Erntehelfer wegen Messerstecherei in Rohr verurteilt

21.3.2018, 06:00 Uhr

Im vergangenen Sommer verdingte sich der 48-jährige Mann polnischer Herkunft in Rohr als Erntehelfer, er und weitere Saisonarbeiter waren in Wohncontainern untergebracht. Neben seinem Bett, so ist vor der 13. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth zu hören, hatte er Wodka und Bier stehen – vorsichtshalber, sollte er Entzugserscheinungen entwickeln.

Auch in der Nacht zum 5. August 2017 floss der Alkohol in Strömen – zwischen 22 und 23.30 Uhr stritten die beiden Männer lautstark. Doch was ihren Konflikt auslöste, ist bis heute ungeklärt, "wir wissen schlicht nicht, was in dem Container vor sich ging", so Michael Spengler, Verteidiger des Angeklagten vor der Gericht.

Wie also die Bluttat rekonstruieren? Kurz vor ein Uhr nachts zeigte ein Blutalkoholtest des Angeklagten knapp 2,4 Promille, der Geschädigte hatte ein Promille, verletzt waren beide Männer. Der Angeklagte litt unter einem stark blutenden Schnitt am Arm, der Geschädigte musste einen Messerstich im Bauch wegstecken und klagte über zwei verlorene Zähne, die ihm sein Kontrahent ausgeschlagen habe. Obendrein habe ihn sein Peiniger spontan und grundlos von hinten angegriffen und ihm ein zwölf Zentimeter langes Brotzeitmesser in den Bauch gerammt. Woher die Aggressionen rührten, könne er nicht erklären. Der Angeklagte schilderte dagegen einen Streit – und behauptete, dass es der Geschädigte selbst war, der zuerst zum Messer griff.

"Steinbruch" statt Gebiss

Tatsächlich gibt Rechtsmediziner Peter Betz quasi den letzten Zeugen – denn vieles, was behauptet wird, lässt sich messen, berechnen und an wissenschaftlichen Erfahrungen abgleichen. So vergleicht er das Gebiss des Geschädigten mit einem Steinbruch, nennt es kariös und stellt fest, dass die beiden Schneidezähne schon lange verloren waren, das Gewebe sei längst vernarbt.

Für weitere Widersprüche sorgten die Blutspuren am Tatort – sie belegen eher einen Kampf zwischen den Männern, nicht aber, dass ein wehrloses Opfer von hinten angegriffen wurde. Das meiste Blut hatte der Angeklagte am Tatort verloren – aufgrund der Schnittverletzung am Arm, die ihm der Geschädigte beigebracht hatte. Um die Blutung per Bandage zu stillen, riss sich der Geschädigte selbst in jener Nacht das Hemd vom Leib – viel Hilfsbereitschaft für einen grundlos angezettelten Angriff.

Richter folgen im Urteil der Verteidigung

Und schließlich formulierte der Geschädigte einen besonders deutlichen Widerspruch, der nahelegt, dass er sich nicht erinnert, sondern rückblickend nur kombinierte, was in jener Nacht geschah: Dreimal habe der Angreifer zugestochen, behauptet er – und sieht in den drei Narben seines Bauches den Beweis. Tatsächlich handelt es sich um eine Narbe aufgrund der Stichverletzung und zwei Operationsnarben.

Die Richter folgen im Urteil der Verteidigung, die Angaben des Angeklagten seien nicht zu widerlegen.