Glosse: Wenn beim Redakteur das Gehirn aussetzt

25.6.2017, 05:58 Uhr
Trainingsauftakt beim Club. Was das mit diesem Artikel zu tun hat? Lassen Sie sich überraschen.

© Sportfoto Zink / DaMa Trainingsauftakt beim Club. Was das mit diesem Artikel zu tun hat? Lassen Sie sich überraschen.

Der Wahnsinn begann am vorigen Sonntag. Ich verbrachte den Tag auf der Autobahn, nachdem ich am Wochenende in Mecklenburg-Vorpommern Hochzeit gefeiert hatte – nicht meine eigene. Mein Sonntag (Ferienende in Bayern und Baden-Württemberg) bestand also aus siebeneinhalb Stunden Autobahn mit einer kurzen Kaffeepause. Abends bereitete ich mich mental darauf vor, nach einer Woche Urlaub, Hochzeit und Horrorfahrt wieder in der Redaktion aufzukreuzen.

Montagmorgen. Ich komme immernoch leicht angekatert in der Redaktion an. Die Kollegen sitzen um den Konferenztisch, als ob sie nur auf mich gewartet hätten. Mein erster Impuls: Irgendetwas stimmt hier nicht! Was habe ich verpasst? Dann gratulieren sie mir alle zum Geburtstag.

Ach richtig, da war ja was.

Der Chef sagt außerdem: "Schön, dass Du da bist, aber Du hast noch Urlaub." Jetzt bin ich vollends verwirrt. Da bin ich doch tatsächlich so schlau gewesen, mir drei Tage länger Urlaub zu nehmen. Nur habe ich das sofort wieder vergessen. Peinlich.

Irritierte Blicke

Aber noch nicht genug. Am Donnerstag komme ich morgens in die Redaktion und ernte erneut irritierte Blicke. "Dir ist schon klar, dass du heute von Nürnberg aus arbeiten wolltest?", fragt mich der Chef. Äh, ja, mir war das schon klar – bis Mittwoch. Am Donnerstagmorgen bin ich trotzdem ins Auto gestiegen und nach Schwabach gefahren.

Und jetzt mache ich mir ernsthaft Sorgen. Zumal ich am Montag nicht etwa 65 Jahre alt geworden bin, sondern 35. Woher kommt diese Vergesslichkeit?

Nun rächt es sich, dass sich die Kollegen bei passenden Gelegenheiten meine Sprüche über ihre mit dem Alter nachlassende Gehirntätigkeit anhören mussten. "Ich habe schon manche Dinge vergessen, aber nie meinen Urlaub", gibt rj mit Recht zu Bedenken. Wie allgemein bekannt ist, ist meine Liebe zur Tagblatt-Redaktion zwar groß, aber so groß?

Erklärungsversuche: die Hitze, die Hochzeit, die Tatsache, dass ich bald Vater werde. Alles unbefriedigend.

Das Mega-Event

Doch dann, am Donnerstagnachmittag, hatte ich die Erleuchtung. Der Club! Der Club zu Gast in Schwabach! Das Mega-Event! So wichtig, dass wir die komplette erste Seite des Lokalteils der Zeitung dafür reserviert haben, plus Spielbericht und Fotos im Sport. Generalstabsmäßige Vorbereitungen auch mentaler Art waren nötig, um dieses Jahrhundert-Ereignis standesgemäß zu begleiten. Ausverkauftes Haus an der Nördlinger Straße, Verkehrschaos im weiten Umkreis, Bratwurst, Bier und Flitzer, auf dem Platz die großen Stars!

Millionenschwere Neueinkäufe zeigen sich zum ersten Mal dem Publikum: Kerk, Bredlow, Valentini – was für klangvolle Namen! Aufstiegsgaranten möchte man sie fast nennen. Nicht zu vergessen die Nullis: Weiß, Nißlein, de Biasi – da schnalzt der Kenner mit der Zunge.

Kein Wunder also, dass ich meinen Geburtstag und meinen Urlaub vergessen habe. Mein Gehirn funktioniert. Es hat nicht ausgesetzt, es hat Prioritäten gesetzt. Wenn’s um die wichtigen Dinge im Leben geht, habe ich ein Gedächtnis wie ein Elefant.

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