Wie viele Brüder haben Sie in Deutschland?

15.5.2016, 18:29 Uhr
Wie viele Brüder haben Sie in Deutschland?

© Manfred Klier

Bevor die Tagungsteilnehmer den einzelnen Workshops zustrebten, die sich fast über den ganzen Tag hinzogen, hielt Muhittin Arslan das Eröffnungsreferat. Als Lehrer mit türkischen Wurzeln an der Nürnberger Johann-Daniel-Preißler-Mittelschule und als Fachberater für Integration, sowie Mitarbeiter am ISB (Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung)  konnte er aus dem Vollen schöpfen. Anhand einer Präsentation gab er, oft mit Humor gewürzt, einen Einblick in seine Arbeit und zeigte Probleme und Lösungsmöglichkeiten auf.

Pünktlichkeit werde bei uns als Tugend groß geschrieben, so Arslan. Man erwarte, dass die Straßenbahn pünktlich fahre. In Afrika stehe man oft lange an der Haltestelle, komme dadurch aber mit den anderen ins Gespräch. Die Zuwanderung werfe oft auch Probleme der Gekommenen unter sich auf, etwa dann, wenn in einer Einrichtung ein Tschetschene zu afghanischer Musik auf seine Weise tanzt. Oder wenn ein russisches Schulkind der türkischen Mitschülerin eine harmlose Geste zeigt, die in der Türkei eine große Beleidigung darstelle. Aus dem Buch „Ausländisch für Notfälle – deutsch/türkisch“ las der Referent vor: „Bevor Sie zuschlagen, fragen Sie:  Wie viele Brüder haben Sie in Deutschland?“ Szene am Fahrkartenschalter: „Brauchen Du Fahrkarte?“ Antwort des Gegenüber: „Sie können ruhig Deutsch mit mir sprechen!“

Wie also kann Integration besser gelingen?“ „Diversität, also Verschiedenheit, Vielfältigkeit“ sei hier zu nennen. Man dürfe die Herkunft der Schüler nicht außer Acht lassen. Wie die unterschiedlichen Blumen auf einer Wiese sollten verschiedene Nationalitäten beieinander leben. Ziel sei ein konsensuelles Wertesystem. Deutschland habe die Chance dazu. Auch für einen Schüler, der nur kurz in der Klasse bleibt, lohne sich die Bemühung um Integration. Dabei müsse man Konfrontationen vermeiden und stattdessen Gemeinsames fördern. Werte sollten „zwischen den Zeilen“ vermittelt werden, sodass es nicht direkt auffällt.

„Bestätigung unserer Arbeit“

Als Beispiele nannte Muhittin Arslan, der sich als „eine deutsch-türkische Mixtur“ bezeichnet, global zuhause zu sein, aber hier zu leben: Willkommensgrüße in verschiedenen Sprachen, multilinguale Elternabende, die Herkunftsländer auf einer Landkarte sichtbar machen, Ländersteckbriefe erstellen, gemeinsame Morgenlieder in unterschiedlichen Sprachen, Bildkarten mit Umgangsformen, interkulturelle Weihnachtsfeiern, aber auch ein gemeinsames Ramadan-Fest, eine Kirche von innen betrachten, gemeinsam etwa einen Fruchtspieß stecken und vieles mehr. Für viele der anwesenden Lehrkräfte waren diese  Vorschläge sicher nicht neu, und in vielen Schulen und Klassenzimmern sind sie bereits in die Tat umgesetzt worden. Immerhin, das erklärte auch eine Schulleiterin, „sind diese Erkenntnisse eine Bestätigung unserer langjährigen Arbeit“.

 Man müsse Vielfalt als Chance nutzen, erklärte der Redner. Vielfalt gebe es bereits in kleinen Dingen. So krähe ein türkischer Hahn in den Kinderbüchern nicht etwa „Kikeriki“, sondern „Ü-ü-rü-üüü“, und wenn sich wehgetan hat, dann heißt es nicht „Aua!“, sondern „Ach! Uff!“.

 In den Gängen der Realschule hatten Buchverlage ihr Angebot an Büchern zum Thema ausgestellt, Schulen zeigten Bildbeispiele aus dem Alltag.  Daran vorbei ging es dann zu den einzelnen Vorträgen und Arbeitsgruppen. Angeboten wurden Themen wie: „Projektorientierung und Methodenvielfalt im Unterricht mit Sprachanfängern“, „Worte zwischen den Welten“, „Kommen – ankommen – willkommen“, „Die Muttersprache der Schüler schätzen und nutzen“ und „Bildungs- und Erziehungspartnerschaft im interkulturellen Kontext“, um nur einige zu nennen.

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