Schwierige Arbeit in den Trümmerfeldern

9.10.2015, 18:08 Uhr
Schwierige Arbeit in den Trümmerfeldern

© Foto: oh

Dr. Adnan Wahhoud will nicht klagen. Nicht über die einstigen Städte in seiner alten Heimat Syrien, die nur noch Trümmerfeldern gleichen;  nicht über das Leid, das ihm überall begegnet, wenn er wieder einmal von seiner Zweitheimat Deutschland aus Aleppo und das Umland besucht.  Denn Wahhoud redet nicht nur. Er handelt.

27 Jahre lang, bis 2013, hatte der promovierte Textilingenieur in der Entwicklung beim Webmaschinen-Produzenten Dornier in Lindau gearbeitet. Eine ganze Reihe seiner Entwicklungen sind patentiert.

Mit derselben Genauigkeit, Disziplin und Ordnung, mit der er im Berufsleben stand, verfolgt er nun seit Beginn seines Ruhestands den Aufbau und Unterhalt von „Medical Points“, kleinen medizinischen Ambulanzen auf dem Land. Hilfsprojekte, von denen er selbst sagt, dass sie wichtiger seien, „als alle meine bisherigen Patente“.

Sechs „Medical Points“ hat er in den vergangenen zweieinhalb Jahren aufgebaut. Einer davon trägt zum Dank für die Unterstützung aus dem Landkreis den Namen „Medical Point Abzemo-Roth“.

Akribie und Ehrgeiz

Wahhoud hat für jeden von ihnen passende Räume ausfindig gemacht, mitgestaltet und das Team ausgesucht. Es besteht aus Arzt, Apotheker, Krankenschwester oder -pfleger, einer Schreibkraft und einer Putzhilfe. Er hat die Verträge geschlossen, ist verantwortlich für (pünktliche) Lohnzahlungen. Monat für Monat geht er akribisch die Abrechnungen durch, nützt seine Kontakte, wo und wann es geht, um Spendengelder zu sammeln, besorgt fehlende Medikamente.

Und er stellt Bedingungen an die Arbeit der Menschen vor Ort: „Ich versuche, ein Stück deutsche Einstellung rüberzubringen – Ordnung, Sauberkeit, Dokumentation, Ehrgeiz und Qualität. Wenn das nicht der Fall ist, wird der Lohn gekürzt oder gestrichen.“

Alles in allem kostet es rund 2000 Euro im Monat, um so eine Ambulanz zu betreiben. Täglich werden bis zu 60 Patienten – darunter über die Hälfte Kinder – behandelt. Gäbe es die Ambulanzen nicht, wären diese Menschen „wohl ihrem Schicksal überlassen“, ist Wahhoud sicher. Denn es seien vor allem die Ärmsten, die jetzt noch inmitten des Krieges im Land ausharren.

„Diejenigen, die es sich irgendwie leisten können, sind geflohen“, ist er überzeugt. Vor Ort zu helfen, wo die Hilfe am dringendsten gebraucht werde – das sei von Anfang an seine Idee gewesen. Und dabei überlässt der ehemalige Entwicklungsingenieur nichts dem Zufall. So besucht er etwa alle acht Wochen – oft unangemeldet – die „Medical Points“

Zweiter Beruf

Wenn er in überlegten Worten so unaufgeregt von seinem Engagement erzählt, das für ihn schon zum zweiten Beruf geworden ist, spüren seine Zuhörer: Wahhoud will nur eines – im Krieg helfen für den Frieden, an den er immer noch glaubt. „Dazu aber müssen die Menschen im Land bleiben können. Denn wer sonst soll denn Syrien nach dem Krieg wieder aufbauen?“

Die Spendenaktion „Jeder Bürger ein Euro 2014/15“, die insgesamt sechs Hilfsprojekte unterstützt – darunter auch die „Medical Points“ –, läuft noch bis Dezember 2015. Spendenkonten bei: Sparkasse Mittelfranken-Süd, BIC: BYLADEM1SRS; IBAN: DE76 7645 0000 0000 1818 18; oder Raiffeisenbank Roth-Schwabach, BIC: GENODEF1SWR; IBAN: DE24 7646 0015 0000 1501 50

Informationen zu den verschiedenen Hilfsprojekten gibt es unter www.landratsamt-roth.de über die Suchfunktion „Jeder Bürger ein Euro 2014/15“ (Stichwort: „Mit Hoffnung der Angst vor dem Morgen begegnen“)

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