Balken sind weggefault

7.10.2010, 23:02 Uhr
Balken sind weggefault

© Hess

So lange das Wetter einigermaßen passt, arbeiten die Steinmetze außen, auf dem Gerüst. Hier ergänzen sie ausgebrochene Fugen, flicken fehlerhafte Stellen und wechseln sogar ganze Steine aus. So muss zum Beispiel ein Stein an einer entscheidenden Stelle erneuert werden: ganz oben, wo die Balken für den Turmhelm aufliegen.

Auf der Wetterseite mürbe

Balken sind weggefault

Die Steinmetze reparieren alles, was mürbe ist. Oft zeigen sich die Schäden erst bei genauer Untersuchung der einzelnen Steine. Vor allem auf der Wetterseite ist der Sandstein stark verwittert und entsprechend marode.

Auch innen ist Baustelle: Grundsätzlich geht es darum, den oberen Teil des Glockenstuhls vom Mauerwerk zu trennen. Dies war bislang nicht der Fall. Es führte mit dazu, dass der Turm beim Läuten mitschwang. Dieser Konstruktionsfehler wird nun also behoben.

Kein Kontakt mehr zu Wänden

Wenn alles fertig ist, soll die Konstruktion nur noch auf dem dafür vorgesehenen Mauer-Absatz stehen. Die nach oben führenden Balken werden dann keinen Kontakt mehr zu den Wänden haben. Man kann sich das vorstellen wie ein frei stehendes Haus (natürlich ohne Wände). Doch das ist mit umfangreichen Reparaturen verbunden, denn der Glockenstuhl ist schwer beschädigt, Wasser hat das Holz zerstört.

Die massiven Eichen-Balken, auf denen die Konstruktion stand, waren morsch und zum Teil komplett weggefault. Die Tragfähigkeit des Glockenstuhls war somit nicht mehr gegeben.

Für das zerbröselte und zerfallene Holz der Schwellen benötigten die Zimmerleute beinahe zwei Schuttcontainer. Sie stehen unten neben dem Rathaus.

Die Feuchtigkeit hat allerdings nicht nur die Schwellen, sondern auch die Ständer-Balken im unteren Bereich angegriffen. Manche Zapfen existieren gar nicht mehr, die Balken sind erkennbar schadhaft.

Alles angehoben

Die Glocken und der gesamte Glockenstuhl hängen beziehungsweise liegen derzeit auf eigens in den Turm eingezogenen Hilfsbalken. Weil alles in die Höhe gehoben wurde, ist jetzt das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar.

Die verbliebenen fünf Glocken sind mit Stahlseilen an ihre Hilfsbalken gehängt. Der tonnenschwere Glockenstuhl hängt an weiteren Balken. Spanngurte sichern die Bauteile zusätzlich und verhindern auch, dass die Zapfen der Ständer oben aus den waagrecht darüber liegenden Rähm-Hölzern rutschen.

Eine Glocke kam ins Museum

Eine Glocke, die Taufglocke, die von der Stadt 1957 gestiftet worden ist, versetzte beim Läuten den Turm in Schwingungen. Zuerst war nicht klar, ob sie umgearbeitet werden kann oder ganz eingeschmolzen werden muss. Nun hat sie eine neue Heimat und wohl auch einen Ehrenplatz gefunden im Glockenmuseum Stiftskirche Herrenberg (südlich von Stuttgart). Dort war die Taufglocke willkommen, denn ihr Ton fehlte in der Sammlung noch, ferner wurde sie damals von einer Firma gegossen, die nicht mehr existiert. Auch dieser Umstand gefiel den Museumsverantwortlichen. Für Ersatz wird gesorgt: Der Initiativkreis zur Rettung der Stadtkirche bezahlt eine neue Glocke.

Wenn der Turm wieder hergerichtet ist, kommen das Dach und das Kirchenschiff an die Reihe. Ab 1. März kommenden Jahres ist deswegen die Kirche für voraussichtlich drei Jahre geschlossen. Bis dahin werden die Altäre und Kunstwerke sicher verpackt, einen Einhausung wird auch die Orgel schützen. Ursprünglich war geplant gewesen, dass Teile der Kirche auch während der Bauarbeiten offen und damit benutzbar bleiben. Von diesem Vorhaben ist der Kirchenvorstand jedoch abgerückt, weil der Kirche ohne Altäre und Orgel doch einiges fehlen würde. Ferner, so gibt Geschäftsführender Pfarrer Dr. Paul-Hermann Zellfelder zu bedenken, stehen für die Bauarbeiten Gerüste im Kirchenraum. Folglich hat sich der Kirchenvorstand für die Komplett-Sperre entscheiden. „Das ist eine saubere Lösung“, so Zellfelder.

Drei Jahre in anderen Kirchen

Das bedeutet, dass ab 1. März Gottesdienste und kirchliche Feierlichkeiten nicht mehr in der Kirche St. Johannes d.T. und St. Martin stattfinden können. Eine „Abschiedsfeier“ findet am 26./27. Februar statt. Die Kirchengemeinde weicht dann für drei Jahre in die beiden anderen Evangelischen Kirchen in der Innenstadt aus, in die Dreieinigkeitskirche und in die Spitalkirche.