Wenn Nichtraucher dem blauen Dunst frönen

6.10.2015, 17:13 Uhr
Wenn Nichtraucher dem blauen Dunst frönen

© Foto: Detlef Gsänger

Die Rede ist von Edeltraut Meyer, Elvira Köhl, Gertrud Lanz und Brigitte Moises. Alle vier sind Mitglieder im Pfeifenclub Rauschwalbe Kiliansdorf. Seit vielen Jahren schon. Und sind erfolgreich – sowohl in der Mannschaft als auch bei Einzelwettbewerben.

Die Wurzeln des Vereins reichen bis in das Jahr 1921 zurück. Damals war das Wirtshaus noch der Mittelpunkt im Dorfleben. Hier trafen sich die Männer, redeten, spielten Karten, würfelten und rauchten. Meistens Pfeife. Bald war die Idee geboren, einen Pfeifenclub zu gründen. Statt einer Vereinsfahne diente eine überdimensionierte Holzpfeife als identitätsstiftendes Symbol. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde die dezidiert unpolitische Gemeinschaft aber bald verboten.

Zu Trainingszwecken

Erst 1970 kam es im damaligen Gasthaus „Zur Linde“ in Kiliansdorf zur Wiedergründung. Mit dabei der Mann von Elvira Köhl. Und weil die Geselligkeit von Beginn an groß geschrieben wurde, durften auch die Ehepartner mitgehen. Da sich der Verein Pfeifenclub nannte, stieg auch immer blauer Dunst aus Pfeife, Zigarren und Zigarillos auf, zu Trainingszwecken.

Elvira Köhl kann sich noch gut an ihr erstes Mal erinnern. Man reichte ihr eine 60er schwarze Zigarre. „Den Rauch fest einziehen“, riet man ihr, der Nichtraucherin. „Mir wurde es anfangs immer schlecht“, weiß Elvira Köhl noch ganz genau und lächelt. „Hat doch keiner gewusst, wie das wirklich geht.“

Gelernt haben die Kiliansdorfer von den Männern und Frauen des Reichelsdorfer Rauchclubs. „Die aber haben wir bald geschlagen.“

Das Vereinsleben blühte auf, und man traf sich immer häufiger mit anderen Vereinen zum Freundschaftsrauchen. Diese stammten aus Reichelsdorf, Georgensgmünd oder Finsterwald am Tegernsee. Man trat aber auch bei fränkischen, bayerischen und deutschen Meisterschaften an. Bald hatte Elvira Köhl den Bogen raus. Zusammen mit Erna Schlager konnte sie im Verein mit Zigarre oder Zigarillos am längsten den blauen Dunst qualmen lassen.

1981 stieß Gertrud Lanz (Mackenmühle) dazu. Sie hat als eine der wenigen im Club ein echtes Laster, das Zigarettenrauchen. Die bald 80-jährige Brigitte Moises, die wie Elvira Köhl schon seit vielen Jahren auch im Vereinsausschuss vertreten ist, hat dem Glimmstängel dagegen schon lange entsagt. „Ich habe 1990 die letzte Zigarette gequalmt.“ Heute lässt sie nur noch zu Trainingszwecken und im Wettbewerb Pfeife, Zigarre oder Zigarillo dampfen. Dass das Rauchen der Gesundheit Schaden zufügen kann, ist allen vier Damen durchaus bewusst. Doch im Wettbewerb „wird schließlich nicht inhaliert“.

Es ist vor allem die Geselligkeit im Verein, die nicht nur dem fidelen Damen-Vierer so imponiert. 104 Mitglieder zählt der Verein. „Tendenz fallend“, bedauert Herbert Kupfer, ein durchtrainierter Sportler im Seniorenalter, 2. Vereinsvorsitzender und Zeit seines Lebens Nichtraucher. Nur bei Wettbewerben hält er sich wacker.

Der Altersdurchschnitt der Mitglieder reicht bereits an die 65 Jahre heran. Der Verein hat Nachwuchsprobleme. Gesellschaftlich gesehen hat sich der Glimmstängel vom Genussmittel zum Sargnagel gewandelt – und das strikte Rauchverbot nicht nur in Deutschland trägt nicht gerade dazu bei, neue Mitglieder zu gewinnen.

Seit die „Linde“ für immer zugesperrt hat, gibt es auch kein Vereinslokal mehr. Trainiert werde vor den Wettkämpfen mehrmals im Freien oder bei den „Athleten“ zu Hause. Mit Erfolg: Der Kiliansdorfer Pfeifenclub konnte bereits zahlreiche Siege in den Einzel- und Mannschaftswertungen erringen, darunter sogar bei deutschen Meisterschaften. Finden vereinsinterne Treffen statt, kommt man als geschlossene Gesellschaft im Eckersmühlener Schützenhaus zusammen.

Warum einer wie Herbert Kupfer plötzlich zum „Leistungs-Raucher“ wird, konnten in seinem Umfeld die wenigsten verstehen. „Irgendwann bin ich mal mitgegangen, habe mich in dieser Gemeinschaft wohl gefühlt, habe zugehört und es später mal probiert.“ „Graut hat`s mir“, gesteht er. Und dann der Geschmack und das Brennen auf der Zungenspitze. „Ja, ja“, wirft eine der Damen ein, am besten hinterher trocken Brot essen. „Dann wird’s besser.“ Altes Clubrezept. Eines, das sich im Laufe der Jahre verändert hat. Auf trocken Brot folgte das Schmalzbrot, heute lockt eine deftige Brotzeit.

„Wir sehen uns in erster Linie als Geselligkeitsverein“, erklärt Kupfer. So steht es auch in der Clubsatzung. „Gesellig sind wir in der Tat“, ergänzen die Damen, erinnern an attraktive Ausflüge, gemeinsame Essen, Teilnahme an Festen und Umzügen in Tracht und an viele lustige Kegelabende. Und in Verbindung mit einem Essen finden jedes Frühjahr ein Preis- und im Herbst ein Pokalrauchen statt. Rund 20 Mitglieder des Pfeifenclubs, darunter auch etliche Frauen, nehmen an Wettbewerben teil, die mit Pfeife, Zigarre oder Zigarillo ausgetragen werden.

Heuer dominierten bei der Süddeutschen in Kiliansdorf, an der Mannschaften aus Jesserndorf, Alfershausen, Reichelsdorf, Großschwarzenlohe und Kiliansdorf zugegen waren, die Damen der Rauchschwalbe, sowohl in der Mannschaft (Moises, Meyer, Lanz, Köhl) als auch in Einzeln mit Brigitte Moises. Bei den Herren räumte Großschwarzenlohe ab.

Wie ist es denn nun mit dem Langsamrauchen? „Eine erstaunlich aufregende Disziplin ist das“, weiß Moises zu berichten. Dass es sich dabei um keine normale „Sportart“ handelt, macht ein Blick in das Regelwerk schnell deutlich: Ausrüstungsgegenstände sind beim Pfeiferauchen exakt drei Gramm Tabak, eine Pfeife, ein Holzstopfer und zwei Streichhölzer.

Im Vergleich zu klassischen Disziplinen ungewöhnlich ist auch das Prinzip: Nicht der Schnellste gewinnt, sondern derjenige, der den Tabak in der Pfeife am längsten am Glimmen halten kann. 90 Minuten ist beispielsweise die Bestmarke von Brigitte Moises. Heuer reichten zum Sieg jedoch schon 68:07 Minuten. Erna Schlagers Bestmarke mit der Zigarre steht bei 89 Minuten.

Und bei den Zigarillos, die exakt sieben Zentimeter lang und acht Millimeter dick sind, geht es bis zu den Fingerspitzen. Glück und vor allem die Technik sind dann entscheidend. Am Ende, so nach rund 20 Minuten, bleiben davon dann nur noch schwarze Hände.

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