Wassermungenauer Bäckerei macht zu

4.7.2017, 05:58 Uhr
Wassermungenauer Bäckerei macht zu

© Foto: Jürgen Leykamm

An Tür und Tresen klebende Hinweise haben die Kunden auf den finalen Schritt vorbereitet. Der stieß auf ungläubiges Erstaunen, "viele konnten das überhaupt nicht fassen", so der bisherige Chef. "Leonhard" ist auf seinem T-Shirt zu lesen, zugleich der Name seines Großvaters (Familienname Hofmann). Er ist der Gründer des Unternehmens. Schwiegersohn Walter Lades senior baut den Betrieb 1978 weiter aus.

Schwerer Schicksalsschlag

Vier Jahre später erleidet er einen Herzinfarkt, was die familiären Planungen durcheinander wirbelt. Das spürt vor allem Sohn Walter Lades junior, der sich damals anschickt, als Zeitsoldat bei der Bundeswehr Karriere zu machen. Er gibt sie auf und unterstützt stattdessen seinen Vater in der Bäckerei. 1994 folgt der Neubau der Backstube, die Geschäfte florieren. Niemand denkt nur im Traum daran, dass gut zwei Jahrzehnte später alles vorbei sein könnte.

Die Übergabe des Betriebs vom Vater an den Sohn erfolgt im Laufe des Umbaus. Als Unternehmer wie privat geht es viele Jahre weiter bergauf, 2001 heiratet der junge Chef, das Paar bekommt zwei Kinder. Sieben Jahre später schlägt das Schicksal grausam zu und der Tod entreißt ihm die Gattin. Nach langer Trauerphase schöpft Walter Lades neuen Mut, heiratet seine heutige Frau Elfriede, die als Geschiedene einen Sohn aus erster Ehe mitbringt.

Wirtschaftliche Konkurrenz

Die Angetraute, als Elfi bekannt, beweist handwerkliches Geschick und stößt 2011 einen Umbau der Bäckerei an, bei dem sie selbst tatkräftig Hand anlegt. In den vergangenen Jahren macht dem Fachgeschäft die wirtschaftliche Konkurrenz schwer zu schaffen. Schon die Eröffnung einer Aldi-Filiale in Kammerstein "hat uns zwischen 40 und 50 Prozent der Umsätze gekostet", sagt Walter Lades. Als dann auch noch Rewe nachzieht, bricht der Verkauf weiter ein.

Der Personalstamm von 18 Mitarbeitern ist so nicht mehr zu halten, am Ende sind es nur noch acht, parallel dazu werden die Öffnungszeiten deutlich verkürzt. Die Beschneidung erfolgt sozialverträglich. Auch bei der Schließung, von der das Personal bei einer Betriebsversammlung erfährt, bleiben Emotionen der Trauer nicht aus.

Alle ehemaligen Angestellten "haben eine neue Beschäftigung gefunden", so Lades, "das hat uns etwas ruhiger schlafen lassen in letzter Zeit." Für unruhige Nächte sorgt allerdings ein Anwaltsbrief, der aufgrund von Verjährung die Lohnansprüche des Chefs aus der Zeit vor der Übernahme und damit eine sechsstellige Summe mit einem Federstrich zunichte macht. Die sich häufenden Schwierigkeiten lassen Elfriede und Walter dann just an Weihnachten 2016 den schweren Entschluss fassen, den Betrieb aufzugeben.

Arbeit ohne Urlaub

Auch um der Familie willen. Um die kümmert sich die Frau des Hauses, die zugleich fürs Büro und Reparaturen zuständig ist. Der Ehemann steht nachts und nachmittags in der Backstube. Doch das ist nun vorbei. Der 53-Jährige ist ohne Urlaubspause zwischenzeitlich als Lastwagenfahrer im Sandabbau tätig. Spurlos geht die Betriebsaufgabe an ihm freilich nicht vorüber, hat er sich doch 36 Jahre und damit gut zwei Drittel seines Lebens um die Bäckerei verdient gemacht. "Das tut schon weh", kommentiert er die Schließung.

Bald kann er seinen 54. Geburtstag feiern, den die Ehefrau, ebenso 1963 geboren, schon hinter sich hat. Auch ein kleiner Lichtblick hat die beiden nicht von dem letzten großen Schritt abhalten können. Mit dem Sommergeschäft nämlich ging es seit Jahren bergauf – doch auch die Touristen, die in der warmen Jahreszeit für Umsatz sorgen, fallen beim allgemeinen Negativtrend nicht ins Gewicht.

Immerhin: 2015 gelingt nochmal ein Coup – mit Julia Beyer stellt der Betrieb Mittelfrankens beste Bäckerin unter den Freigesprochenen. Qualität und Service wurden hier schon immer groß geschrieben. Und so finden sich in den letzten Tagen immer wieder Kunden ein, die Abschiedsgeschenke vorbeibringen. Die Kommentare zur Aufgabe sind deutlich: "Das ist ja grausam!" "Wir bedauern das sehr!" So ist es bei den letzten Einkäufen zu hören.

Erleichterung macht sich breit

Unterm Strich aber "macht sich bei uns auch Erleichterung breit", so Elfriede Lades, die zu verschiedenen Anlässen gerne Gedichte verfasst. Zum Finale der Bäckerei wird es aber erst einmal keins geben, sagt sie. Dafür stehen am letzten Tag Sekt und Häppchen für Alle bereit. Doch auch das ist nun schon Geschichte.

"Für uns beginnt jetzt ein neues Leben", so die Ex-Bäckereichefin. Die letzten Rohstoffe werden in diesen Tagen von einem Backstubenchef aus dem Norden abgeholt, die in den Regalen liegen gebliebenen Waren warten tiefgefroren auf den Tag ihres Verzehrs im Hause Lades. Das eigene Domizil steht nicht mehr im ehemaligen Wirkungsort – denn auch Wassermungenau sagte man "Ade". Die Familie ist nun in Harrlach zu Hause, dem Geburtsort von Elfi.

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