Royal Southern Brotherhood auf Südstaaten-Reise

11.4.2016, 16:15 Uhr
Zwei, die sich musikalisch blind verstehen: Samantha Fish (li.) jammt mit dem "Royal Southern Brotherhood"-Gitarristen Bart Walker.

© Hans von Draminski Zwei, die sich musikalisch blind verstehen: Samantha Fish (li.) jammt mit dem "Royal Southern Brotherhood"-Gitarristen Bart Walker.

Rückblende: Vor gut fünf Jahren schickte das Blues-Plattenlabel Ruf Records im Rahmen seiner alljährlichen "Blues Caravan" drei "Girls With Guitars" auf Europatour. Darunter Dani Wilde, die bei den Jubiläums-Bluestagen einen sehr prägnanten Auftritt im "Posthorn" absolvierte - und die damals erst 22-jährige Samantha Fish, die beim Open-Air-Konzert auf der Fürther Freiheit alles in Grund und Boden rockte.

Leiser, unspektakulärer, gesetzter ist Samantha bestimmt nicht geworden. Aber sie hat deutlich mehr Ideen, wie sie Gefühle, Stimmungslagen und Situationen mit nonverbalen Mitteln ausdrücken kann. Dazu kommt eine in angenehmer Weise gereifte Gesangsstimme. Ein runder, voller, niemals kieksiger Sopran, der sich deutlich vom Whiskey-Alt anderer Sängerinnen abhebt.

Vor einem halben Jahrzehnt noch auf laszives Blues-Girlie getrimmt, präsentiert sich Samantha Fish im Jahr 2016 als erwachsene, ernst zu nehmende Künstlerin, die zwar nach wie vor gern und oft Gas gibt und in schnellen, druckvollen Nummern ihr Können zeigt. Dies ist aber nur ein Aspekt einer Blues-Persönlichkeit, deren Artikulationsfähigkeiten sehr viel weiter gehend sind.

Beherrscht Samantha Fish doch durchaus auch die leisen Töne, das virtuose Spiel mit Wahrheiten zwischen den Zeilen - ohne dafür ihr fühlbares Perfektions-Ideal infrage zu stellen. Denn die Arrangements, die sie mit dem Bassisten Paul Greenlease und dem Drummer Danny Montero serviert, sind auf Hochglanz poliert wie der Chrom eines 1958er Cadillac. Und auch der Stil hat einen bewussten Retro-Zug, wenngleich Ausnahme-Virtuosen wie Samantha Fish in so gut wie allen Blues-Generationen eher dünn gesät waren.

Manche jener Highspeed-Heroen von einst spielen auch schon Gitarre in der großen Himmels-Bluesband wie Stevie Ray Vaughan, dessen Neffe Tyrone Vaughan in Cyril Nevilles "Royal Southern Brotherhood" die Gitarrenflagge der Familie Vaughan hoch hält. 2010 gegründet, darf man die "Bruderschaft" um den Neville-Bruder Cyril getrost als Supergruppe bezeichnen. Zumal mit dem Gitarristen Bart Walker, dem Basser Charlie Wooton und dem Schlagzeuger Yonrico Scott ausgepichte Blues-Cracks den Soundteppich für den Trommler und Sänger Cyril Neville auslegen.

Der schert sich gleichwohl wenig um Stil-Grenzen und inszeniert lieber ein gleißend vielfarbiges Südstaaten-Musikepos mit sich selbst in der Hauptrolle: einem Soul-Derwisch, der völlig entfesselt über die Bühne rast, musikalische Geschichten der höchst mitreißenden Art erzählt und dabei Charisma in den Saal sprüht, wie ein Feuerwehrschlauch Wassermassen emittiert.

Cyril Neville macht sie auch gnadenlos alle nass: die Möchtegern-Bluesrocker und die Soul-Abziehbilder, die weißen Rootsblueser und die viel zu stark im Pop verwurzelten Rock ’n’ Roller. Die "Royal Southern Brotherhood" hat den echten Stoff im Gepäck, unverschnitten und bockstark. Wenn Cyril Neville sich und seine Band als "Gumbo" bezeichnet und damit den Vergleich mit dem höllisch scharfen Südstaaten-Eintopf wagt, ist dies kein Größenwahn, sondern pragmatische Bestandsaufnahme.

Die "Royal Southern Brotherhood" gehört zumindest derzeit zu den heißesten US-Importen in Sachen Blues und gibt sich beim Bluestage-Auftritt auch alle Mühe, diesem Donnerhall-Ruf gerecht zu werden - mit eindrucksvollen Gitarrensoli von Vaughan und Walker ebenso, wie mit irrwitzigen Eskapaden des Bandbosses, der seinen New-Orleans-Hintergrund keine Sekunde lang verleugnet und dabei dennoch nicht epigonal wirkt, sondern konsequent und mit ganz viel Energie sein eigenes Ding durchzieht.

Der Titel des neuen "Brotherhood"-Albums, "Don’t Look Back", ist dabei durchaus Programm. Denn für Stagnation, für den Blick zurück haben Cyril Neville und seine Band schlichtweg keine Zeit, weil ihr Seelenmusik-Zug viel zu schnell unterwegs ist. Und weil Lokführer Cyril Neville in fast zwei Stunden virtueller Reise durch den wilden Süden auch nie daran denkt, die Bremse zu benutzen. Im Gegenteil: Wenn die rasante Fuhre langsamer zu werden droht, wird sie mit Finger-brechenden Gitarrensoli wieder hoch beschleunigt, bis sich in den Wänden der Kulturfabrik zumindest in der Einbildung die ersten Ermüdungsrisse zeigen.

Zum guten Schluss tun die Bluesbrüder sich und dem Publikum einen Gefallen und bitten Samantha Fish, mit der sie schon seit einiger Zeit unterwegs sind, noch einmal zur Session auf die Bühne. Keine schlechte Entscheidung, denn Sam ist an der Gitarre ein Alphaweibchen, eine Prima inter Pares, die sogar harten Südstaaten-Bluesern zeigt, wo es lang geht.

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