Der Letzte seines Standes

23.6.2012, 09:14 Uhr
Der Letzte seines Standes

© Lerch

Eine Werkstatt wie vor hundert Jahren, die gibt’s tatsächlich noch in Wendelstein. Dort lässt sich der letzte Metalldrücker weit und breit bei seiner Arbeit über die Schulter schauen.

Kurt Meier schnallt sich an. Nicht nur in seinem Auto, sondern mit Hilfe eines breiten, stabilen Ledergürtels an seine Werkbank, eine Metalldrückbank.

Der Ledergurt ermöglicht ihm einen stabilen Halt, wenn er sich mit aller Kraft mittels eines Drückstahls gegen eine sich drehende Metallscheibe stemmt. Durch Druck und Gegendruck wird sie in eine zylindrische oder konische Form gezogen oder gedrückt.

„Die schnelle Rotation der Scheibe würde mich sofort wegstoßen und ich könnte keinen Druck ausüben“, demonstriert er auch gleich anschaulich, was passieren würde, wenn er nicht angeschnallt wäre.

Alte Transmission

Was sich in der Theorie so kompliziert anhört, wird einfacher, wenn man sich vorstellt, wie Töpfe aussehen: Unabhängig von Größe und Material haben alle einen Boden und einen hochgezogenen Rand. Von der flachen Metallscheibe zum Topf: Diese Arbeit verrichteten früher die Metalldrücker. Heutzutage wird mit Drückmaschinen, die per Computer eingestellt werden, sogenannten Drückautomaten, gefertigt.

Doch in der Werkstatt von Kurt Meier ist noch alles beim Alten. Eine alte Transmission treibt eine Drückbank an, alte Maschinen zum Stanzen und Lochen verrichten nach wie vor ihren Dienst, Werkzeuge aller Art und natürlich unzählige gedrückte Gegenstände und Holzformen stapeln sich in den Regalen. Der Fundus ist schier unerschöpflich, zu jedem Gegenstand könnte der Meister eine Geschichte erzählen.

Der Letzte seines Standes

© Lerch

Schalldämpfer für Trompeten

1980 hat der heute 65-jährige Kurt Meier von seinem Vater, Jean Meier, die Werkstatt übernommen und fertigt in dritter Generation die unterschiedlichsten Metallgegenstände auf Bestellung. Ein Dauerbrenner sind Schalldämpfer für Trompeten in mehreren Größen und Ausführungen. „Die machen wir seit 50 Jahren, offenbar sind Schalldämpfer aus Metall bei Profispielern wesentlich beliebter als Plastikteile!“

Gedrückt werden kann fast jedes Metall, Buntmetalle ebenso wie Eisen, Edelstahl oder auch Edelmetalle. „Je stärker das Metall ist, desto mehr Kraft muss beim Drücken angewendet werden. Manche Metalle wie Messing, Kupfer und Silber müssen bis zum Glühen erhitzt werden, damit sie sich verformen lassen“, erklärt Meier.

Die einzelnen Arbeitsschritte werden alle von Hand ausgeführt. Aus einer Blechtafel wird zunächst ein Kreis ausgestanzt, die sogenannte Ronde. In manche Teile, je nachdem, was daraus entsteht, wird in einem zweiten Arbeitsschritt ein Loch gestanzt. In der Drückbank wird die Ronde fest eingespannt und durch Motorkraft zum Rotieren gebracht. Nun legt der Metalldrücker Hand an:

Mit einem Drückstahl, der so ähnlich wie ein überdimensionaler Schraubenzieher aussieht, hält er mit ganzer Kraft auf die sich drehende Metallscheibe und drückt und zieht gleichzeitig das Metall auf eine Holzform.

Wie von Geisterhand verwandelt sich die Scheibe in einen Becher. Was so leicht und locker aussieht, ist das Ergebnis jahrelanger Erfahrung. Für Kurt Meier ist sein Beruf Berufung: „Die Arbeit macht mir auch heute noch Spaß.“

Bereits vor dem Drücken wird eine Holzform als Muster angefertigt und dient in Größe und Form als Vorlage für den Metallgegenstand, der entstehen soll. Früher stellten die Drechsler die Holzformen her und arbeiteten Hand in Hand mit den Metalldrückern. Doch da auch dieses alte Handwerk ein aussterbendes ist und nur noch von wenigen betrieben wird, drechselt Kurt Meier meist auch seine Vorlagen selbst auf einer Drehbank, die sich ebenfalls in der Werkstatt befindet.

Enorme Palette

Nach dem Drückvorgang hat das Metall die gewünschte Form. Nun kann noch ein Rand gedrückt oder auch zwei gedrückte Teile miteinander verbunden werden, wie es beispielsweise bei den Schalldämpfern erforderlich ist. Dieser Vorgang wird „Zusammensprengen“ genannt. In einem letzten Arbeitsschritt wird das gedrückte Teil poliert.

Zeugnisse von geformten Metall finden sich überall, die Vielfalt ist riesig: Von Alltagsgegenständen wie einfachen Schalen, Bechern, Pokalen und Töpfen über Grabschalen, Urnen, Lampenschirmen, Milchkannen, Kuchenformen und Puppengeschirr bis zu Spezialteilen für die Industrie. Vieles davon ist auch heute noch zu sehen. Auf dem Nürnberger Johannisfriedhof finden sich große Grabschalen. In der Wendelsteiner St. Georgskirche stammen das Taufbecken und viele Abendmahlgegenstände, die durch einen Gold- und Silberschmied ihre endgültige Form erhielten, aus der Meier’schen Werkstatt.

Schwert für Schweizer Garde

Kurt Meier hebt eine sechseckige Scheibe hoch, deren Mitte gewölbt ist. „Das war das Zeichen der Friseure, so eine Scheibe hing früher über jedem Friseurgeschäft.“ Rasierpinsel-Griffe mit Gewinde, eine Stoßdämpfer-Ummantelung für Oldtimer-Motorräder, die runde Halterung für das VW-Käfer-Blink- und Rücklicht, der Profi zeigt auf einen schier unendlichen Fundus aus seiner Werkstatt.

Und was war das Ungewöhnlichste, was er hergestellt hat? Kurt Meier überlegt nicht lange. „Den verschnörkelten Knauf eines Schwertes habe ich aus Silber gedrückt. Das Schwert gehörte nicht irgendwem, sondern dem Kommandanten der Schweizer Garde. Das war schon was Besonderes“, schmunzelt er bei dieser Erinnerung.

Kann man denn alle Teile heutzutage mit einem Drückautomaten herstellen? Kurt Meier lächelt verschmitzt und zeigt auf besonders kleine, filigran wirkende Gegenstände. „Hier ein kleiner Trichter. Der Schaft hat einen Durchmesser von 7 Millimetern, das ist maschinell sehr schwierig umzusetzen“. Doch was, wenn Kurt Meier, der fast täglich in der Werkstatt steht, nicht mehr kann oder mag? Der sympathische Handwerker, der seine Sonntage gerne auf dem Fußballfeld als Schiedsrichter verbringt, zuckt mit den Schultern: „Vielleicht wird man ja in Fernost fündig?“

Einladung zur Filmpremiere

Ein Bild der alten Handwerkskunst kann man sich sehr gut im Wendelsteiner Drechsler- und Metalldrückermuseum machen. Dort sind nicht nur zahlreiche Werkstücke zu bewundern. Vielmehr kann man den Ehrenamtlichen aus dem Heimatverein beim Drechseln über die Schulter schauen.

Der Wendelsteiner Gerhard Martin, ehrenamtlich im Heimatverein engagiert und selbst vom Fach, hat in der Werkstatt Kurt Meiers einen anschaulichen Film übers Metalldrücken gedreht. Er stellt den Film dem Drechsler– und Metalldrückermuseum zur Verfügung. Die Filmpremiere am 1. Juli um 11 Uhr wird mit einem kleinen Museumsfest gefeiert, wozu der Heimatverein herzlich einlädt. Zudem sucht er noch passionierte Drechsler und Metalldrücker als ehrenamtliche Mitstreiter.

Das Museum befindet sich in der Schwabacher Straße 25 im ehemaligen Wasserhaus, und hat in den Sommermonaten jeden ersten Sonntag im Monat von 14 bis 17 Uhr geöffnet.
 

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