Nur die Stille geht im Radio gar nicht

9.3.2019, 06:00 Uhr
Nur die Stille geht im Radio gar nicht

© Foto: Graff

Seit 2003 gehört Hadem zum Team der Rundfunkprediger des Bayerischen Rundfunks. Mehrfach im Jahr produziert er seit einigen Jahren auch evangelische Verkündigungssendungen, die der Deutschlandfunk bundesweit ausstrahlt. Dort war Eberhard Hadems sonore Stimme im letzten Monat eine Woche lang vom Montag bis Samstag am frühen Morgen im Deutschlandfunk zu hören. Sechs Sendungen, fünf Morgenandachten und am Freitag die aktuellen "Gedanken zur Woche", jeweils knapp viereinhalb wortdichte Minuten. Am Sonntag darauf predigte er wieder für die Gemeinde in der Rother Stadtkirche. Denn: "Von Beruf bin ich ja Gemeindepfarrer."

In der Kreisstadt ist der Pfarrer mit seiner Frau im letzten halben Jahr gut angekommen. Voller Dankbarkeit denkt er an den Dienstbeginn in Roth zurück. "Wohltuende Freundlichkeit" sei ihm bei der Begrüßung in der Stadtkirche entgegengestrahlt. "Die Kirchengemeinde hat viel dafür getan, dass wir uns hier wohlfühlen." Mehrere sehr unterschiedliche berufliche Stationen hat er in seinem Berufsleben absolviert. Vierzehn Jahre an der Nürnberger Lorenzkirche mit ihren vielfältigen Herausforderungen markieren eine besonders wichtige und prägende Zeit. Ein liebgewordenes Kreuz, das der Lorenzer Gemeinde gehört, schmückt als Dauerleihgabe die Besprechungsecke in seinem Rother Büro.

Zuletzt hat er als geschäftsführender Pfarrer die Diaspora-Gemeinde in Weilheim geleitet. Nun die Spannung einer geteilten Stelle zwischen Stadt und Land. "Ich mag das", sagt er. "In Roth ist ganz viel Neuanfang, Pfaffenhofen ist auf wohltuende Weise unaufgeregt." Er genieße die Nähe zu den Menschen, die Zeit, die er als Pfarrer hier mit ihnen im Gespräch verbringen kann.

Mehrmals im Jahr schenkt Eberhard Hadem seine Aufmerksamkeit auch einem viel größeren Hörerkreis und er wendet sich über den Rundfunk an mehrere hunderttausend Hörerinnen und Hörer in Bayern und im ganzen Bundesgebiet. Sendungen, die akribisch vorbereitet sein müssen, exakt getaktet auf die jeweilige Sendezeit, so in Worte gefasst und gesprochen, dass sich im anonymen Publikum jeder persönlich angesprochen fühlen kann.

Wenn der Pfarrer im Rother Pfarrhaus von seiner Rundfunk-Arbeit erzählt, spürt man deutlich, wie sehr ihm diese besondere Art der Verkündigung über die Jahre ans Herz gewachsen ist. Eine Aufgabe, die er sich nicht selbst gesucht hat, in die er sozusagen hineinüberzeugt worden ist.

Debüt in der Lorenzkirche

Angefangen hatte es mit einem Radiogottesdienst zum Buß- und Bettag aus der Lorenzkirche. Danach weiteres Ausprobieren und die Frage: Ist das was für mich? Andere waren damals davon viel überzeugter als er. Ausgerechnet er, der es liebt, in seinen Predigten mit der Stille zu spielen. "Das geht im Radio gar nicht." Aus dem Testlauf ist bald eine offizielle Beauftragung geworden. Frisch gewählt ist der Wahl-Rother in den "kleinen Rundfunkpredigerrat", der unter anderem Berufungsempfehlungen für neue Kollegen erarbeitet.

Über das Präzise, die Kraft jeden einzelnen Wortes, das Ohr für die Atmosphäre habe er, so sagt Eberhard Hadem, in der Arbeit beim Hörfunk viel gelernt. Auch darüber, was zu viel des Guten ist. Zu viele Gedankengänge, zu viel Text, zu viel Emotion. "Dazu neige ich." Das Medium Radio ist unbarmherzig hart, was die Qualität des gesprochenen Wortes angeht. Jeder Wortbeitrag, egal ob Kurzandacht oder ein kompletter Radio-Gottesdient, wird vor der Aufnahme redaktionell genau unter die Lupe genommen, hinterfragt, gemeinsam inhaltlich und sprachlich optimiert. "Da muss man sehr gut mit Kritik umgehen können." Viel mehr, als daheim in der Gemeinde, wo das Wort des Pfarrers einen anderen Stand hat und direkte Kritik eher die Ausnahme ist. "Dort werde ich gezwungen, die Dinge stringent zu Ende zu denken. Die Leute hören mir ja sozusagen beim Denken zu."

Die Rundfunkbeauftragten beim Bayerischen Rundfunk und beim Gemeinschaftswerk der evangelischen Publizistik (GEP) nehmen ihre Aufgaben sehr ernst. Die überschaubare Gruppe der Rundfunkprediger ist handverlesen. Sie werden bestens geschult, umfassend begleitet und die Arbeit permanent kritisch hinterfragt. Als "leidenschaftlicher Prediger", der Hadem unzweifelhaft ist, stellt er sich dem immer wieder gerne und weiß, dass auch seine Arbeit in der heimischen Gemeinde davon profitiert: Eine geschulte Stimme, eine Predigt, die Wort für Wort wohlbedacht vorbereitet ist, der differenzierte Umgang mit Emotion. Schon immer aber habe er seine Predigten schriftlich ausformuliert.

Impuls zum Denken

"Der Prediger soll das Wort Gottes verkünden. Auch wenn ich lange darüber nachgedacht habe, was das Evangelium ist, glaube ich nicht, dass meine Lesart die einzige ist." Deshalb beginnen seine Ausführungen oft mit den Worten: "Ich verstehe es so: …." Die Gottesdienstbesucher wie die Radiohörer sollen ein Interpretationsangebot bekommen, einen Impuls zum eigenen Nachdenken. "Jeder darf selbst entscheiden, was er davon für sich braucht." In der Kirche bemerkt er wohl, wenn die Gemeinde ihm dabei nicht folgen kann. Nach Radiosendungen erreicht ihn das Feedback auf dem Anrufbeantworter, per Post oder E-Mail.

Noch nie, sagt er, waren die Reaktionen so zahlreich und vielfältig wie auf seine jüngsten "Morgenandachten". Auch seine "Gedanken zur Woche", die das zeitgleich laufende Bürgerbegehren zur Artenvielfalt zum Thema hatten, bewegten viele Menschen.

Seine Wortbeiträge kann man in den Mediatheken der Sendeanstalten nachhören. Damit kann er sich nur teilweise anfreunden. "Predigten sind Gebrauchstexte, die für den Moment gemacht sind." Untrennbar mit der Person und dem Augenblick verbunden. Deshalb habe er bisher auch abgelehnt, wenn Verlage Teile seiner "gesammelten Werke" in Buchform veröffentlichen wollten. "Ein Gottesdienst ist immer ein Unikat. Das muss nicht für die Nachwelt sein."

Zum Vormerken: Am 3. Mai ist Eberhard Hadem wieder im Radio zu hören: Freitag, von 6.35 bis 6.40 Uhr, sendet der Deutschlandfunk die "Gedanken zur Woche" zu einem gesellschaftlich relevanten aktuellen Thema, das erst wenige Tage vor der Sendung festgelegt wird, und am 12. Mai wird die nächste Evangelische Morgenfeier von ihm um 10.05 Uhr in BR 1 zu hören sein. Weitere Termine für Morgenfeiern sind der 1. September und der 8. Dezember.

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