Spalts Bürgermeister besteht auch die Blindverkostung

1.10.2018, 06:00 Uhr
Spalts Bürgermeister besteht auch die Blindverkostung

© Foto: Gsänger

SPALT — Seit Jahren ist auf dem Biermarkt eine spannende Entwicklung zu beobachten. Galt Pils lange Zeit als Synonym für die ganze Branche, sprießen seit Jahren immer mehr kleinere, sogenannte Craft Bier-Brauereien aus dem Boden, die zeigen, wie vielfältig Bier sein kann. Dies macht sich auch in der Gastronomie bemerkbar: Das Angebot an verschiedenen Brauspezialitäten ist riesig. Bei weltweit über 150 Bierstilen ist es für den geneigten Biertrinker nicht immer einfach, das passende Getränk zu finden.

Deshalb haben sich der Spalter Bürgermeister und die HopfenBierGut-Museums-Fachfrau der Doemens Academy bei München, einer angesehenen Schule rund ums Thema "Bier", für drei Unterrichtsblöcke, zusammen waren es 14 Tage, anvertraut. Ihr Ziel: in Sachen Bier über den Tellerrand hinauszublicken, um sich beispielsweise für eine bierige Europareise im HopfenBierGut präparieren zu können. "Es gibt zum Thema Bier bei uns noch viel Potenzial und Überraschungsmomente", macht Spalts Brauereichef dem Zuhörer schmackhaft.

Apropos Spalt: Einzigartige Standortfaktoren treffen in der Hopfen- und Bierstadt zusammen: der aromareiche Spalter Hopfen, die Architektur der Hopfenhäuser, die Situation der Stadtbrauerei als Deutschlands einzige kommunale Brauerei und der charaktervolle Geschmack, der die insgesamt 16 Spalter Biersorten prägt. Erleben lässt sich die örtliche Bierkultur bei Brauereiführungen, bei Seminaren, Degustationen und Festen.

Biersommeliers — das ist ein elitärer Kreis. Davon hat Spalt, wenn man Braumeister Uwe Schulz und Markus Böhm von der Marketingabteilung der Stadtbrauerei dazu zählt, nun derer vier. "Wir wollen bei Führungen durch die Brauerei oder das HopfenBierGut das Genussmittel Bier entsprechend in Szene setzen und Kompetenz vermitteln. "Dem Bier die Wertschätzung geben, die es verdient", sagt Weingart.

Gelernt haben die frischgebackenen Sommeliers unter anderem, nach welchen Kriterien Bier beurteilt wird —beispielsweise nach Aroma, Duft, Optik und Geschmack. In Intensivkursen ging es zudem um Kenntnisse über die Vielfalt des Bieres von der Herstellung bis zur Verkostung und Vermarktung. Selbst die Biergeschichte spielte eine große Rolle in der Ausbildung. In der Praxis standen unter anderem Sensorik (Bewertung von Eigenschaften mit den Sinnesorganen), Schanktechnik oder Glaspflege auf dem Stundenplan.

Jeder Bierstil, so Weingart, "ist durch verschiedene Kennzeichen geprägt – optisch wie geschmacklich". Die Vielfalt der Farbspiele – von gold-glänzend über mahagoni bis zu tiefschwarz – kündigt seinen Ausführungen nach den Geschmack und die Düfte an. Einzigartige Duftspiele von Bananen, eingelegten roten Früchten, Schokolade, Nelken oder Zitrusnoten schmeicheln der Nase. Der Geschmack rundet das Erlebnis individuell ab. Von bitterschokoladig bis malzig-süß, von schlankherb bis fruchtig-mild könne jede Brauspezialität eine neue Entdeckung offenbaren.

Am Ende des Seminars standen dann theoretische und praktische Prüfungen wie die Blinderkennung dreier Biere oder die Präsentation einer ausgewählten Brauspezialität an.

Schon seit geraumer Zeit befinden sich Einheimische und Touristen in der Region um Spalt "auf den Pfaden des guten Geschmacks". "Es gibt neben den ausgezeichneten Traditionswirtschaften einige junge, innovative Gastwirte, die Neues wagen und Spalt somit zur Genussregion machen", schwärmt Weingart.

Susanne Bojko gibt zu verstehen, dass "jede Malz- und Hopfensorte, jede Hefe und jede sonstige Zutat ein ganz besonderes Aromaspektrum erzeugt, das, richtig angeordnet, ein tolles Geschmackserlebnis mit der richtigen Speise ergibt." Ziel sei letztlich eine emotionale Bindung zum handwerklich gebrauten Bier herzustellen. Aber nicht jedes Bier schmeckt harmonisch zu jedem Essen. Deshalb müssen gelungene Bier- und Speisenkombinationen zusammengestellt werden. "So ergeben sich neue Herausforderungen für die Gastronomie und den Service", so die zuständige Fachfrau für das HopfenBierGut.

Das Bier holt auf

Weingart appelliert insgesamt, dem Bier mit mehr Aufgeschlossenheit zu begegnen. "Da hat der Wein dem Bier schon viel voraus", sagt er. Und: "Aber das Bier holt auf".

Da muss Anna Kocher ein wenig lächeln, stimmt aber dem Bürgermeister im Grunde zu. Die 25-Jährige soll einmal den elterlichen Gastronomiebetrieb in Blumenthal übernehmen. Also liegt es nahe, sich bereits jetzt ständig weiterzubilden — aktuell als IHK geprüfter Weinsommelier, als Kontrast zur Bierregion um Spalt.

Aufgeschlossen ist siebeispielsweise für eine eigene Bierkarte, wie es auch Bürgermeister Udo Weingart vorschwebt. Aber auch an spezielle Menüs denkt sie, und dann können spezielle Biere und Weine kredenzt werden.

Als Sommelier empfiehlt sie künftig den Gästen Weine, die nicht nur ihren persönlichen Vorlieben entsprechen, sondern auch mit den dazu gereichten Speisen harmonieren. Dazu braucht man das Wissen über Eigenschaften, wie Rebsorte, Anbaugebiet, Jahrgang, Lagerung und vieles mehr. Rund 700 Weine hat Anna Kocher während ihrer fünfmonatigen Ausbildung zumindest probiert und nach dem Geschmackstest wieder "ausgespuckt".

Wichtig sind aber auch Kenntnisse in Sachen Zusammensetzung von Speisen und den unterschiedlichen Aromen der Zutaten, denn nur so kann sie Restaurantgäste in ihrer Auswahl beraten. Sie weiß nach bestandener Prüfung neben vielen weiteren Kenntnissen, wann beispielsweise ein bestimmter Wein ausgereift ist und serviert werden kann sowie auf welche Art und Weise das Getränk am besten sein volles Aroma entfaltet.

Auch Menschenkenntnis wichtig

Sommeliers, ergänzt Bojko, müssen auch Menschenkenntnis besitzen und ein Gespür für den Geschmack der Gäste entwickeln, auch wenn diese selbst noch unentschlossen sind. Denn Weine und auch spezielle Biere sind ein passender Essensbegleiter und verpassen Vor-, Haupt-, oder Nachspeise "erst den richtigen Glanz".

"Und gerade aromastarke Spezialbiere verdienen einen andächtigen Umgang", formuliert es Udo Weingart. Ein Biersommelier empfiehlt zum genussvollen Biertrinken deshalb weder Bierkrüge, Humpen oder Maßgläser, sondern eine Biertulpe oder einen Bierkelch. Ein Bierkelch hat ein vergleichsweise breiteres und kürzeres Oberteil auf einem längeren Stiel und erinnert daher eher an ein Wein- als an ein Bierglas. Der Bierkelch gilt als ein Bierglas für edle Biere, die hier ihre Aromen besser ausbreiten und somit den Biergenuss noch intensivieren können – was ganz im Sinne des Biersommeliers Weingart ist, für den Bier ein mit Wein vergleichbares Genussmittel ist.

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