Syrischer Youtuber zu Gast an Stadtpark-Schule

11.3.2018, 06:00 Uhr
Syrischer Youtuber zu Gast an Stadtpark-Schule

© Foto: Tobias Tschapka

An diesem späten Vormittag erzählt Firas Alshater den Neuntklässlern der "Schule am Stadtpark" also von den beengten Verhältnissen einer Berliner Flüchtlingsunterkunft, von der grassierenden Krätze und den verdreckten Klos dort, über die er sich damals wie heute doch "freuen muss, weil ich in Sicherheit bin". Das sitzt!

Es ist ein Spiel mit Klischees und Erwartungen, die dieser charismatische Kerl bisweilen in schwärzesten Humor tunkt, auf dass bloß keinem einfalle, ihn und sein Flüchtlingsschicksal zu bemitleiden. "Wenn ein Tag nicht mein Freund war, dann eben mein Lehrer", blendet er ohne Rührseligkeit auf beinharte Zeiten zurück, die nun hinter ihm lägen.

Aber gerade da er suggestiven "Betroffenheitssprech" meidet und trotzdem nichts verschweigt oder ausklammert, kommt er beim jungen Publikum prima an. Egal ob an Gymnasium, Realschule, Mittelschule oder sonderpädagogisch ausgerichteter "Schule am Stadtpark": Alshaters Botschaften finden Gehör. Und das, obschon Firas, diese possierliche Person mit dem roten T-Shirt überm Bäuchlein, bitterernste Wahrheiten bereit hält.

Wahrheiten, die er im Bedarfsfall mit Scherzhaftigkeit zuckert, damit sie verdaulicher werden. "Zukar" heißt denn auch sein Youtube-Kanal, auf dem er Themenfelder à la Deutschsein oder Integration beackert, wobei er auf den übertriebenen Einsatz von Moralindünger verzichtet. Das ist ebenso unterhaltsam wie es nachdenklich stimmt....

"Völlig verrückt?"

Eine seiner persönlichsten Wahrheiten wird übrigens sorgsam vom Stoff der Kleidung gehütet. Denn Firas Alshater wurde durch die Handlanger des Assad-Regimes gefoltert, weil er in seiner Heimat gegen Diktatur und für Freiheit demonstriert hatte. "War das richtig oder völlig verrückt?", fragt er in die Runde, ohne auf Antwort zu warten.

Die bleibt sich der syrische Flüchtling und Aktivist wohl manchmal selbst schuldig. Denn das Erbe seines Widerstands, so heißt es in zahlreichen Berichten über ihn, hätte sich als tiefe Narben in Alshaters Körper eingegraben und würde ihm zudem eine Vaterschaft auf ewig versagen. Das lässt er jedenfalls im untertitelten Einführungsfilm anklingen, den er an diesem Tag bereits zum dritten Mal vor Schülern zeigt und der verdeutlichen soll, warum Firas in Deutschland lebt.

Krieg und Frieden

Es ist eine von ihm erstellte Kurzreportage aus Bildern des syrischen Krieges und Bildern des deutschen Friedens. "Ich werde wohl nie aufhören, Berlin und Damaskus zu vergleichen", gibt er auf Nachfrage von Schulsozialarbeiterin Anja Knieling zu. Der Grund: Trotz zweier Weltkriege gehöre Deutschland aktuell zu den potentesten Wirtschaftsmächten. Das lasse ihn für die Zukunft Syriens hoffen, sagt Firas Alshater.

2013 ist er mit einem Visum nach Berlin gekommen. Die Mission: "Syria Inside", den unvollendeten Film seines im Krisengebiet umgekommenen Freundes Tamer Alawam, zu Ende zu bringen – danach sollte er zurückkehren. Doch Alshater blieb in Deutschland. Zumal er im Falle einer Rückkehr nach Syrien weiß, "dass sie mich verfolgen, verhaften, foltern oder töten werden." Er erzählt das unaufgeregt – als Faktum – die Zuhörer jedoch, so scheint’s, spüren dem schrecklichen Vierklang empathisch nach...

Bestellter Boden

An insgesamt sechs Schulen gab der angehende Filmemacher, der in Syrien Schauspiel studierte und jetzt in Babelsberg sein Handwerk lernt, am Dienstag und Mittwoch die Visitenkarte ab. Was diese Bildungseinrichtungen – das Rother Gymnasium, die gegenüberliegende Realschule, die "Schule am Stadtpark", die Dr. Mehler-Schule in Georgensgmünd, die Rea Hip und die Mittelschule in Rednitzhembach – eint: Sie alle tragen das Label "Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage". Bestellter Boden also für Firas Alshaters Eindrücke.

Der berichtet unter anderem davon, wie sehr doch in Deutschland eine Kultur der Angst gepflegt werde. Als 2014 die Pegida-Aufmärsche losgetreten wurden, sei davon so häufig berichtet worden, "dass ich sogar Angst hatte, den Kühlschrank aufzumachen, weil einer von Pegida drinsitzen könnte", witzelt Alshater – und meint es durchaus ernst. Demgegenüber stünden die "Refugees welcome"-Skandierer mit ihren Plakaten.

So oder so. Ständig heiße es "Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge...". Sie seien offenbar der ideologische Kleiderständer der Nation, "über den man drüberhängen kann, was man will", meint der Syrer.

Eine Frage, die sich Firas Alshater auf seinem Youtube-Channel "Zukar" seither immer wieder stellt, lautet demnach: "Wer sind diese Deutschen?" Rassisten, Gutmenschen? Selbigem "Mysterium" geht er auch in seinem aktuellen Buch auf den Grund. Titel: "Ich komme auf Deutschland zu", eine Art "Schwarz-Comedy-Biografie", aus der er Auszüge liest.

Selbstversuch

Ja, wer sind sie, diese Deutschen? Um es herauszufinden, schreckt der Syrer auch vor Selbstversuchen nicht zurück. Zum Beispiel vor dem, mitten in Berlin mit verbundenen Augen Gratis-Umarmungen zu verteilen. Motto: "Ich bin ein syrischer Flüchtling. Ich vertraue dir – vertraust du mir? Umarme mich!"

Das Ergebnis seines Experiments: "Die Deutschen brauchen eine Zeit, aber dann sind sie nicht mehr zu stoppen", fasst Firas seine Erfahrungen vor den Schülern zusammen, um schlussendlich überzeugt zu bilanzieren: "Ich bin mir darum ziemlich sicher: Die Integration wird klappen!"

Keine Kommentare