Glosse: Nur betrunken war angeblich niemand

23.7.2017, 05:58 Uhr
Rahmenprogramm? Die Meinungen sind geteilt.

© Gunther Hess Rahmenprogramm? Die Meinungen sind geteilt.

Ja, ja, ich schreibe schon wieder das "Goldrichtig?!?". Wenn Sie unsere Glosse jedes Wochenende lesen, dann haben Sie sicherlich bemerkt, dass ich das "Goldrichtig?!?" zuletzt fast schon okkupiert habe. Ich hoffe, Sie halten das aus.

Die gute Nachricht: Es geht heute nicht um mich. Denn ich bin kein Schwabacher und arbeite erst seit kurzem beim Tagblatt. Dementsprechend ist es in diesem Jahr mein allererstes Schwabacher Bürgerfest. Ich bin sozusagen noch Jungfrau.

Aus der Taufe

Das kann man von den Kollegen in der Redaktion nicht behaupten. Sie waren zum Teil schon dabei, als das Bürgerfest vor 40 Jahren aus der Taufe gehoben wurde. rj zum Beispiel war bei gefühlt jedem einzelnen der 39 Feste dabei, nur beim ersten ist er sich nicht ganz sicher, ob er im angetrunkenen Zustand ("ab und zu a Seidla") am Bürgerfest saß, oder ob er im angetrunkenen Zustand ("ich bin keiner, der sich zuschüttet") in einer Kaserne bei Amberg saß. Er war nämlich beim Bund zu der Zeit.

Für rj immer das Highlight: der Freitag. Da treffe man Leute, die man seit der Schulzeit nicht mehr gesehen hat. "Samstag und Sonntag kommen die Nürnberger. Freitag ist der Tag, um sich an gute, alte Zeiten zu erinnern."

Kreisstädtische Ignoranz

rog hat natürlich was zu meckern. Er sei ja immer mit Freunden aus Roth angereist. Mit der typisch kreisstädtischen Ignoranz im Gepäck, wenn ich das hinzufügen darf. "Das Rahmenprogramm hat uns null interessiert. Das einzige, was uns interessiert hat, war, ob wir noch einen Platz am Biertisch bekommen haben." Danke für den Kommentar, die Tanzgruppen und Kinderchöre haben hoffentlich weggehört. "Wer da vorne ’rumturnt, ist sowas von unwichtig." Jetzt ist’s aber gut, Herr Kollege!

Fragen wir bei he nach. "Viel los, viel Bier, viel Hinterhöfe und man weiß nicht recht, was man schreiben soll." Das ist doch mal ein Zitat zum Bürgerfest. Auf einen Feingeist wie he, der traditionell über die vielen Kunstausstellungen des Bürgerfests berichtet, ist eben Verlass. Wobei: "Früher war mehr Kunst", sinniert er, "und was komplett fehlt, ist ein Programm für Kinder". Also doch nicht alles Blattgold, was glänzt. Einen Spruch gibt he der Welt noch mit: "Das Bürgerfest sind die Höfe. Höfe! Höfe! Höfe!" Der Mann hätte zum Theater gehen sollen.

Legendärer Hexer

Kollege gw erinnert sich besonders an Karlhorst Wendisch, den "Erfinder des Bürgerfests". Der habe sich damals immer als Goethe (oder war es Mozart?) verkleidet und Stadtführungen gegeben. "Er hat eine gute Show geliefert und war ansteckend in seiner Begeisterung für Schwabach", erzählt gw. Legendär sei natürlich auch Rory der Hexer gewesen ("A aanzigs Seidla gäihd nu"). "Der hat den Handballerhof gerockt."

Und die Eskapaden? Die Ausschweifungen? Die feucht-fröhlichen Partynächte? "Welche Eskapaden?", fragt gw und zieht unschuldig die Augenbrauen nach oben. Trotz intensiver Nachfrage ist dazu nichts mehr aus ihm herauszuholen.

Eine journalistische Niederlage.

Aber so ist das. Die wirklich interessanten Dinge will niemand der Zeitung erzählen. Scheinbar sind die Kollegen nach ihren drei Halben immer brav nach Hause gegangen. Na sicher.

Lässiger DJ

Als letztes habe ich jk interviewt. Mit Erfolg! Kein geringerer als jk war DJ beim allerallerallerersten Bürgerfest vor gefühlten 100 Jahren. Tatsache. Er spielte alte Schellack-Platten mit dem Grammophon ab. Es gibt sogar ein Beweis-Foto in den Tiefen des ST-Archivs, auf dem jk mit blondem Seitenscheitel, Schlaghosen und lässig in die Brusttasche gesteckter Sonnenbrille vor dem Grammophon steht.

Was er da so gespielt habe? "Die ,Hinterhugldorfer Feuerwehr‘ vom Weiß Ferdl, kennst du das nicht?" Dann spielt er mir auf YouTube "Ein Wagen von der Linie 8" von 1929 vor, im Hintergrund summt rj die Melodie mit. Ich beginne zu begreifen, warum rog kein Fan des Rahmenprogramms ist.

Egal, ich freue mich trotzdem auf mein erstes Bürgerfest. Nur eine Bitte an die DJs, die dieses Jahr auflegen: Erspart mir die Hinterhugldorfer Feuerwehr.

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