„Die Hemmschwelle senken“

1.4.2016, 08:45 Uhr
„Die Hemmschwelle senken“

© Foto: Robert Schmitt

Festlicher Höhepunkt des vergangenen Jahres war die Jubiläumsfeier mit Daniela Schadt, der Lebensgefährtin des Bundespräsidenten, als Ehrengast.

Wie wichtig das Frauenhaus ist, zeigen die Zahlen: 2015 wohnten 75 Frauen und 72 Kinder im Frauenhaus. Die elf Zimmer waren somit zu 95 Prozent belegt. 25 weitere Kinder der Bewohnerinnen waren anderweitig untergebracht.

„79 Prozent dieser Frauen wurden von ihrem Ehemann, Freund, Lebensgefährten oder Ex-Mann oder Ex- Freund misshandelt“, so Frauenhaus-Leiterin Andrea Hopperdietzel in ihrem Jahresbericht.

Schläge in den Mutterbauch

„Ein Drittel der Gewalt beginnt mit Schwangerschaft und Geburt eines Kindes. Schläge in den Bauch der Schwangeren kommen leider sehr häufig vor“, berichtet Andrea Hopperdietzel. „Das Baby wird schon geschlagen, bevor es auf die Welt kommt. Die werdende Mutter wird misshandelt während einer Lebensphase, in der sie sich kaum wehren kann.“

Opfer von Gewalt werden aber Frauen jeden Alters: Hopperdietzel erzählt von einer Rentnerin, deren Mann sie das zweite Mal schlug: „Beim ersten Mal brach er ihr einen Wirbel. Sie hatte Glück im Unglück: Die Verletzung heilte ohne schlimme Folgen. Im Frauenhaus erzählte sie das erste Mal ausführlich von sich und ihrem Leben, konnte endlich traurig sein und Gefühle spüren. Immer wieder betonte sie, wie gut das Leben jetzt für sei und wie sehr sie den Kontakt zu den Kindern im Frauenhaus genieße. Die Kinder und Mütter nannten sie liebevoll Frauenhaus-Oma.“

So anerkannt gute Arbeit Frauenhäuser leisten, das bestehende Hilfeangebot für von Gewalt betroffene Frauen muss dennoch ausgebaut werden. Dies stellte die Bundesregierung bereits 2012 fest. Ein Schritt zur Weiterentwicklung eines bedarfsgerechten Angebots ist der Aufbau von Beratungsstellen mit einem sogenannten „pro-aktiven Ansatz“.

Polizei vermittelt auf Wunsch

Auch in Schwabach wurde 2015 einen solche Beratungsstelle, auch „Interventionsstelle“ genannt, eingerichtet. Frauenhaus-Leiterin Andrea Hopperdietzel und eine Kollegin beraten seit dem 1. August 2015 Frauen nach einem Polizeieinsatz.

Der Einzugsbereich des Frauenhauses umfasst die Stadt Schwabach sowie die drei Landkreise Roth, Nürnberger Land und Weißenburg-Gunzenhausen. Mit der Polizei wurde ein Kooperationsvertrag geschlossen. Sie übermittelt mit Einverständnis der Betroffenen die Kontaktdaten an die Interventionsstelle. Eine Mitarbeiterin der Beratungsstelle ruft die Frau innerhalb von drei Tagen an, um ihr Hilfe anzubieten.

Der Fortschritt: „Erstmalig müssen Frauen nach erlebter Gewalt nicht von sich aus aktiv werden, sondern werden, wenn sie das möchten, angerufen und beraten. Der Bedarf ist enorm.“, erklärt Andrea Hopperdietzel. Von den 46 Anfragen konnten 41 Personen im Jahr 2015 beraten werden. Von den fünf weiteren Anfragen wurden zwei Frauen 2016 beraten. Bei den anderen drei Frauen waren keine Telefonnummern herauszufinden oder ein Brief nicht zustellbar.

Die wichtigsten Themen? „Die Beratung bietet den Frauen die Möglichkeit Fragen zu Sicherheit, finanzieller Unterstützung, weiteren Hilfsangeboten und Beratungsstellen zu klären. Gerade in ländlichen Gebieten ist es oft schwierig, Beratungsstellen oder das Frauenhaus mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen.“

„Gewaltspirale durchbrechen“

Die Entfernung zum Frauenhaus Schwabach von einem Ort aus den beteiligten Landkreisen Nürnberger Land, Roth und Weißenburg- Gunzenhausen beträgt bis zu 70 Kilometer.

„Die Hemmschwelle, sich Hilfe zu holen, ist sowohl durch die Distanz als auch durch Traditionen und Einstellungen erschwert“, erläutert Andrea Hopperdietzel. „Die zugehende telefonische Beratung kann eine große Hilfe sein und die Gewaltspirale früher durchbrechen.“

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