Ohne SED ging nichts

24.6.2015, 18:35 Uhr
Ohne SED ging nichts

© Foto: Reinhold Mücke

Den Abend eröffnete 2. Bürgermeister Thomas Schönfeld. Als eine tolle Geschichte bezeichnete es Schönfeld, dass die Wiedervereinigung friedlich geschafft werden konnte. Persönlich hatte er von der Maueröffnung während eines Aufenthalts im Rahmen seiner Bundeswehrtätigkeit in den USA von einem Kanadier in den Rocky Mountains erfahren, wie er verriet.

Dr. Anett Haberlah-Pohl widmete ihren Teil des Abends erst einmal der Geschichte der DDR, angefangen von der offiziellen Staatsgründung des zweiten deutschen Staates im Oktober 1949 bis zur Wiedervereinigung im Jahre 1990. Der Mauerbau 1961 sei erfolgt, um ein weiteres „Ausbluten“ zu verhindern, womit aber auch der ökonomische Zusammenbruch erst einmal verhindert war. Haberlah-Pohl berichtete von einem damit verbundenen schweren Schlag vor allem für die DDR-Opposition, von verschärften Repressalien gegen Widerständler und von aufgrund der Stasi-Tätigkeiten vermehrten Gefängnisverurteilungen, aber auch von einem Rückzug insbesondere der Jugend von Staat und Gesellschaft.

Die DDR habe den Anspruch erhoben, ein völlig neues Deutschland zu sein und der einzige deutsche Staat, der seinen Bürgern Frieden und Einheit, Menschlichkeit und soziale Gerechtigkeit garantiere. Aber sie habe keinen inneren Zusammenhalt geschafft. Die Mehrheit der Bevölkerung, so Haberlah-Pohl, habe entweder unzufrieden gelebt oder versucht, ein selbstständiges Leben aufzubauen, das sich gegen die verordneten Normen stellte, ohne sich aber direkt politisch zu artikulieren. Haberlah-Pohl ging dabei auch auf die kulturelle Szene und die Rolle der Schriftsteller ein, die sich den Staatszielen unterwerfen sollten.

Näher befasste sich Annett Haberlah-Pohl auch mit der Flucht aus der DDR. Danach hätten zwischen Oktober 1949 und Juni 1990 mehr als 3,8 Millionen Menschen den Staat verlassen, viele davon illegal und unter großen Gefahren. Bei Grenzzwischenfällen hätten zwischen 1949 und 1989 1135 Menschen ihr Leben gelassen.

Untersucht hatte die Archivarin auch aufgrund abgeholter Bargeldhilfen, dass ab 1975 und später ab 1985 eine stark steigende Zahl von DDR-Bürgern nach Allersberg gekommen war. Ab 1987 seien 53 DDR-Übersiedler nach Allersberg gezogen, wovon allerdings nur noch ein kleiner Teil in der Marktgemeinde lebt.

Mit dem Lesen und den Büchern in der DDR hatte sich die Leiterin der Gemeindebücherei Cordula Doßler intensiv auseinandergesetzt. Interessant, dass sie selbst mit ihren Eltern nach dem Mauerbau 1962 aus der DDR geflüchtet war und auch Haberlah-Pohl aus dem Gebiet der früheren DDR stammt. „Wer keine Ostverwandtschaft hatte, nahm die DDR eigentlich gar nicht wahr“, sagte Doßler aus Sicht eines „Wessis“.

Nach dem Vorbild des Gorki-Instituts in Moskau sei auch in der DDR ein ähnliches Institut aufgebaut worden, das den dort tätigen Schriftstellern kaum Sorgen beim Lebensunterhalt machte. Die SED förderte dabei zwar Schriftsteller, bestimmte aber gleichzeitig, was gelesen werden durfte und wie viel sozialistische Wirklichkeit dem Leser zuzumuten war. Die Kulturpolitik in der DDR sei Teil der marxistisch-leninistischen Ideologie gewesen mit entsprechender Zensur. „Gelesen werden sollte, was der SED gefiel“, so Doßler, die das auch mit der Ausweisung von Wolf Biermann 1976 unter Beweis stellte.

Jedes Buch hatte dem Kulturministerium zur Beurteilung vorgelegt werden müssen, das dann auch die Auflagenhöhe bestimmte. Lesen wurde staatlich weitgehend gefördert, auch mit einer entsprechend hohen Zahl von Bibliotheken. Und durch die staatliche Bevormundung wären Leser und Autoren auch einen Pakt eingegangen und die Botschaft zwischen den Zeilen habe sich früh herausgebildet, in dem die einen zwischen den Zeilen schrieben und die anderen zwischen den Zeilen lasen.

Ein dichtes Netz an Literaturpreisen und ein noch dichteres Netz an Bibliotheken, das von der Zentralbibliothek bis zu den Dorfbibliotheken reichte, sollte der Bevölkerung viel Stoff zum Lesen bieten. Dazu kamen noch spezielle Betriebsbibliotheken und Schulbibliotheken. „Im Arbeitsleben kam man nicht am Buch vorbei“, sagte Doßler. 1970 hätten in der DDR, so Doßler mit einer Bevölkerung von rund 16 Millionen mehr als 17000 Bibliotheken zur Verfügung gestanden. Die vier Millionen Leser brachten es auf 60 Millionen Entleihungen.

Demgegenüber bestanden in der Bundesrepublik mit seinen 61 Millionen Einwohnern (1987) gut 11000 Bibliotheken mit 217 Millionen Entleihungen.

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