, das der Nil-Strömung trotzte und den kleinen Racker wohlbehalten in die Arme von Pharaos Tochter trieb. Wir halten fest: Flechthandwerk ist bei Bedarf nicht nur wasserdicht, sondern auch überreich an Tradition. Drum hat es soeben Aufnahme ins Bundesverzeichnis des "Immateriellen Kulturerbes" gemäß dem UNESCO-Übereinkommen gefunden.

Zweifellos ein Verdienst des amtierenden Bundesinnungsvorstands der Korb- und Flechtwerkgestalter. Doch der ruht sich nicht auf den Lorbeeren aus, sondern richtet seinen Blick gen Zukunft. Denn dort wartet eine Mission: Das aussterbende Handwerk wieder erstarken zu lassen! Monika Engelhardt aus Roth hat da in ihrer Funktion als stellvertretende Bundesinnungsmeisterin so einige Ideen...

Keine zarten Frauenhändchen

Die Hände, die gerade Kaffee nachschenken und kleine Gebäckstücke anbieten, sind keine zarten Frauenhändchen. Es sind Hände, die von Beherztheit, dem Mut des Zupackens und von Geerdetsein sprechen. Sie gehören Monika Engelhardt, gelernte Heilerziehungspflegerin, jetzt Flechtwerkgestalterin.

Seit einem Jahr ist die Wahl-Rotherin stellvertretende Bundesinnungsmeisterin ihrer Zunft. In dieser Funktion sei sie just aus Berlin zurückgekehrt, wo man die offizielle Urkunde zur Aufnahme ins "Bundesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes" nach dem UNESCO-Übereinkommen entgegennehmen durfte, erzählt die 45-Jährige mit den wachen Augen und dem sonnigen Gemüt.

"Eine Chance"

"Immaterielles Kulturerbe". Solches Etikett erhält, wer "die kulturelle Identität eines Landes" mitpräge, heißt´s. Und die setze sich nicht zuletzt aus traditionellen Festen, Bräuchen oder Handwerkskünsten zusammen. So argumentierte die Berlin-Jury und gab der Bewerbung der deutschen Flechter den Zuschlag.

Freude beim Bundesvorstand des Deutschen Flechthandwerks über die Aufnahme ins Verzeichnis des "Immateriellen Kulturerbes" (Monika Engelhardt, 2.v.re.).

Freude beim Bundesvorstand des Deutschen Flechthandwerks über die Aufnahme ins Verzeichnis des "Immateriellen Kulturerbes" (Monika Engelhardt, 2.v.re.). © Bundesinnung / Karmen Katz

"Eine Chance" nennt Monika Engelhardt die Auszeichnung. Eine Chance auf mehr öffentliche Wertschätzung. Und in letzter Konsequenz auch eine Chance zur Erhaltung ihres Berufsstandes.

Denn ja, es sei Handlungsbedarf gegeben, höchste Eisenbahn: Nur 20 Schüler besuchen derzeit die einzige deutsche Flechter-Fachschule im oberfränkischen Lichtenfels. Und der Bundesinnung gehören aktuell noch 80 Mitglieder aus ganz Deutschland an. Zum Vergleich: Alleine die Kfz-Innung München-Oberbayern zählt 2000 Mitgliedsbetriebe.

Freilich hinken solche Relationen. Eine Ausbildung im Korb- und Flechthandwerk — "das ist ein bisschen so, als käme man von einem anderen Stern", weiß Monika Engelhardt um den Exotenstatus ihrer Branche.

Die Vielfalt lockt

Doch gerade der hätte mit seiner schillernden Vielseitigkeit gelockt, damals 1995, als die Heilerziehungspflegerin der zunehmenden Bürokratisierung im Sozialwesen lieber den Rücken kehren wollte.

"Ich habe das alles so aufgesaugt", schwärmt die gebürtige Erlangerin von ihrer eigenen Zeit an der Staatliche Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung.

Gleichwohl ließ das "Erwachen" nicht lange auf sich warten: "Völlig planlos" habe sie nach dem Abschluss ein Gewerbe angemeldet und zugesehen, dass "irgendwie" Geld ins Haus kam.

Fleiß und Engagement

Sowohl eine gewisse Arbeitsroutine als auch kaufmännische Erfahrung gingen ihr gänzlich ab. Wohl eines der Kernprobleme im Hinblick auf mangelnden Nachwuchs, so merkt sie heute kritisch an: "Junge Leute wollen wissen, was sie verdienen, wo sie mal arbeiten und wie sie von ihrem Beruf leben können ...".

Diesbezüglich werde "in der Ausbildung leider wenig vermittelt". Zudem seien "sehr viel Beweglichkeit, Fleiß und Engagement" gefragt, um am Ende Erfolg zu haben. Motto: Jeder ist seines eigenen Glückes Flechter, denn: "Den 08/15-Weg gibt’s bei uns nicht", bestätigt Monika Engelhardt. Dafür eröffne sich aber ein "außergewöhnliches Spannungsfeld aus Tradition und Moderne", in dem jeder sein bevorzugtes Standbein verorten könne.

Das Spektrum ausloten

"Die einen spezialisieren sich auf solide Serienproduktionen, die nächsten auf Reparaturarbeiten, Leute wie ich arbeiten gerne mit Menschen und geben ihr Know-how in Kursen weiter, wieder andere gehen bevorzugt in Richtung künstlerische Gestaltung".

Wichtig sei´s für junge Flechter, sich in diesem Spektrum richtig zu positionieren und Möglichkeiten zu erkennen. Etwa die Kooperation mit anderen Handwerkszweigen, mit Architekten, Künstlern.

Auch zu diesem Zweck will der Bundesinnungsvorstand das Mitglieder-Netzwerk nun ein wenig enger knüpfen, den Austausch untereinander fördern und kräftig die Werbetrommel für weitere Ziele rühren.

Mehr als "Therapiebasteln"

Unter anderem gehe es darum, das Klischee vom Flechten als "Therapiebasteln" zu entkräften und stattdessen die dynamische Qualität dieser (Kunst-)Fertigkeit zu betonen. Eben deshalb sei´s ja "immaterielles Kulturerbe" geworden, sagt Monika Engelhardt: "Weil wir ein festes Fundament haben und trotzdem mit der Zeit gehen". Und dass die Handwerkskunst ihr Geld wert sei, daran wolle man überdies keine Zweifel lassen.

Um die Bevölkerung dezidiert auf all diese Aspekte hinzuweisen, soll ab September eine Wanderausstellung quer durch die Republik touren: "Wissen, Können, Weitergeben". Darin werde der Wandel "vom handwerklichen Produzieren von Gebrauchsgegenständen bis hin zur künstlerischen Gestaltung" anschaulich und lebendig dokumentiert, erläutert Monika Engelhardt.

Sie selbst ist überzeugt, dass das, was der Bundesinnungsvorstand derzeit in Bewegung setzt, Früchte tragen werde. "Wir kriegen jetzt schon viel positives Feedback", freut sich die Innungs-Vize. Ihre Arbeit erlebt sie aber nicht nur deshalb als "sehr bereichernd".

Lebendiges Handwerk

Neulich zum Beispiel, da sei sie bei einer ihrer Reisen durch Deutschland auf einen alten Krabbenfischer gestoßen, der seine Fangreusen noch selbst flechtet. Auch der Besuch bei einer Korbsammlerin im Oderbruch mit eigenem Museum hätte neue Impulse mit sich gebracht oder die Bekanntschaft eines Straßenkünstlers, der mittels der Flechtereien seiner Frau vor Publikum agiere . . .

"Es ist einfach schön zu sehen, in welcher Vielfalt unser Metier lebt", meint Monika Engelhardt nicht ohne Stolz. Diese Menschen und deren Geschichten würden´s schließlich beweisen: "Es gibt eine Zukunft!"

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