Schuften am Rothsee: Arbeiten, wo andere Urlaub machen

20.8.2014, 16:36 Uhr
Schuften am Rothsee: Arbeiten, wo andere Urlaub machen

© Foto: Viola Bernlocher

Irmgard Herzog betreibt am Seezentrum Heuberg den Fahrradverleih ihres Sohnes Norbert, der in Allersberg ein Fahrradgeschäft hat, auch Tretboote kann man bei ihr mieten. Urlaub vermisst die Rentnerin nicht. „Es stört mich nicht, im Sommer zu arbeiten. Ich bin ja hier selbst schon am Urlaubsort. Wenn ich hier sitze und stricke, dann schaue ich aufs Wasser“, sagt sie. „Wenn meine Enkel erzählen, wo sie wieder im Urlaub waren, sage ich nur: Da war ich schon. Ich muss nicht mehr fort.“

Den fünften Sommer in Folge sitzt Herzog am See, eigentlich war sie nur eingesprungen, als ein Mitarbeiter ausgefallen war. Inzwischen hat sie Gefallen daran gefunden. „Ich mag das, wenn nicht viel los ist, kann man mit den Leuten auch mal einen kleinen Tratsch halten.“

Und die nötige Fachkenntnis bringt sie auch mit, schließlich hatten sie und ihr verstorbener Mann das Fahrradgeschäft zuvor betrieben. „Da kann ich ganz gut einschätzen, wer welches Fahrrad und welche Sattelhöhe braucht und auch einfache Reparaturen machen.“ Am meisten ist an den Wochenenden bei „wirklich schönem Wetter“ bei ihr los, am Montag wird geputzt.

Wenn die Temperaturen steigen und das Thermometer in den Mittagsstunden die 30 Grad-Marke knackt, dann geht der Tag für sie früher los und endet später, aber das stört sie nicht. Bei gutem Wetter dauert die Saison von Anfang Mai bis Ende Oktober.

Und auch an diesem Dienstagmorgen im August sind bei moderaten Temperaturen ein paar Urlauber-Familien an den See gekommen, die sich bei ihr zwei der roten Rikschas mit Dach ausleihen wollen. Nach zehn Minuten sieht man sie schon lachend davonfahren, um eine Runde um den See zu drehen.

Sieben-Tage-Woche

Nebenan im Gasthaus Rothsee ist im Sommer ebenfalls Hochbetrieb — sofern das Wetter passt. An diesem kühlen Dienstagmorgen ist noch nicht viel los. Jasmin Ern steht auf der Veranda, öffnet die Sonnenschirme, rückt Tische und Stühle zurecht. Zum Mittagessen haben sich zwei größere Gruppen angemeldet und alles will vorbereitet sein, da kann man schon mal in Stress verfallen. Aber das ist sie gewohnt. „Mein Mann Thomas und ich, wir sind Kinder der Gastronomie. Wir sind da reingeboren worden.“ Im Urlaub waren die Erns seit 20 Jahren nicht mehr. „Im Sommer haben wir eine Sieben-Tage-Woche, zwölf Stunden täglich. Und ich bin eh kein Urlaubs-Typ.“

Challenge als Gäste-Magnet

Das Sommergeschäft ist wichtig, aber das ist bei den Erns am Rothsee sehr witterungsabhängig. Pfingsten sei dieses Jahr mit hohen Temperaturen sehr gut gewesen, das gleiche ein wenig den jetzt so kühlen August aus, erzählt Jasmin Ern. Im Juli bringe der Challenge-Triathlon viele Gäste.

Unter denen finden sich inzwischen nicht nur Deutsche, sondern zunehmend auch Holländer und Engländer, die auf der Durchreise hier Halt machten, berichtet sie, auch Japaner seien schon da gewesen. „Ich glaube das liegt an den guten Wohnmobil-Stellplätzen hier.“

Während die Erns im Sommer viel zu tun haben, ist im Winter weniger Betrieb und die Arbeitstage sind kürzer. „Das ist ein bisschen unser Urlaub.“ Unzufrieden ist sie nicht, dass für sie und ihren Mann der Urlaub regelmäßig flach fällt. „Ich könnte mir keinen schöneren Arbeitsplatz vorstellen. Wenn ich rausgehe auf die Terrasse schaue ich auf den See, morgens sieht man den Sonnenaufgang, abends den Sonnenuntergang. Es ist ein sehr naturverbundener Arbeitsplatz, das schätze ich.“ Und: „Wir machen das aus Berufung. Wenn man den Job nicht mit Passion macht, dann kann man es gleich bleiben lassen.“ Dann muss sie weiter. Eine Gruppe Schweizer, die die Region jedes Jahr besucht, kommt wieder zum Essen.

Saisonjob

Ebenfalls am Rothsee arbeitet Marie Radicke in der Umweltstation des LBV, seit ihrer Eröffnung bietet die Station einen neuen Anziehungspunkt für Familien und Urlauber. Während die Eltern auf der Wiese in der Sonne liegen, können die Kinder hier spielen, die Natur kennenlernen und am Ferienprogramm teilnehmen. Dass sie sich als Umweltpädagogin einen waschechten Saisonjob ausgeguckt hatte, war Marie Radicke schon früh bewusst. So stört sich die studierte Biologin auch nicht all zu sehr an Saison- und Wochenendarbeit. Letzteres sei in der Umweltstation auch nicht so schlimm, da die Station an den Wochenenden zwar geöffnet sei, aber Programm nur einmal im Monat stattfinde. Und in dieser Hinsicht haben Radicke und ihre Kollegin Lena Buckreus auch noch kräftige Unterstützung von Praktikanten und jungen Menschen, die ihren Bundesfreiwilligendienst oder ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren.

In den Ferien können Radicke und Buckreus dann auch mal in Urlaub fahren — abwechselnd natürlich, eine Umweltpädagogin muss schließlich immer da sein. Am meisten ist an der Umweltstation von Mai bis Juli los, denn auch viele Schulklassen kommen an den Wandertagen im Juli vorbei. Dann fährt Radicke mit ihnen zum Beispiel auf dem Drachenboot, die Fahrten machen fast ein Viertel des gesamten Programms aus, so beliebt sind sie. Im Sommer sind es eher die Kinder von Zeltlagern und Urlaubern, die vorbeikommen und mit denen die Mitarbeiterin der Umweltstation Programm macht. An diesem Dienstagmorgen hat Radicke schon mit einer Gruppe Behinderter eine Tour durch die Station gemacht, ihre FÖJ-Kollegin sitzt am Nachmittag mit zehn Kindern im Kreis auf der Wiese und spielt Tierartenraten mit ihnen.

Neue Sommer-Programme

Im Sommer fallen Überstunden an, das ist klar. Aber wenn im Herbst und im Winter wieder weniger zu tun ist, bleibt Zeit, diese wieder abzubauen. Dann entwickeln Marie Radicke und Lena Buckreus auch die neuen Programme für den nächsten Sommer.

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