Schlosshofspiele Roth „Figaro“ als grandiose Ensembleleistung

20.7.2014, 18:03 Uhr
Schlosshofspiele Roth „Figaro“ als grandiose Ensembleleistung

© Hans von Draminski

Um das Schloss Ratibor waren die Begleiterscheinungen des Challenge unüberseh- und hörbar, als drinnen bei gut 35 Grad im Schatten hoher Konversationssport betrieben wurde. Die Schlosshofspieler kreuzen bei der von ihrem Stammregisseur Werner Müller mit leichter und dennoch sicherer Hand inszenierten „Marktplatzoper“ nur verbal die Klingen und setzen dabei auf Florett statt Schwert.

Den Text hat Müller dieses Mal sehr behutsam modernisiert. War er sich doch schon im Vorfeld klar, dass das kunstvolle Ränkespiel um die sexuellen Gelüste des virilen spanischen Grafen Almaviva auch und gerade durch die Mischung mit der von Wolfgang Amadé Mozart und seinem Textdichter Lorenzo da Ponte geschaffenen Oper „Le nozze di Figaro“ eine Reise mit der Zeitmaschine in eine manchmal weit, manchmal beklemmend nah erscheinende Epoche werden würde.

Heute würde freilich kein Mächtiger mehr öffentlich und unverblümt das „Recht der ersten Nacht“ bei jungen, vor der Hochzeit stehenden Frauen einfordern, wie das der von Thomas Schattner als selbstverliebter, nicht sonderlich sympathischer Strippenzieher porträtierte Almaviva tut. Vielleicht wird manches in der Gegenwart aber nur effizienter unter den Teppich gekehrt. Das Personal der Schlosshofspiele jedenfalls bringt in bunter Barock-Kostümierung plausible Charaktere auf die Bühne, die sich von denen des Jahres 2014 erstaunlich wenig unterscheiden.

Wie jene Gräfin Rosina, die von Beate Hammerl als intelligente, emanzipierte Frau verstanden wird, der es gegeben ist, aus den starren Konventionen ihrer Zeit das Beste zu machen, hauchfeine Intrigen zu spinnen und ihren untreuen Gemahl schließlich wieder an die (goldene) Kette zu legen. Bodenständiger, frecher, aber nicht weniger klug: Figaros Braut Susanna, die sich der Nachstellungen des Grafen mit Eleganz zu erwehren weiß und die bei Karin Winterhager ebenso viel subtile Erotik wie hemdsärmeligen Humor versprüht. Den hat an sich auch ihr Ehemann in spe – und doch ist er ein Zerrissener voller Gewissensbisse und Komplexe, was Frank Harzbecker differenziert und mit sehr viel Fingerspitzengefühl über die Rampe zu bringen versteht.

Dass das vorgebliche Findelkind in Wahrheit der Sohn aus der nie mit einem Eheversprechen gekrönten Verbindung zwischen der resoluten Haushälterin Marzellina (wunderbar narzisstisch: Docky Schattner) und dem zurückhaltenden Arzt Bartolo (Richard Schattner) ist, gehört zu den vielen Unwahrscheinlichkeiten und überraschenden Wendungen, die einst unverzichtbarer „Klebstoff“ jeder Komödie waren und für heutige Zuschauer wohl am schwersten zu „verdauen“ sind.

Gut, dass Werner Müller das Stück durch ausgiebige Musikbeilagen gôutierbarer gemacht hat: Zum einen lässt er seine Schauspieler Beaumarchais-Texte zu darunter gelegter Mozart-Musik sprechen, zum anderen zelebrieren die „Schlosshofsänger“ um Günther Fink ein paar Nummern aus dem Mozart-„Figaro“ als sommerlich unbeschwerte Männerchor-Miniaturen, was die sanft ironische Kammerspiel-Atmosphäre unterstreicht.

Sorgsame Besetzung

Dazu kommt ein Ensemble, das bis in die kleineren Rollen sehr sorgsam besetzt wurde: Joshua Wenger, im Februar noch als Glenn Miller zu erleben, gibt einen anrührenden Cherubino, der die Frauen liebt und dem sie ungeachtet ihres Alters nachschmachten – egal, ob es Gräfin und Zofe sind oder Cherubinos liebreizende Altersgenossinen Barbarina (Alina Lauterbach), Antonia (Verena Fiegl) und Konstanza (Julia Metzger).

Joker des Laune machenden Spiels ist aber fraglos Karl Schnitzlein als Erzintrigant Basilio, der stets Chaos anrichten will und dabei ebenso zuverlässig scheitert wie der stotternde Friedensrichter Don Curzio keinen geraden Sa-sa-satz heraus bringt.

Und dennoch zerfällt der funkelnde Komödien-Brillant nicht in eine Vielzahl bunter Facetten, sondern bleibt in erster Linie eine beeindruckende Ensembleleistung. Das reife Werk einer starken Truppe.

 

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