Roth hilft: Die "Engel" von nebenan

28.1.2018, 16:37 Uhr
Roth hilft: Die

© Foto: Marco Huber

Gerade für Senioren ist gute Nachbarschaft oft unersetzlich. Die Nachbarin hilft beim Einkaufen, man kommt mal auf einen Kaffee zum Ratschen, oder der Nachbar hilft beim Einladen oder repariert das klemmende Garagentor. Diese kleinen Alltagshilfen sind heute aber nicht mehr selbstverständlich. Viele Leute sind berufstätig und dadurch den ganzen Tag unterwegs, der Kontakt zu den Nachbarn auch durch Begegnungen im Hausflur ist minimal, man bekommt nicht mehr mit, was die ältere Dame nebenan so macht. Dass diese vielleicht sehr einsam ist und sich Gesellschaft wünscht, wer weiß das schon. Dabei ist Vereinsamung auch in Roth ein Thema, weiß Maren Müller-Draheim, die Leiterin der Rother Nachbarschaftshilfe.

Sie koordiniert die 18 Ehrenamtlichen und verteilt die Aufträge an die Aktiven. "Wir tun im Grunde das, was in einer gut funktionierenden Nachbarschaft der echte Nachbar tut. Wir besuchen, wir begleiten, wir unterstützen", erklärt sie. Vor allem Senioren nehmen das Angebot in Anspruch, denn diese brauchen vielleicht einmal Hilfe oder Begleitung beim Arztbesuch, beim Gang auf’s Amt oder beim Ausfüllen von Formularen. Auch, dass mal jemand für sie oder mit ihnen gemeinsam einkaufen geht, ist für die meisten Senioren ein großer Gewinn. Denn der Weg zum nächsten Supermarkt ist oft lang, die Tasche schwer, da hilft es schon, wenn jemand mit anpackt und nachher beim Verräumen hilft.

Einkaufen und ein Käffchen 

"Oft haben wir auch festgestellt, dass es den Leuten gar nicht so sehr um die Hilfe beim Einkauf geht, sondern es für sie fast wichtiger ist, dass man danach noch auf eine Tasse Kaffee bleibt." Die Ehrenamtlichen der Nachbarschaftshilfe gehen deswegen auch auf Wunsch mit zum Spazieren, wenn sich jemand nicht mehr alleine aus den eigenen vier Wänden traut.

"Unsere Unterstützung ist ein Baustein, der dazu beiträgt, dass die Menschen zuhause wohnen bleiben können", erklärt Müller-Draheim. Denn oft sind es Kleinigkeiten, die schnell erledigt sind, für die Senioren aber zum Problem werden. Sei es die neue Garderobe, die an die Wand geschraubt werden muss, das quietschende Garagentor, das etwas Öl vertragen könnte, oder der Sperrmüll, der an die Straße gestellt werden soll. Wenn die Dinge erledigt sind, kann das für die Senioren ein großes Mehr an Lebensqualität bedeuten. Zur Nachbarschaftshilfe kann man mit vielerlei Anliegen kommen.

Hemmschwelle größer

"Jeder von unseren Aktiven hat sein Gebiet, wo er sagt, das kann ich, das mache ich. Wir haben ehemalige Lehrer, Handwerker, Hausfrauen", erzählt Müller-Draheim. Oft sind die Ehrenamtlichen selbst schon Rentner, die Zeit haben und sich engagieren wollen.

Maren Müller-Draheim ist voll berufstätig, aber kann sich ihre Zeit im Job frei einteilen und so ihre ehrenamtlichen Stunden für die Nachbarschaftshilfe leisten. Rund 2000 Stunden sind die Ehrenamtlichen im Dienste der guten Nachbarschaft im Jahr in Roth unterwegs. Nicht jeder traut sich, anzurufen. "Ich glaube, gerade bei der älteren Generation ist die Hemmschwelle größer, weil man es gewohnt ist, die Dinge selbst zu erledigen, um niemandem zur Last zu fallen", glaubt Müller-Draheim.

Doch auch das andere Extrem gibt es, wenn die Hilfsbereitschaft ausgenutzt wird. Etwa ein Anrufer, der fragte, ob es möglich wäre, dass jede Woche 20 Oberhemden gebügelt würden. Solcherlei Geldspar-Ansinnen kann Müller-Draheim inzwischen schnell enttarnen. "Da sagen wir ganz klar, dafür gibt es die Reinigung."

Kleine Arbeiten im Haus

Sie fragt deshalb bei jedem Anruf die klassischen "Ws" ab (Wer? Was? Wann? Warum? Wie viele?) und bekommt damit schnell ein Bild, welches Ausmaß die Hilfe hat und auch, für welchen Ehrenamtlichen die Anfrage geeignet ist.

"Uns geht es ja nicht darum, einen Handwerker zu ersetzen. Aber manche Dinge sind einfach zu klein für Handwerksfirmen." Etwa wenn sich die Antirutsch-Gummilippe an der Treppenstufe löst oder eine einzige Lampe montiert werden muss. Solche Aufträge nähmen viele Handwerker gar nicht erst an, sagt Müller-Draheim. "Da müssen sie eine Viertelstunde An- und Abfahrt, dann noch eine Viertelstunde Arbeit berechnen und dann noch die Rechnungsstellung. Das wäre viel zu teuer." Für Menschen, die dem nicht mehr selbst gewachsen sind, übernehmen das dann die Ehrenamtlichen von der Nachbarschaftshilfe, wenn sie gefragt werden.

Grundsätzlich entscheidet jeder Ehrenamtliche selbst, was er tun möchte und wie oft. Einmal im Monat treffen sich die Engagierten dann und tauschen sich über ihre Arbeit aus. So kann man auch feststellen, ob die Hilfsbereitschaft wirklich nötig ist. "Manchmal kommt dabei zu Tage, dass sich bereits andere Menschen oder auch die Diakonie um jemanden kümmern. Da ziehen wir uns dann auch mal zurück, sodass wir Zeit haben für Menschen, die unsere Hilfe dringender brauchen", erklärt Maren Müller-Draheim. Entscheidungen werden in der Runde der Ehrenamtlichen gemeinsam gefällt. "Dadurch, dass wir alle aus so unterschiedlichen Bereichen kommen, hat jeder auch eine andere Sicht auf die Dinge und wir finden gemeinsam immer eine gute Lösung", sagt sie. So tauscht man sich etwa aus, wenn man den Verdacht hat, jemand gleitet in die Demenz ab. Zwei Ehrenamtliche haben sich extra dafür schulen lassen und können ihren Kollegen so Tipps geben, was zu tun ist.

In den vergangenen Jahren ist die Nachbarschaftshilfe bekannter geworden und die Arbeit auch mehr. "Vor allem die Einzelaufträge nehmen zu." Missonieren gehen die 18 Aktiven aber nicht. "Das läuft vor allem über Mundpropaganda. Wir haben zwar Kärtchen und wenn wir jemanden treffen, von dem wir denken, der könnte Hilfe gebrauchen, geben wir das auch her, aber anrufen müssen die Leute selbst." Denn nicht jeder möchte die Hilfe auch.

Die Nachbarschaftshilfe Roth wurde vor fünf Jahren als Pilotprojekt ins Leben gerufen und kümmert sich nur um Menschen die im Rother Stadtgebiet wohnen. Der Bedarf aber ist überall da, deshalb freut sich Maren Müller-Draheim auch, dass es inzwischen in fast jedem Ort eine vergleichbare Gruppe Ehrenamtlicher gibt, die hilft.

Die Nachbarschaftshilfe in Roth kann man erreichen unter (0 91 71) 9 26 04 16. Montag bis Freitag, jeweils von 17 bis 19 Uhr. Die Geschäftsstelle in der Hilpoltsteiner Straße 1 ist am Mittwoch von 10 bis 12 Uhr geöffnet, am Freitag von 15 bis 17 Uhr.

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