Von den Wurzeln der Fotografie zur Computertechnik

30.1.2015, 17:27 Uhr
Von den Wurzeln der Fotografie zur Computertechnik

© Foto: Manfred Klier

Bürgermeister Markus Mahl freute sich über die große Anzahl „bekannter und unbekannter Gesichter“. Für Christoph Raithel von der „ResidenzKultur“ war es ein „Start in ein neues Kulturjahr“. Er hob das Experimentelle in den Werken der beiden Fotokünstler hervor, die bei aller Polarität aber immer auch etwas Verbindendes zeigten, nämlich das Festhalten von Bewegtem und Feststehendem. In seiner Laudatio gab Walter Hettich, selber Bildender Künstler, weitere ausführliche Erläuterungen zu beiden Künstlern und den angewandten Techniken.

Günter Derleth fotografiert mit der „Camera Obscura“, übersetzt „dunkler Raum“, auch als Lochkamera bekannt. Dafür genügt im einfachsten Fall ein Schuhkarton mit einem kleinen Loch. Im Inneren der schwarz eingefärbten Schachtel wird auf der gegenüberliegenden Seite ein Stück Negativfilm oder Fotopapier befestigt. Nun wird belichtet: Minuten, Stunden oder gar Tage lang. Durch die Öffnung fällt nämlich nur wenig Licht auf die lichtempfindliche Schicht, sodass derart lange Belichtungszeiten erforderlich sind.

Dabei können bewegte Objekte nicht aufgezeichnet werden und sind gewissermaßen unsichtbar. Straßen, auf denen Menschen und Autos unterwegs sind, erscheinen wie leergefegt. Das Ergebnis ist nicht vorhersehbar.

Als an den Schulen noch Fotokurse angeboten werden konnten, war die Lochkamera das Mittel der Wahl, um die Vorgänge beim Fotografieren auf einfachste Weise zu erlernen. Mit einem Spiegel versehen, der das kopfstehende und seitenverkehrte Bild auf eine Mattscheibe projizierte, war schon vor vielen hundert Jahren der Prototyp einer Spiegelreflexkamera geschaffen worden.

Allerdings musste man sich auf das Abzeichnen beschränken, denn sowohl Fotoplatten oder Filme als auch die Chemikalien zum Entwickeln gab es noch nicht. Erst Fotografie-Pioniere wie  Nicéphore Niépce, Louis Daguerre, Johann Heinrich Schulze und etliche andere brachten das neue Medium allmählich voran, sodass 1826 die erste dauerhafte Fotografie entstehen konnte.

Diese analoge Fotografie ist inzwischen größtenteils von der digitalen Fotografie abgelöst worden. Geblieben aber sind die physikalischen Vorgänge: Licht fällt durch eine Öffnung auf ein lichtempfindliches Medium, wobei an die Stelle des Films ein elektronischer Chip getreten ist.

„Botanik“ und „Mare“

„Perfektion und Ästhetik“ ist den Bildern von Günter Derleth  zu eigen, wenn er Beispiele seiner Werkgruppen „Botanik“ und „Mare“ zeigt. Sie tragen Titel wie etwa Monterosso, Blumen, Olivenbaum, Lido von Venedig und so weiter. „Berückend melancholische, Urbilder hervorrufende Ausdrucksformen“ entstehen, „die den Betrachter willig nach Details forschen lässt“.

Bei seinem „Unterwegssein“ benutzt er sowohl eine einfache hölzerne Handkamera, als auch eine fahrbare Camera Obscura, die in einem Kastenfahrzeug untergebracht ist. In München und Venedig hat er mit der zweieinhalb Quadratmeter messenden Lochkamera schon Station gemacht und damit die Umwelt fotografiert. 2000 Kartonkameras hat er verschenkt und aus verschiedensten Orten der Welt rund 700 unterschiedlichste Aufnahmen zurückerhalten.

„Chrono-Grafiken“ nennt Thomas Bischof seine Exponate. Sein Anliegen ist es, „das Nichtsichtbare der Bewegung herauszuschälen und dem Betrachter nahe zu bringen“.

Chrono-Grafik ist für ihn die „Auswirkung sichtbar gemachter Zeit“. Dazu fotografiert er das gleiche Objekt mehrere hundert Mal mit der Digitalkamera, wobei er auf hochkomplizierte Technik verzichtet.

Dann beginnt die eigentliche künstlerische Arbeit, die manchmal mehrere Tage dauern kann. Bischof kann dabei auf seine Berufserfahrung als Produktdesigner zurückgreifen.

Mit Bildbearbeitungsprogrammen werden die Aufnahmen in unzählige Parameter wie Tonwerte, Gradationskurven, Farben, Lichter, Schatten, Schärfe, Unschärfe  und so weiter zerlegt, und dann wieder zu einem Ganzen zusammengesetzt. Wesentliche Merkmale werden herausgearbeitet, Unwesentliches weggelassen. Das Ergebnis sind „beinahe traumähnlich irrational anmutende Szenen in Städten und in der Natur“.

Während bei Günter Derleth aufgrund der langen Belichtungszeiten die bewegten Objekte verschwinden, hebt Thomas Bischof diese Elemente bewusst hervor.

Weder Effektfilter noch Collagen sind dabei die Mittel der Wahl, sondern das Verschieben der erwähnten Parameter. So kann etwa die reliefartig dreidimensional wirkende Ansicht der Nürnberger Altstadt entstehen, wobei sich manche Besucher erst durch vorsichtiges Berühren davon überzeugen mussten, dass es sich lediglich um eine zweidimensionale Darstellung handelt. Riesengroße Banknoten scheinen wie aus weichem Gewebe gefertigt zu sein.

Vor der  Steintribühne am Nürnberger Dutzendteich, die in weißes Oberflächenlicht getaucht ist, fährt surrealistisch anmutend ein farbiger Radfahrer. Am Schwabacher Brunnen plätschert Wasser wie flüssiges Gold herab. Wasser ist eben Gold. Ein aktuelles Thema.

Die Ausstellung in der Hilpoltsteiner Residenz ist bis Sonntag, 1. März, jeweils montags bis donnerstags von 9 bis 17 Uhr und freitags von 9 bis 13 Uhr zu sehen. Außerdem findet am letzten Tag um 14 Uhr ein Gespräch mit den beiden Fotokünstlern statt.

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