Frellers Kompromiss prägt Zukunft des Gymnasiums

2.4.2017, 05:58 Uhr
Frellers Kompromiss prägt Zukunft des Gymnasiums

© Foto: dpa

Bei einer Sitzung in der Staatskanzlei mit Ministerpräsident Horst Seehofer, den Bildungspolitikern der CSU und wichtigen Vertretern der Fraktion wurde vereinbart, Frellers Vorschlag für einen Kompromiss zwischen dem G 8 und dem G 9 "fast eins zu eins umzusetzen", berichtet Freller. "Das hätte am Anfang niemand geglaubt."

Beschließen muss es in der kommenden Woche zwar erst noch die Landtagsfraktion. Nach den intensiven Vorgesprächen aber rechnet Freller nicht mehr mit nennenswerten Änderungen: "Das ist durch."

"Neue 11. Klasse"

Frellers Grundidee lautet: "sowohl als auch". Das heißt: Rückkehr zum G 9 ab dem Schuljahr 2018/19, aber mit der ausdrücklichen Möglichkeit, an jedem Gymnasium sein Abitur auch nach acht Jahren erreichen zu können. Die Entscheidung treffen die Schüler nach der achten Klasse.

Im G 9 werden die Schüler in der Mittelstufe entlastet. Konkret heißt das: weniger Nachmittagsunterricht.

Wer sich für acht Jahre entscheidet, besucht in den Klassen neun und zehn zusätzliche Intensivierungsstunden, kann dafür aber die elfte Klasse überspringen.

Diese "neue 11. Klasse" aber soll keinesfalls wertlos sein. "Da muss es natürlich auch neue Inhalte geben. Und ganz wichtig: Sie soll auch Elemente der Studien- und Berufsfindung bieten", erläutert Freller. Details müssen allerdings erst noch ausgestaltet werden.

Neue Stipendien in Aussicht

Ein weiteres wichtiges Anliegen ist Freller die Auslandserfahrung: Er will Schüler ermuntern, in der 11. Klasse in einem anderen Land zur Schule gehen. "Das ist für die Persönlichkeitsbildung enorm wertvoll." Für dieses Auslandsjahr sind neue Stipendien zumindest in Aussicht gestellt.

Auf Grundlage dieser Eckpunkte, die er zusammen mit seinem wissenschaftlichen Mitarbeiter Manuel Kronschnabel entwickelt hat, wird das Kultusministerium den Entwurf für ein Gesetz ausarbeiten, das bis zur Sommerpause beschlossen werden soll.

Möglicherweise sogar mit Stimmen aus der Opposition. Erste Reaktionen von SPD und Freien Wählern klangen positiv. "Eine breite Mehrheit wäre mir wichtig, damit die Gymnasien endlich aus dem politischen Streit heraus sind und wieder Ruhe haben", betont Karl Freller.

"Schüler sollen wählen können"

Er selbst war Kulturstaatssekretär unter Monika Hohlmeier, als das von Beginn heftig umstrittene G8 eingeführt wurde. Inzwischen ist er stellvertretender Fraktionschef und hatte sich in den vergangenen Jahren aus der Bildungspolitik spürbar zurückgezogen. Umso erstaunter — und wohl auch irritierter — waren einige Parteifreunde über seine Rückkehr in die bildungspolitische Debatte.

Den Ausschlag dafür haben Gespräche mit Direktoren von Gymnasien gegeben. Das von Kultusminister Ludwig Spaenle lange favorisierte "Optionsmodell", bei dem sich die einzelnen Schulen für G 8 oder G 9 hätten entscheiden müssen, war auf wenig Gegenliebe gestoßen. Die meisten Direktoren befürchten, dass es in der Praxis zu Chaos und Konkurrenz führen würde. "Ich will, dass nicht die Schulen, sondern die Schüler und deren Eltern entscheiden", sagt Freller. Beim Pilotversuch für eine "Mittelstufe plus" an 47 Gymnasien hat sich die klare Mehrheit für neun Jahre entschieden, immerhin 32 Prozent aber für acht.

"Nicht den Fehler wiederholen"

"Deshalb sollten wir nicht den Fehler wiederholen, alles komplett umzustellen: erst von G9 auf G 8, jetzt von G8 auf G 9. Daher enthält mein Modell für diejenigen, die das wollen, das Angebot einer Überholspur", erklärt Freller. "Ich erwarte, dass etwa 20 Prozent die auch nutzen."

Wer sich zwar für G 8 entschieden hat, aber nach der 10. Klasse doch Zweifel bekommt, kann sich umentscheiden und doch noch die 11. Klasse besuchen. Wer umgekehrt den G 9-Weg geht, in der 10. Klasse aber herausragend gut ist, der kann unter Umständen direkt in die 12. Klasse wechseln. "Überspringen bleibt wie bisher möglich", so Freller.

Da die Übertrittsquoten in den vergangenen Jahren auf rund 40 Prozent — in Starnberg sogar auf 60 Prozent — gestiegen sind, sind auch die Leistungsunterschiede größer geworden. "Deshalb ist ein Gymnasium mit zwei Geschwindigkeiten ein großer Vorteil", findet Freller. "Das Ziel ist aber nicht, dass noch mehr Schüler aufs Gymnasium gehen. Deshalb ist die klare Botschaft: Leichter wird das Gymnasium nicht."

"In aller Unbescheidenheit"

Mit dieser Argumentation hat Freller aus einer Außenseiter- eine Mehrheitsposition gemacht: "Ich freue mich sehr, dass ich meinen Beitrag leisten konnte. Dieses Konzept wird über viele Jahre hinaus das bayerische Gymnasium prägen. Das darf ich in aller Unbescheidenheit sagen."

Keine Kommentare