Angst vor Schweinepest: 70 Prozent der Wildschweine töten?

18.1.2018, 06:00 Uhr
Angst vor Schweinepest: 70 Prozent der Wildschweine töten?

© Archivfoto: Wilhelm

Durch diese Regelung soll ein Übergreifen auf Mastschweine verhindert werden. Aber ist das überhaupt machbar? Jagdexperten aus dem Landkreis Roth haben große Zweifel. Noch hat die Afrikanische Schweinepest Deutschland nicht erreicht. Aber sie kommt aus Osteuropa näher. In Polen und Tschechien sind erste Fälle gemeldet. Entsprechend groß ist die Sorge der Landwirte. Für Menschen ist die Krankheit ungefährlich, für Schweine dagegen tödlich.

Das Veterinäramt Roth hat ein sogenanntes "Monitoring-Programm" entwickelt: Findet ein Jäger einen Wildschwein-Kadaver oder hat er bei einem erlegten Tier einen Verdacht, so nimmt er Proben. "Bisher waren alle negativ", erklärt Tierarzt Ekkehard Kurth, der Sachgebietsleiter Veterinärwesen.

Falls sich das ändert, sind bereits Vorkehrungen getroffen. "Wie schon bei der Geflügelpest, haben wir Sammelstellen für verendete Tiere in den Bauhöfen des Landkreises eingerichtet", sagt Kurth. "Dort können wir die Tiere sicher lagern."

Schneider: "Bitte an die Jäger"

"Wir nehmen die Afrikanische Schweinepest sehr ernst", betont auch Maximilian Schneider, der Geschäftsführer des Bayerischen Bauernverbandes (BBV) Roth. "Im Landkreis haben wir rund 20 000 Mastschweine in 300 Betrieben. Wo die Schweinepest auftritt, muss laut EU-Seuchenverordnung ein Sperrbezirks mit 15 Kilometer Radius und eine Pufferzone von 30 Kilometer gebildet werden. Da kommt der Handel zum Stillstand. Für die Betriebe würde das enormen wirtschaftlichen Schaden bedeuten."

Da Wildschweine die Afrikanische Schweinepest übertragen können, sei die verstärkte Jagd eine wichtige Vorbeugemaßnahme. "Wir wollen niemandem etwas vorschreiben", betont Schneider, "aber wir bitten die Jäger, mehr Wildschweine als sonst zu schießen." Eine Prozentzahl wie der stellvertretende Bundesvorsitzende des Bauernverbandes will Schneider aber nicht nennen.

Heider: "40 Prozent erreichbar"

Was sagen die Jagdexperten zu den geforderten 70 Prozent? "Das ist schwierig", erklärt Förster Hubert Riedel von den Bayerischen Staatsforsten. "Wenn es so einfach wäre, dann hätten wir es schon längst gemacht." Kreisjagdberater Hans Heider aus Aurau sieht das ähnlich: "Für erreichbar halte ich 40 Prozent Reduzierung. Das wäre als Vorbeugemaßnahme auch sinnvoll. Aber der Aufwand wäre gigantisch. Die Jäger sind schon jetzt an der Grenze. Die Jagd auf Wildschweine steht bereits im Mittelpunkt. Noch mehr Aufwand würde ohne Entschädigung kaum gehen."

Wer die zahlen sollte? "Gute Frage", antwortet Heider. "Jagd ist ja kein Hobby, sondern ein gesetzlicher Auftrag, der von den Jägern als Hobby in der Freizeit ausgeführt wird." Auch die Landwirtschaft sei gefordert. Schließlich gehe es ja darum, massive Schäden von ihr abzuwenden.

BBV-Geschäftsführer Schneider sieht "den Staat in der Pflicht". Inzwischen habe der Freistaat reagiert: Für jedes erlegte Wildschwein erhalte der Jäger 20 Euro Prämie.

"Für die Schweinezucht ist das natürlich ein großes Problem", weiß auch Hans Heider, der selbst eine Landwirtschaft — allerdings ohne Schweinemast — betreibt.

Bestand kaum zu schätzen

Bisher hatten sich Wildschweine bei Landwirten unbeliebt gemacht, weil sie vor allem in Maisfeldern teils große Zerstörungen anrichten. "Die Schweinepest aber hat eine ganz andere Dimension", erklärt Riedel. Wildschweine gelten als mögliche Überträger der hochansteckenden Pest. "Je höher der Wildschweinbestand, desto größer ist auch die Ansteckungsgefahr", meint Heider.

Wie hoch der Bestand im Landkreis ist? "Da kann man unmöglich eine konkrete Zahl nennen", betont Förster Riedel. "Etliche hundert dürften es im nördlichen Landkreis schon sein", umreißt er auf Nachfrage zumindest die Größenordnung.

Völlig eindeutig aber ist: Der Bestand hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten auch in der Region extrem zugenommen. "Früher gab es Wildschweine bei uns nur im Gehege in Kühedorf", blickt Heider zurück. Dort züchtet ein Gastwirt die Tiere für die Speisekarte.

Riedel: "Im Zaum gehalten"

Inzwischen aber sind sie so zahlreich, dass es auf dem Heidenberg einmal im Jahr im Dezember eine große Drückjagd mit bis zu 100 Jägern gibt. Mit 25 erlegten Wildschweinen war die Jagd im Jahr 2013 die bisher erfolgreichste.

"Dadurch sind es dort weniger geworden", erklärt Hubert Riedel, der die Jagd organisiert. "Seitdem waren es pro Jagd nur noch drei bis zehn Wildschweine."

Die ganz große Reduktion ist das aber nicht. "Immerhin konnten wir den Bestand im Zaum halten", sagt Förster Riedel. "Bei uns ist es halbwegs im Griff", findet auch Kreisjagdberater Heider. Doch drei Faktoren sprechen dafür, dass die Zahl weiter steigen wird.

Schnelle Vermehrung: Junge Wildschweine können schon nach acht bis zehn Monaten geschlechtsreif werden. "Die Reproduktion liegt bei 300 Prozent", schätzt Heider.

Nahrungsangebot: Es wird immer besser. Dazu trägt die Landwirtschaft durch den massiven Maisanbau wesentlich bei. Auch der Waldumbau hin zu Mischwald dürfte die Wildschweine freuen. "Mehr Laubbäume bedeuten mehr Deckung und mehr Buchen Futter ohne Ende", erklärt Heider.

Klimawandel: Die milden Winter erhöhen die Überlebenschancen deutlich. Wildschweine sind eindeutig Gewinner des Klimawandels.

"Alle Register ziehen"

Was aber kann die Jagd konkret tun? "Es gibt kein Allheilmittel", betont Förster Riedel. "Jetzt wird diskutiert, alle Register zu ziehen. Die Einzeljagd und die Drückjagd haben wir ja bereits intensiviert."

Einzeljagd: "Die Jäger versuchen, das Schwarzwild mit Futter anzulocken und warten dann auf dem Hochsitz", erklärt Riedel das Prinzip. "Aber wenn dann eine Rotte mit zehn Tieren kommt und der Jäger eines erschießt, dann laufen die anderen natürlich davon. Und die gehen dann nicht mehr dorthin. Wildschweine sind nämlich richtig clever."

Drückjagd: Sie erfordern einen solchen Aufwand, dass sie nicht ständig durchgeführt werden können. Der Erfolg ist auch nicht sicher. "Die Rotten sind immer in Bewegung. Wenn man Glück hat, sind gerade welche da. Wenn nicht, dann nicht", beschreibt Heider das Problem.

Tabus brechen?

Deshalb werden die Rufe lauter, auch bisherige Tabus zu brechen:

Nachtzieltechnik: Die ist bisher verboten. Förster Riedel würde aber eine Aufhebung dieses Verbots "auf jeden Fall unterstützen".

Zum einen mache diese die Jagd auf die vor allem nachtaktiven Wildschweine effektiver, zum anderen aber auch sicherer. "Es gab schon Fälle, dass irrtümlich auf Menschen geschossen wurde. Es ist schon besser, wenn ich sicher sehe, dass es ein Wildschwein ist."

Aufhebung der Schonzeit: Bachen und Keiler dürfen in Bayern von Februar mit Mitte Juni nicht gejagt werden. Riedel hält eine Aufhebung für vertretbar. Für Frischlinge und "Überläufer" (ein- und zweijährige Tiere) gibt es ohnehin keine Schonzeit.

Tötung von Muttertieren: Der Bauernverband fordert, auch diesen Schritt zu gehen. Hubert Riedel hält davon nichts: "Die Jungen würden jämmerlich eingehen." Auch Hans Heider hat grundsätzliche Bedenken: "Kindern schießt man keine Mutter weg."

"Saufang": "Das ist ein ganz großes Politikum", weiß Hubert Riedel. Bisher ist er verboten. Doch es gibt Ausnahmen. Im Bayerischen Wald werden mittlerweile sogar Lebendfallen für einzelne Tiere eingesetzt.

Erprobt werden zudem "massiv eingezäunte Gebiete von ein paar hundert Quadratmetern", erklärt Riedel. "In die soll dann eine ganze Rotte gelockt und erschossen werden."

Der Vorteil: "Das wäre sicher eine effektive Methode", meint Riedel, verweist aber gleichzeitig auf den Tierschutz.

Zudem geht diese Methode vielen Jägern auch gegen die Ehre: "Das wäre ein Gemetzel", findet Hans Heider, "das hat mit Jagd nichts zu tun."

Problem Maisfelder: Die Jagd alleine dürfte also nicht ausreichen, um den Wildschweinbestand entscheidend zu dezimieren.

"Die Landwirtschaft müsste mitziehen und weniger Mais anbauen", sagt Hans Heider deutlich. Das würde das Nahrungsangebot verringern, "und in den Maisfeldern sind die Wildschweine nicht jagbar".

Sie mit Hunden herausjagen zu wollen, sei gefährlich — für die Hunde. "Wildschweine sind nicht nur schlau, sie sind auch sehr wehrhaft."

 

Was kann der Landwirt tun, um die Verbreitung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern?

Dazu gibt es laut Veterinär Dr. Ekkehard Kurth ganz klare Vorgaben durch die Schweinehaltehygieneverordnung. Das Futter und die Einstreu sollen so gelagert werden, dass keine Wildtiere dran kommen, also am besten in einem abgeschlossenen Gebäude. Die Landwirte sollen im Stall Arbeitskleidung tragen und Stiefel vor Betreten des Stalls desinfizieren. Bei Betrieben mit Freilandhaltung (drei im Landkreis Roth) schützt ein Doppelzaun vor dem Kontakt mit Wildschweinen. Falls ein Schwein aus welchen Gründen auch immer verendet, muss der Kadaver bis zur Abholung ebenfalls so aufbewahrt werden, dass keine Wildtiere dorthin gelangen.

Einen Impfstoff gegen die Afrikanische Schweinepest gibt es (noch) nicht.

Was können die Verbraucher tun, um die ASP einzudämmen?

Wer in eines der von der Afrikanischen Schweinepest betroffenen Länder reist, sollte vorsichtshalber keine Fleisch- und Wurstprodukte mit nach Deutschland einführen. Generell dürften Fleischabfälle nicht auf dem Kompost entsorgt werden oder gar in der Natur. Also auch eine achtlos weggeworfene Wurstsemmel an einem Autobahnparkplatz berge ein Risiko. Unbefugte sollten, so Kurth, auch niemals einen Schweinestall betreten, Befugte nur mit Hygienekleidung.

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