Trotz Tumor: Rother Familienvater gab Kampf nicht auf

27.8.2018, 05:50 Uhr
Trotz Tumor: Rother Familienvater gab Kampf nicht auf

© Foto: Schmitt

Die Erfahrungen dieser Zeit hat er nun in einem Buch zusammengefasst, dessen Titel sein Leitsatz war: "Zu früh, um aufzugeben", heißt das 193-seitige Werk, in dem Wiermann autobiographisch-erzählerisch auf jene 15 Monate zurückblickt, die sein Wertesystem neu geordnet haben. "Ich will Menschen Mut machen, die in ähnlichen Krisen sind", so schildert Wiermann seinen Antrieb, Autor zu werden.

Es war im Dezember 2015, als sich erste Symptome zeigten. Die Muskelschmerzen im linken Oberarm beunruhigten Wiermann zunächst allerdings kaum. Überanstrengung beim Sport, lautete seine Erklärung. Magnesium und Kalzium sollten helfen. Bald aber wurde es kritischer: Eines Morgens im Bad knickte die linke Hand ab dem Gelenk völlig nach unten. Sie war von da an wie gelähmt. Ausschließlich die Finger ließen sich noch in geringem Ausmaß bewegen. Am 1. Januar 2016 saß Torsten Wiermann deshalb in der Notaufnahme des Klinikums Nürnberg-Süd. "Kein Schlaganfall", lautete die wichtigste Botschaft für ihn. Im Übrigen war der diensthabende Arzt aber ziemlich ratlos.

Das änderte sich auch nicht, nachdem Torsten Wiermann 15 Tage stationär aufgenommen worden war. "Dabei hat man mich auf Herz und Nieren untersucht", erinnert er sich. Mehrmals war er im Magnet-Resonanz-Tomographen (MRT). Sein Blut hat man zu Spezialisten in die Schweiz geschickt. Mittels Liquor-Punktion wurde Rückenmarksflüssigkeit entnommen. Einen echten Fortschritt in Richtung auf eine schlüssige Diagnose brachte das allerdings alles nicht.

Die Tumormarker waren negativ und die Schilddrüsenwerte in Ordnung. Keine Hinweise auf Krebs also. "Das Ärzte-Team war klasse, doch die Ursache konnten sie weiterhin nicht finden", erinnert sich Wiermann. Denn ein "kalter Knoten" auf seiner Schilddrüse war bereits seit 2003 bekannt. Dass er der Grund für Wiermanns Beschwerden sein könnte, das glaubte zunächst kein Mediziner. Erst als Wiermann im März wieder im Krankenhaus war, kam eine leitende Oberärztin auf die richtige Fährte.

Operation als bester Weg Manchmal nämlich können solche Knoten entarten. Im Wege einer Autoimmunreaktion kann es dann durchaus zu Nervenentzündungen kommen wie jener, die Wiermanns Hand lahmgelegt hatte, erklärte die Medizinerin. Eine Operation schien ihr deshalb der beste Weg. "Für diese Empfehlung bin ich ihr ewig dankbar", sagt Wiermann heute. Denn in der Tat: Während des Eingriffs erwies sich der Knoten als bösartig. Ein Tumor mit Tarnkappe also. Samt Schilddrüse wurde er schließlich entfernt.

Torsten Wiermann ist in Nürnberg zur Schule gegangen, hat den Beruf des Bankkaufmanns erlernt und geheiratet. Er hat sich fortgebildet, in Roth ein Haus ausgebaut und dort mit Ehefrau und zwei Söhnen gelebt. Bis die Krankheit seinen Alltag total durcheinandergebracht hat. 15 Monate lang war er krank. 56 Tage davon hat er bei 18 Aufenthalten im Krankenhaus verbracht. Für acht Wochen ist Torsten Wiermann zur Reha geschickt worden. Über 100 Stunden hat er jeweils Krankengymnastik und Ergotherapie absolviert. "Oft war ich ganz unten", schildert er seine Verfassung während der Krankheit, der Genesung und des Rehabilitationsprozesses: "Eine wahrlich schwere Zeit für mich und meine Familie, in der wir aber immer zusammengehalten haben." Melanie Wiermann ist Krankenschwester. Ihr professioneller Einblick in schwere Schicksale half ihr, die Belastung des eigenen Umfelds zu meistern.

Wer so schwer erkrankt wie Torsten Wiermann, ist auf ein funktionierendes soziales Netz angewiesen. Hauptansprechpartner sind dabei die Krankenkasse und die Deutsche Rentenversicherung (DRV). Nach sechs Wochen Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber wird es bereits schwierig. Dann zahlt die gesetzliche Krankenversicherung 72 Wochen lang Krankengeld. Es beträgt 70 Prozent eines eigens berechneten Regelentgelts, höchstens aber 90 Prozent des Nettoentgelts.

Wieder fest im Sattel Die Rentenversicherung ist für Rehabilitationsleistungen zuständig. Ferner kann sie anhand des Krankheitsverlaufs sowie einer Prognose entscheiden, ob der Betroffene arbeitsunfähig ist. Folge wäre eine Erwerbsunfähigkeitsrente. "Ich habe immer alle Beteiligten auf dem Laufenden gehalten", sagt Wiermann. Im Übrigen hat er schon früh vorgesorgt: Eine private Berufsunfähigkeitsversicherung schloss die Lücke beim Einkommen. Eine Krankenzusatzversicherung bewahrte ihn davor, auf den immensen Zuzahlungen und Eigenleistungen sitzenzubleiben. Immerhin hat er selbst 16 000 Euro in seine Heilung investiert.

Die Krankenkasse habe ihn immer ordentlich unterstützt, stellt Wiermann fest. "Die DRV aber wollte mich in die Rente abschieben." Just an dem Tag, als er nach anderthalbmonatiger Eingliederung im Mai 2017 wieder voll zu arbeiten beginnen sollte, kam ein entsprechender Bescheid. "Man hat eine erneute Reha endgültig abgelehnt und mich als arbeitsunfähig erklärt", zitiert Wiermann aus dem Schreiben der DRV.

Für ihn war die Entscheidung nicht verständlich. Schließlich wären bis zu seinem Eintritt in die Altersrente über eine halbe Million Euro Renten-Zahlungen angefallen. Die wegen der motorischen Schwierigkeiten mit seiner linken Hand erforderliche Software zur Spracherkennung wollte der Rententräger nicht bezahlen: "Ich muss viel am Computer schreiben, das war schwierig." Heute ist Wiermann mit über 50 Prozent schwerbehindert. Zeit seines Lebens muss er ein Präparat schlucken, das die Hormone der Schilddrüse ersetzt. Beruflich sitzt er jedoch wieder so fest im Sattel wie vor der Erkrankung.

In seinem Buch schildert Wiermann alle diese Erlebnisse. Er lässt die Leser außerdem teilhaben an seinen Gedanken, Gefühlen und dem privaten Leben. Am Ende jedes Kapitels richtet er sich unmittelbar an den Leser. So fasst er zusammen, welche Schlüsse er selbst aus dem Erlebten gezogen hat und wie die Botschaft für andere lauten könnte. Einen Dialog bietet er ebenfalls an. Über die Internetseite www.werteanlage.de will Wiermann Fragen für Menschen in ähnlichen Situationen beantworten und Diskussionen führen: "Mein Buch soll nicht nur unterhalten, es soll motivieren." Das gelingt Torsten Wiermann recht gut. Er schreibt authentisch und nicht gekünstelt.

Ferner hat er die Erzählung mit spirituellen und diesseitigen Aphorismen angereichert, die ihm in der Zeit der Krankheit geholfen haben. "Der Glaube war für mich sehr wichtig", resümiert er.

Ein Kapitel mit Fakten und Statistik rund um 15 Monate Krankheitsgeschichte komplettiert das Buch über den großen Einschnitt ins Leben eines Familienvaters aus Roth.

Torsten Wiermann: "Zu früh, um aufzugeben. Wie ich lernte, mein Leben wieder in die Hand zu nehmen." 18 Euro. Erhältlich im Buchhandel (ISBN 978-3-946287-93-3.) oder über www.werteanlage.de

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