Montessori-Schule Büchenbach lebt die Inklusion

24.5.2017, 17:28 Uhr
Montessori-Schule Büchenbach lebt die Inklusion

© Robert Schmitt

Die 17-Jährige mit Down-Syndrom hat mit der Vorstellung ihrer Großen Arbeit in der voll besetzten Aula des Büchenbacher Schulgebäudes nach neun Jahren in der privaten Schule den Montessori-Abschluss erlangt. Sie ist die erste Schülerin mit Behinderung, die das in Büchenbach geschafft hat. Gegenwärtig besuchen sechs weitere Kinder mit Handicap die Büchenbacher Montessori-Schule. Vier in der Grundschule, zwei in der Sekundarstufe.

"Tatjana hat sich hier hervorragend entwickelt und heute eine großartige Leistung gezeigt", kommentierte Tanja Heidner den Auftritt. Die Sozialpädagogin ist seit der fünften Klasse Tatjanas pädagogische Unterstützerin im Unterricht.

"Wie ein Geschenk"

Montessori-Schule Büchenbach lebt die Inklusion

© Robert Schmitt

Besser kennen sie wohl nur ihre Eltern. "Es war wie ein Geschenk für uns, dass die Montessori-Schule sich damals hier angesiedelt hat", meinte Andreas Bub. Zuvor hatte Tatjana ein Jahr lang die Schule der Lebenshilfe in Schwabach besucht. "Dort war sie unterfordert", so Andreas Bub. "Sie ist hier zu einer willensstarken Persönlichkeit geworden und wir sind sehr stolz auf sie", fügte Monika Bub hinzu.

Der Umgang mit dem eigenen Tablet ist für Tatjana eine Selbstverständlichkeit. Bald soll ein Handy hinzukommen. Für die Abschlussfahrt nach England wird sie mit einem Smartphone ausgerüstet. Tatjana ist das älteste von drei Kindern der Bubs. Der 14-jährige Louis und die zwölfjährige Annika freuen sich ebenfalls über den Erfolg der großen Schwester.

"Immer gegenseitig geholfen"

Tatjanas Präsentation erhält vom Publikum besonderen Applaus. Sie selbst strahlt den gesamten Abend über. "Ich bin gerne in die Schule gegangen und habe hier viele Freunde gefunden", sagt sie. Häufig steht sie auch im Mittelpunkt.

Immer wieder kommen Klassenkameraden an ihren Präsentationsstand, um sie zu umarmen und zu beglückwünschen. Hendrik hat mit ihr vom ersten Tag an in der selben Klasse die Schulbank gedrückt. "Wir haben uns immer gegenseitig geholfen", blickt der 14-Jährige zurück.

Tatjana hat bei ihrer Montessori-Abschlussarbeit ein System entwickelt und hergestellt, das es Menschen mit Handicap erleichtern soll, Lesen zu lernen. Entstanden ist "Das ABC der Tiere". Dazu hat sie selbst im Internet recherchiert, Bilder ausgedruckt und die Namen der Tiere darauf so systematisiert, dass ein Alphabet mit jeweils drei Karten für jeden Buchstaben entstanden ist.

Buchstabe "A" und Wort "Affe" werden von einem Bild des Tiers ergänzt. Alle Holzbrettchen dafür hat Tatjana selbst ausgemessen, in der selben Größe gesägt und bearbeitet. In ihrem Vortrag zeigt sie diese handwerklichen Arbeiten anhand mehrerer Videos. "Das Schleifen war am heftigsten", sagt sie.

"Große Arbeit"

Die "Große Arbeit" nach Maria Montessori gliedert sich in mehrere Teile: Die Fertigstellung eines Produkts nach eigenen Interessen und Neigungen am Ende der achten Klasse soll in einem Portfolio dokumentiert werden. Zugleich wird die öffentliche Präsentation des Arbeitsprozesses bewertet. Jeweils ein Ausstellungsstand und der Vortrag werden von einer Jury begutachtet.

Am Donnerstag standen sieben Schülerinnen und Schüler auf der Bühne der Schulaula. Am Freitag folgten sieben weitere. Sie hatten hochspannende, spektakuläre oder innovative Projekte gewählt, die stets einen handwerklichen, künstlerischen oder wissenschaftlichen Schwerpunkt besaßen. "Es war eine immense Herausforderung für die Schüler. Viele der Jugendlichen sind dabei auch an ihre Grenzen gegangen", so Schulleiterin Margit Schüller. "Fit fürs Leben", das zu werden und zu sein, fördere die Große Arbeit, ist Schüller überzeugt. Sie liefere das Handwerkszeug dafür, sich Themen zu erschließen. Dass dabei "alle nachhaltig gelernt haben", wie Schüller versicherte, bewiesen die Vorträge zu den Arbeiten.

Weltraum und Weltmeister

Der Bau eines Mountain-Bikes wird von Sebastian Kremer aus Allersberg ebenso lehrreich und intensiv geschildert, wie Geschichte und Aufgaben der Internationalen Raumstation. Am Stand ist eine Modellversion des Labor-Moduls der ISS zu sehen, das deutsche Forscher und Konstrukteure in Bremen gebaut haben. Es stammt von Valentin Mücke aus Roth, der dafür eine ausrangierte Chemietonne benützt hat.

Lukas Wurm aus Hilpoltstein schildert einen "Schritt hin zur Energiewende". Seiner Meinung nach gehört dabei dem Wasserstoff als Speichermedium die Zukunft. Chiara Wolf aus Pyrbaum hat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Ihre selbst hergestellte Seife pflegt schonend Haare und vermeidet zugleich Plastikmüll.

Fin Stenzel aus Schwabach ist seit Kindheitstagen fasziniert von Dinosauriern. Seine Forschung zu den jurazeitlichen Echsen erlebte er hautnah im Solnhofer Steinbruch bei Eichstätt. Mit den Experten des Juramuseums der Stadt durfte er selbst eine Woche Steine klopfen, um nach Fossilien zu suchen.

Am Freitag präsentierten Parami Nock aus Hilpotstein, Pia Reisch und Leon Kusmider aus Roth, Luca Kronstädter aus Freystadt, Marco Achammer aus Wendelstein, Dana Herger aus Wendelstein und Nils Flock aus Wolkersdorf ihre Großen Arbeiten. Die Nürnberger Kaiserburg, das "Team hinter dem Team" der Fußballweltmeister 2014, die Ukulele und das THW waren dabei die Themen. Japanisch Comics sowie Betrachtungen zum Rhythmusinstrument Kajon und des Kanban-Systems komplettierten eine große Spannbreite.

Der nächste Schritt

Für Tatjana Bub ist die Zeit der Inklusion, also der Teilhabe am sozialen und beruflichen Leben unter Menschen ohne Behinderung, nun erst einmal vorbei. Ihr Weg führt sie in die Berufsschulstufe einer eigenen Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Um die Regelberufsschule besuchen zu können, würde sie einen regulären Ausbildungsplatz brauchen. Sie sieht es pragmatisch: "Dort sind andere Menschen mit Down-Syndrom, deshalb ist es in Ordnung."

Für ihre Eltern ist mit dem Wechsel in eine Fördereinrichtung noch nichts endgültig entschieden. "Sie kann sich dort ausprobieren und weitere Fähigkeiten erwerben", sagt Monika Bub. "Danach könnte sie es vielleicht sogar auf den ersten Arbeitsmarkt schaffen." Erlebt hat Tatjana jedenfalls bereits, wie es ist, inklusiv zu arbeiten. Sie schwärmt geradezu von ihren Praktika als Pflegehelferin, in einer Großküche, auf einem Reiterhof und in der Gärtnerei des Auhofs. Alle reden von Inklusion. Tatjana lebt sie.

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