Glosse: Wir vermissen das Kinderkarussell jetzt schon

28.5.2017, 05:58 Uhr
Das gute, alte Kinderkarussell vor der Buchhandlung Kreutzer.

© oh Das gute, alte Kinderkarussell vor der Buchhandlung Kreutzer.

Lieber Herr Karussellbetreiber,

in aller Form möchte ich mich bei Ihnen für unseren Oberbürgermeister und die meisten Stadträte entschuldigen. So kann man mit Leuten, die seit Jahrzehnten unsere Bälger wenigstens für ein paar Minuten glücklich machen, einfach nicht umgehen. Sie einfach der Stadt zu verweisen: welch undankbar schändliche Tat.

Gleichzeitig will ich aber auch um Verständnis für unsere Kommunalpolitiker werben. Zum einen, weil ich will, dass die Herrschaften weiter mit mir reden, zum anderen, um Sie, verehrter Herr Schausteller, doch etwas milder zu stimmen.

Enormer Druck

Wissen Sie, privat sind unsere Stadtväter und -mütter ja alles durchaus sympathische Leute, zumindest soweit wir das beurteilen können und solange wir nett über sie schreiben. Aber in ihrer verantwortungsvollen Funktion stehen sie eben unter diesem Druck, diesem enormen Druck.

Unsere Herbstkirchweih soll schöner werden. Gerade im Jubiläumsjahr. Das verstehen Sie doch sicher. Und deshalb sind nun einmal Entscheidungen nötig. Auch einmal nicht ganz so schöne.

"Hau ab von der Herbstkirchweih, aber komm’ zur Kinderkirchweih gefälligst wieder": So ist der Brief der Stadt bei Ihnen offenbar angekommen. Aber so war das bestimmt nicht formuliert. Ganz sicher nicht.

Nicht streiten im Jubiläumsjahr

Klar ist es so gemeint, ja, das natürlich schon. Aber wer wird denn deshalb gleich wie der "Bayern Star" in die Luft gehen und zum Anwalt rennen? Mann, Mann, Mann, musste das wirklich sein? Verstehen Sie doch bitte: Im Jubeljahr wollen wir uns nicht streiten.

In der Sache aber haben Sie natürlich völlig recht. Wie man einem wunderschönen traditionellen Kinderkarussell so einen neumodischen Schwindligmacher vorziehen kann, ist mir schon aus pädagogischen Gründen unerklärlich. Ein Karussell ist wie das richtige Leben.

Jeder hat seinen Platz. Jeder kann alles werden, wenn er nur auf zack ist: Feuerwehrmann, Kutscher, Pilot, Rennfahrer. Keiner kommt dem anderen in die Quere, alle sind glücklich, alle fühlen sich wohl, das Leben läuft im wahrsten Sinne rund. Ein Gefühl sicherer Geborgenheit. Das kann man den Kindern gar nicht früh genug vermitteln.

Bodenhaftung ist langweilig

Und was dagegen sagt uns dieser "Bayern Star"? Bodenhaftung ist langweilig. Spaß macht das Leben nur, wenn man es bis ganz oben schafft. Dabei ist die Luft dort dünn, und es wird ganz schnell so turbulent, dass es einem den Magen umdreht. Das soll schöner sein? Nein Danke, ich vermisse das Karussell schon jetzt.

Also, Herr Schausteller, ich bitte Sie auch im Namen des ähnlich besorgten Herrn Humpenöder: Nicht trotzig sein und wiederkommen. Wenigstens zur Kinderkirchweih.

P.S.: Ich hab’ daheim noch alte Fahrchips von Ihnen gefunden.

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