Roth: Es werden immer mehr Helfer beleidigt oder angegriffen

15.10.2017, 16:04 Uhr
Bernd Patek, Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr Roth, und seine Kollegen werden immer öfter beschimpft. Ein Kollege wurde sogar angefahren.

© Lea-Verena Meingast Bernd Patek, Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr Roth, und seine Kollegen werden immer öfter beschimpft. Ein Kollege wurde sogar angefahren.

Ein Vorfall ist besonders in Erinnerung geblieben. „Es war vor ein paar Jahren. Wir waren nach einem schweren Unfall vor Ort, um den Verkehr umzuleiten. Ein Autofahrer hatte überhaupt kein Verständnis, dass er nicht seine gewohnte Route fahren konnte. Er hat einfach Gas gegeben und einen Kollegen angefahren“, erinnert sich Bernd Patek, der Vorsitzende der Freiwilligen Feuerwehr Roth.

Der Feuerwehrmann war am Bein verletzt und musste vor Ort vom Rettungsdienst behandelt werden. Der Fahrer sei dann auch angezeigt und zu mehr als einem Jahr Führerscheinentzug verurteilt worden. „Das war sicher der schlimmste Vorfall, aber das Traurige ist, dass wir inzwischen oft verbalen Angriffen ausgesetzt sind“, sagt der 54-Jährige.
„Scheiß Feuerwehr!“, „Habt ihr nichts Besseres zu tun?“, „Spakken!“ — das sind nur einige Wortlaute, die sich die Feuerwehr mittlerweile regelmäßig anhören muss.

„Seit zwei bis drei Jahren nimmt das deutlich zu. Die Leute sind aggressiv und beschimpfen uns aus ihrem Auto heraus“, sagt Bernd Patek. Oft sei es nicht möglich, sich die Kennzeichen-Nummer zu notieren — im ersten Moment erschreckten die Helfer und dann seien die Autos längst weitergefahren.

Genauso weisungsbefugt wie die Polizei

„Bei größeren Umleitungen haben wir Posten auf mehreren Kilometern. Teilweise stellen wir erst danach fest, dass sich auf der Strecke mehrere solcher Fälle zugetragen haben“, erzählt Patek. Vor allem hätten er und seine Kollegen auch keine Zeit, sich um diese Autofahrer zu kümmern.

„Wir sind ja nicht aus Spaß vor Ort, wir müssen zügig unsere Arbeit erledigen“, betont Patek und fügt hinzu: „was viele vielleicht nicht wissen: wir sind genauso weisungsbefugt wie die Polizei“. Er findet die Beschimpfungen besonders ärgerlich, weil er und seine Kollegen ehrenamtliche Helfer sind. Nur die Mitarbeiter, die die Technik warten, werden bezahlt.

Polizei verzeichnet 14 Vorfälle im Landkreis Roth

Auch die Polizei beklagt eine Zunahme an Beleidigungen und Gewaltangriffen gegen Beamte in ganz Bayern. Im Jahr 2016 wurde ein neuer Höchststand seit Erstellung der Statistik 2010 erreicht.
Im Landkreis Roth ereigneten sich im Jahr 2016 insgesamt 14 Vorfälle, darunter vier Beleidigungen und vier Körperverletzungen.

„Der Landkreis Roth ist damit eher wenig mit Angriffen gegen Polizeibeamte belastet. Allerdings ereignete sich mit dem Tötungsdelikt in Georgensgmünd auch das einzige vollendete Delikt dieser Art in ganz Bayern“, teilt Robert Sandmann mit, Kriminalhauptkommissar des Polizeipräsidiums Mittelfranken.

Besonders in den drei vergangenen Jahren sei die Zahl der Angriffe gegen bayerische Polizistinnen und Polizisten gestiegen. Zum ersten Mal seit Beginn der Statistik machten 2016 nicht Beleidigungen, sondern Körperverletzungen den größten Anteil der Delikte aus.

Zwicken und Beißen

„Eine gute Ausbildung und Schutzausrüstung kann den Polizisten im Einzelfall helfen, um professionell auf Angriffe zu reagieren. Allerdings bleibt zu beachten, dass sich Gewalt gegen Polizeibeamte und -beamtinnen oft spontan und ohne Vorwarnung in Alltagssituationen entlädt“, sagt Robert Sandmann.

"Verbale Beleidigungen gehören zur Tagesordnung, auch Handgreiflichkeiten, Zwicken oder Beißen nehmen zu", sagt Michael Christ, der Leiter der Notaufnahme in der Kreisklinik in Roth.

"Verbale Beleidigungen gehören zur Tagesordnung, auch Handgreiflichkeiten, Zwicken oder Beißen nehmen zu", sagt Michael Christ, der Leiter der Notaufnahme in der Kreisklinik in Roth. © Lea-Verena Meingast

„Verbale Beleidigungen gehören zur Tagesordnung, auch Handgreiflichkeiten, Zwicken oder Beißen nehmen zu“, sagt Michael Christ, Leiter der Notaufnahme an der Kreisklinik in Roth. Die Notaufnahme sei einfach ein aufgeheizter Ort, weil die Menschen in einer Notsituation sind und Angst oder Panik haben und mehr Leute als früher in Notaufnahmen eintreffen.

Mitarbeiterinnen sind häufiger Opfer

„Das Schlimmste, das mir passiert ist, war ein radikaler Fußballfan, der mit beiden Händen meinen Hals gepackt und mich an der Tür hochgeschoben hat“, erzählt der 35-jährige Arzt.

Mitarbeiterinnen würden häufiger angegriffen. „Kolleginnen, die einen Kopf kleiner sind und nicht das Schild ,Stationsleiter‘ tragen, haben es schwieriger“, sagt er. Dabei seien sie genauso kompetent und durchsetzungsstark, aber die Angreifer denken, sie wären ein leichtes Ziel, glaubt der Stationsleiter.

Aggressive Demenz-Patienten

Die Gewalt gehe meist von Menschen aus, die unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stehen oder psychische Probleme haben. Auch ältere Menschen werden aggressiv oder handgreiflich. „Wenn sich Demenz-Patienten in einem verwirrten Zustand befinden, wehren sie sich“, so Michael Christ.

Allerdings sei die große Mehrheit der Patienten und Angehörigen freundlich. „Manchmal kommt es auch vor, dass wir nach einer aufgeheizten Situation wieder lachend mit den Patienten hinausgehen“, erzählt der 35-Jährige. Wenn er und sein Team auf die Menschen eingehen und die Notsituation gelöst ist, beruhigten sich viele Patienten auch wieder schnell und sähen ein, dass sie überreagiert haben.

"Es ist schon eine Kunst zu erkennen, wie die psychische Lage der Menschen ist, und wie wir die Situation frühzeitig entschärfen können", sagt  er. In Deeskalationstrainings werden die Mitarbeiter darin geschult, wie sie sich gegenüber Angreifern behaupten und sich  selbst schützen können.

Videoüberwachung und Notfallknopf für Mitarbeiter

Seit März diesen Jahres ordnet ein Stützpunkt-Dienst ein, wie dringlich die Versorgung eines Patienten ist. „Die Kollegen untersuchen die Menschen kurz, reden mit ihnen und checken die Vitalwerte. Dann entscheidet sich, ob die Patienten sofort drankommen oder im Wartebereich Platz nehmen“, so Christ. Das sei eine enorme Qualitätssteigerung. „Dadurch läuft es deutlich geordneter und ruhiger“, sagt er.

Zudem werden die  Untersuchungsräume  videoüberwacht und die Mitarbeiter tragen Notfallknöpfe bei sich. „Wenn einer von uns den Alarm auslöst, werden die Dienstärzte sofort verständigt“, erläutert  er. Wenn sich ein Angreifer plötzlich mehreren Ärzten gegenüber sieht, ist eine Situation schneller geklärt, so die Hoffnung. „Wir versuchen, so gut es geht auf die Menschen einzugehen“, sagt Christ.

Keine Kommentare