Barthelmesaurach: Deutschlands erste gehörlose Pfarrerin

13.9.2018, 13:00 Uhr
Barthelmesaurach: Deutschlands erste gehörlose Pfarrerin

© Foto: Beatrix Frank

Wie das im Alltag geht? Ob man auf ihr Handicap in besonderer Weise eingehen muss? "Ich kann alles hören, sprechen Sie ruhig ganz normal", sagt sie mit einem offenen Lächeln. "Ich nutze die Technik, sie benutzt mich aber nicht. Man darf sich durch die Technik nicht manipulieren lassen."

Während des Studiums, mit 24 Jahren, verschlechterte sich eine Schwerhörigkeit, an der sie schon seit ihrer Kindheit litt, und führte zur Gehörlosigkeit. Grund: Ein Defekt der Haarzellen in der Hörschnecke.

Ein Cochlea Implantat (CI) wurde eingesetzt. "Ich hatte Glück, denn es dauerte nur ein Jahr bis dieses Implantat vollständig funktionierte. Das ist nicht immer so", erinnert sich die Theologin. Das CI, das Training dazu, aber auch das Erlernen der Deutschen Gebärdensprache (DGS) kosteten der jungen Studentin viel Kraft und Zeit.

Aus dem Münsterland

Felizitas Böcher hat eine natürliche Ausstrahlung und wirkt ausgesprochen jugendlich. Aufgewachsen ist sie mit zwei Schwestern in einer Handwerkerfamilie in Ennigerloh im Münsterland. Ihr Theologie-Studium begann sie in Münster. Mit Beginn des achten Semesters zog sie mit Ehemann Nils nach Bayreuth und setzte ihr Studium an der Uni Erlangen fort. "Wir wussten sehr schnell, dass Franken unsere neue Heimat ist", so die Geistliche.

Das Theologiestudium gilt als besonders anspruchsvoll und umfassend. Im Durchschnitt dauert es 15 Semester. Doch Felizitas Böcher musste sich erst auf ihre Erkrankung einstellen und die Gebärdensprache erlernen. Ein Studium unter besonders erschwerten Bedingungen. Nach 19 Semestern aber schaffte sie ihr erstes Examen.

In Roth folgten das Vikariat und das zweite Examen. Der Rother Pfarrer Joachim Klenk ist eine Art Mentor für sie gewesen. Er kannte sie bereits aus seiner Tätigkeit als Landeskirchlicher Beauftragter für Gehörlosenseelsorge. In einer Pfarrstelle sieht er sie an der richtigen Stelle: "Sie hat das Zeug dazu."

Auf Wunschzettel ganz oben

"Auf meinem Wunschzettel stand die Kirchengemeinde Barthelmesaurach an erster Stelle", betont Felizitas Böcher. Dort tritt sie die Nachfolge von Pfarrer Ekkehard Aupperle an, der im vergangenen Jahr nach Kirchensittenbach gewechselt war.

"Ich bin ich. Es ist ein Neustart für die Gemeinde und für mich. Wir gehen mit Gott", sagt die neue Pfarrerin. "Ob Jugend, Pädagogik oder Seelsorge, jedes Feld ist wichtig, mit den Menschen und für sie, Pfarrerin zu sein. Ich bin offen für alles."

Grundlage ist ein faires Miteinander: "Wer anderen eine Grube gräbt, fällt selbst hinein", zitierte Böcher eine Bibelstelle, die auf König Salomo zurückgeht. Auch zu aktuellen Fragen über Politik hat die Pfarrerin einen klaren Standpunkt. Auf die Frage, was sie US-Präsident Trump sagen würde, wenn es nur ein Satz sein dürfte: "Bitte seien Sie tolerant."

Zu den Ereignissen in Chemnitz sagt sie: "Ich habe kein Verständnis für exzessive Gewalt, gleich unter welchen Bedingungen. Sich wehren, wo erforderlich, zum Beispiel mit Demonstrationen, ja. Aber vorher nachdenken und ohne Gewalt."

"Ich freue mich auf Euch"

Wichtig ist Pfarrerin Böcher die Ganzheitlichkeit der Gemeinde, die Menschen jeden Alters und jeder Couleur. Sie schätzt die Freiheit im Glauben, "denn Zwänge schränken ein". Für sie ist Gott zu jeder Zeit an jedem Ort. Für sich selbst legt sie Wert auf eine konsequente Lebensführung. "Bei uns wird vegetarisch gegessen, der Umwelt und den Tieren zuliebe, um Gottes Schöpfung zu bewahren", sagte die Theologin. Im Moment stehe die Arbeit in der Gemeinde im Vordergrund, Familienplanung müsse noch etwas warten.

Ob sie Hobbies hat? Neben Wandern, Lesen und Zeichnen trinkt sie gerne Espresso und bezieht Polsterstühle mit bunten Stoffen. Und: Auch in ihrer Freizeit möchte sie am Gemeindeleben teilhaben.

Ihre Botschaft an die Gemeinde lautet daher: "Ich freue mich auf Euch."

ZZusätzlich zur feierlichen Amtseinführung am Sonntag um 15 Uhr in der Barthelmesauracher Kirche durch Dekan Klaus Stiegler aus Schwabach, findet für Pfarrerin Böcher die Ordination durch den Regionalbischof Professor Dr. Stefan Ark Nitsche aus Nürnberg statt. Dieser offizielle Akt, einmalig im Leben eines Pfarrers, erfolgt auch für drei Studienkollegen: für Dr. Peter Aschoff mit dem Wirkungskreis in Nürnberg, für Christian Kamleiter, künftig in Lauf, und für Sebastian Roth als Pfarrer in Würzburg.

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