Zauberhafte Klangfarbenmuster

23.5.2017, 16:46 Uhr
Zauberhafte Klangfarbenmuster

© Foto: Klier

ROTH — "Suono" steht im Italienischen für "Klang", oder auch "ich spiele" und dass er beides exzellent beherrscht, das beweist er an diesem Abend. Auf der Bühne ist im geheimnisvollen blauen Licht ein Sammelsurium verschiedener Instrumente um einen Bösendorfer-Konzertflügel versammelt. Kälberer ist schon als kongenialer Partner von Willy Astor, Wolfgang Ambros, Werner Schmidbauer und etlichen anderen Künstlern aufgetreten und hat an der Musik für über 50 Kinofilme mitgewirkt. Seit vorigem Jahr ruht die Zusammenarbeit im Duo Schmidbauer & Kälberer.

Lob auf die Kufa

An runden Tischchen sitzen die in überschaubarer Zahl gekommenen Zuhörer. Bei Kälberers letztem Soloauftritt vor fünf Jahren hatten sie noch im Foyer Platz gefunden. Jetzt greift Kälberer in die Tasten des Flügels, um ein melodiöses Intro erklingen zu lassen. Danach stimmt er ein Lob auf die Kufa "mit ihren netten Leuten" an.

Drei "Hangs" stehen bereit. Das sind zwei zusammengeklebte Halbkugeln aus Stahlblech, deren Klang an eine Steel Pan erinnert, wie sie in Steelbands verwendet wird. In Bern, dem Ursprungsland des Instruments, heißt die Hand "Hang", und da das Instrument mit den bloßen Händen gespielt wird, hat es so seinen Namen erhalten. Erstaunlich, welche Tonvielfalt Kälberer dieser relativ einfachen Konstruktion entlocken kann.

Oft setzt er zusätzlich seine "Loop-Maschine" ein, mit der er unterschiedliche Klänge aufzeichnet, um sie dann einzeln oder getrennt als "Loop" (= Schleife) wieder abzuspielen. Auf diese Weise ist bald ein imaginäres Orchester auf der Bühne versammelt.

Geheimnisvoll sphärisch verwandelt erklingt dazu seine Stimme. "Vocalise" nennt sich sein Gesang, gewissermaßen ein Lied ohne Worte, das nur mit Vokalen gesungen wird. Als Alleinunterhalter könnte man ihn bezeichnen, wenn nicht seine Musik viel weiter oben angesiedelt wäre.

Kopfschütteln, so gesteht er, bereiten ihm die Zeitungsberichte, die ihm die Welt wie ein Schmierentheater erscheinen lassen. Für ihn ist dann die Musik die geeignete Therapie: "Da kann ich mich in meine Klangwelt zurückziehen." Das nimmt man ihm gerne ab, vor allem dann, wenn er am Klavier sitzt und in sich gekehrt die Zuhörer und die Welt herum zu vergessen scheint.

Mit seinem Freund Pippo Pollina ist er in dem vom Erdbeben zerstörten sizilianischen Dorf Gibbelina gewesen und durch die Straßen gegangen, in denen einst Menschen lebten. Am Klavier lässt er mit elegischen Klängen diesen Gang nacherleben. Dann greift er wieder zu einem seiner Hangs, um dessen enorme Klangfülle beeindruckend vorzuführen.

Bass und Percussion nimmt er mit seiner Loop-Maschine dazu auf, und wieder entsteht ein zauberhaftes Klangfarbenmuster. Mit dem Fußpedal steuert er das Zuspielen der Loops. Die Klänge werden nur kurz gespeichert und beim nächsten Konzert wieder neu aufgenommen. Dadurch entstehen lauter Originale, betont Kälberer.

Heute sagt man "Naher Osten", sinniert er, früher hieß es "Morgenland", ein mit Zauber behafteter Ausdruck. Diesen Zauber reproduziert er auf dem Konzertflügel. Trotz aller technischen Raffinessen, die mit einem E-Piano möglich sind, reicht dessen Klang nicht an ein richtiges mechanisches Klavier heran, vor allem dann, wenn es meisterhaft gespielt wird. Ohne jegliche elektronische Unterstützung folgt ein Hang-Solo, das zeitweise mit der Faust geschlagen wird, bevor mit "Einklang" eine zarte Weise auf dem Klavier erklingt.

Ein trauriger, meditativer Abgesang beklagt die vom Aussterben bedrohten Tier- und Pflanzenarten. Das "Waterphone" unterstreicht mit seinen wehmütigen Klängen den Titel "Lost, not forgotten". Dazu gesellen sich die Töne eines Vibrandoneon, eine "Melodica für Erwachsene", mit gekrümmtem Anblasrohr.

Stehende Ovationen fordern eine Zugabe, die es gleich dreifach gibt. Auf ein beswingtes Klaviersolo folgt ein Beitrag, bei dem Kälberer alle Register seines Instrumentariums zieht, bevor er mit leisen Klavierklängen das begeisterte Publikum entlässt.

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