Kleinschwarzenloher Gastspiel in Gambia

3.2.2018, 06:00 Uhr
Kleinschwarzenloher Gastspiel in Gambia

Letztes Jahr haben wir geheiratet und uns für unsere Hochzeitsreise etwas Besonderes überlegt: Eine Rallye nach Afrika!

Nachdem wir zu unserer Hochzeit das Rallye-Fahrzeug, einen soliden VW-T4-Bus in seltenem rotbraun, und das nötige Budget für die Reisekasse geschenkt bekommen hatten, konnten wir Anfang November 2017 ins große Abenteuer starten: Die Rallye Dresden-Dakar-Banjul, die von Dresden aus durch Frankreich und Spanien führt, mit der Fähre hinüber nach Marokko, durch das Atlasgebirge in die Sahara, dann weiter nach Mauretanien, durch den Senegal – und die schließlich in Gambias Hauptstadt Banjul endet. Die komplette Strecke wurde mit dem Auto zurückgelegt, übernachtet haben wir in Hotels, auf Campingplätzen oder in selbst aufgeschlagenen Wüstencamps.

Ganz alleine und unbedarft haben wir uns aber nicht auf dieses für uns komplette Neuland begeben. Die Rallye wird seit zehn Jahren regelmäßig vom Verein "Breitengrad" in Dresden veranstaltet. Und dieser organisiert die Rallye nicht nur zum (Abenteuer-)Spaß, es steht noch eine weitere Sache im Vordergrund: Hilfe für Afrika.

Fahrzeuge versteigert

Die Fahrzeuge, mit denen die Teilnehmer der Rallye nach Gambia fahren, werden vor Ort bei einer großen Auktion versteigert, und der Verkaufserlös fließt in verschiedene Projekte, welche grundlegende Lebensbedingungen verbessern sollen: Gesundheit, Schulbildung und Ausbildung. Dies leistet einen Beitrag dazu, dass mehr Menschen in Gambia eine Perspektive haben, ihre Familie ernähren können und sich nicht gezwungen sehen, das Land zu verlassen.

Neben den Fahrzeugen, die jedes Team so dem guten Zweck spendet, konnte man auch noch weitere Hilfsgüter in Regionen bringen, in denen es an allem Erdenklichen mangelt. So stapelten sich vor der Abfahrt Kisten mit (Sport-)Bekleidung, Winterjacken, Spielzeugautos, Fußbällen, Trikots und so manchem mehr in unserer Wohnung. Einiges davon (unter anderem ein kompletter Satz mit über 30 Trikots) kam vom TSV Kleinschwarzenlohe, bei dem man die Bestände intensiv nach entbehrlichen Stücken durchsucht hatte.

Wüstentauglicher alter Bus

Auch das Fahrzeug selbst brauchte noch einiges an Vorbereitung: Einbau einer Bettkonstruktion, Dachgepäckträger, Unterfahrschutz, Zusatzscheinwerfer, zusätzliche Ersatzräder und Reservekanister sowie eine gründliche Inspektion und die Behebung diverser technischer Mängel. Und auch hier hatten wir mit dem kleinschwarzenloher KFZ-Meisterbetrieb Hans Plutka einen sehr hilfsbereiten Unterstützer, der einiges dazu beitrug, den Bus in einen "wüstentauglichen" Zustand zu versetzen.

Verena und Tobias Scarpatetti brachten mit ihrem VW-Bus unter anderem einen Satz Trikots des TSV Kleinschwarzenlohe nach Gambia.

Verena und Tobias Scarpatetti brachten mit ihrem VW-Bus unter anderem einen Satz Trikots des TSV Kleinschwarzenlohe nach Gambia.

Mit den vorerst letzten Sonnenstrahlen des frühen Novembers starteten wir in Deutschland und fuhren durch die Schweiz und Frankreich nach Spanien. Vorbei an Barcelona und Valencia, ein kurzer Abstecher nach Granada und Gibraltar, und schon waren wir auf der Fähre und hatten Europa verlassen. Dem offiziellen Start der Rallye waren wir damit um drei Tage zuvor gekommen. So hatten wir noch etwas zusätzliche Zeit, um die Strecke um ein paar malerische Umwege in Marokko zu erweitern. Dass wir dadurch den ersten Teil der Reise auf uns allein gestellt bestreiten mussten, störte uns nicht: es war ja schließlich auch unsere Hochzeitsreise.

Durchs Atlasgebirge

Unser Weg durch Marokko führte uns nicht nur durch Städte wie Casablanca und Fes, sondern auch durchs Atlasgebirge. Und hier hatten wir die erste Möglichkeit, einige unserer mitgebrachten Sachen in die passenden Hände zu geben. Die Winterjacken werden nun in den dazu passenden Höhenlagen getragen, und den Kindern eines abgelegenen Berberdorfes irgendwo zwischen Fes und Ouzoud haben wir mit Fußbällen eine große Freude bereitet. In Marrakesch trafen wir dann den Rest der Rallyegruppe und reisten ab dort gemeinsam weiter.

Die Reise führte uns über einen 2100 Meter hohen Pass und dann im Süden aus den Bergen hinaus und in die Westsahara. Durch karge Wüstenlandschaften fuhren wir entlang der Küste nach Mauretanien und fanden uns in einem Land wieder, in welchem die Menschen unter sehr einfachen Umständen und mit dürftiger Versorgung leben. Während der Grenzübertritt für uns vor allem Wartezeit und Papierkram bedeutete, waren wir für einige an der Grenze lebende Menschen die große Chance, an sonst unerreichbare Sachen zu kommen. So waren wir bald umringt von einer ganzen Schar einheimischer Kinder, die uns mit flehenden Blicken ihre Hände entgegenstreckten. Auch hier griffen die Rallye-Teilnehmer tief in die Taschen der mitgebrachten Sachen und übergaben reichlich Kugelschreiber, Spielsachen und Kleidung.

Von Militäreskorte begleitet

In Mauretanien verließen wir für vier Tage die befestigten Straßen, es ging direkt durch die Wüste. Außer den Rallyeteilnehmern, drei Wüstenguides und einer eigens abgestellten Militäreskorte, die uns ständig begleitete, begegneten wir in dieser Zeit keiner Menschenseele. Unser Lager schlugen wir dort auf, wo wir am Ende des Tages gerade waren. Kein Internet, kein Handy, kaum Vegetation und unglaublich viel Staub. Wasser, Lebensmittel und Kraftstoff hatten wir in ausreichenden Mengen in Dakhla in der Westsahara besorgt und in unsere Fahrzeuge geschlichtet. Auch das war auf unserer Route durch die Wüste nicht zu bekommen.

Als wir dann zurück in bewohntes Territorium kamen, waren wir froh, wieder andere Menschen zu sehen. Der Andrang der Einheimischen um unseren Rallye-Tross war groß. In einem Fischerdorf musste uns unsere Militäreskorte helfen, um die Geschenke gerecht zu verteilen und ein heilloses Chaos zu verhindern. Zum Glück war das der einzige "Einsatz" unserer Begleiter.

Weiter Richtung Süden kamen wir dann in der Hauptstadt Mauretaniens, Nouakchott, an und gönnten uns erst einmal einen Tag Pause. Danach ging es dann weiter, mit langen Tagesetappen unserem Ziel entgegen. Im Diawling Nationalpark wurden noch einmal die Federn und Stoßdämpfer unserer Fahrzeuge ordentlich gefordert. Hier wurde auch unser Tempo etwas eingebremst. Dafür verlief der Grenzübertritt in den Senegal unerwartet schnell und wir waren bereits am frühen Nachmittag in Saint-Louis.

Ein Verkehrschaos weniger

Um im Senegal nicht für jedes Fahrzeug eine Kaution für den Einfuhrzoll hinterlegen zu müssen, hatten wir nun wieder eine neue Eskorte, diesmal den Zoll. Dieser begleitete uns während der kompletten Fahrt durch das Land und stellte sicher, dass keines der Fahrzeuge illegal eingeführt und verkauft wurde. Deswegen führte unsere Route auch auf direktem Weg Richtung gambische Grenze und uns blieb ein Abstecher in die senegalesische Hauptstadt Dakar leider verwehrt. Dass uns damit auch ein riesiges Verkehrschaos erspart blieb, stellten wir in anderen größeren Städten fest, die wir auf unserer Reise durchquerten.

Und das war nicht alles, was uns der letzte Reisetag bot. Hinzu kam noch ein Grenzübertritt und eine Fährüberfahrt über den Gambia-Fluss. Die Grenze war dank guter Vorarbeit unserer Organisatoren schnell gemeistert, die Fährüberfahrt gestaltete sich allerdings aufwendiger. Von drei Fähren waren zwei außer Betrieb, auf die dritte passten maximal acht Wagen. Es dauerte also, bis unser Tross mit knapp 40 Fahrzeugen übergesetzt hatte. Es gab ja auch noch einige Einheimische, die die Fähre nutzten. Die letzten zweihundert Kilometer legten wir deshalb in Dunkelheit zurück. Dass es dabei im gesamten Rallye-Tross nur zu einem Reifenschaden und keinem Wildunfall gekommen ist, grenzt an ein Wunder.

Schließlich landeten wir an unserem Zielort, der Hauptstadt Banjul. Dort blieben wir noch für ein paar Tage und besichtigten einige der Hilfsprojekte, die wir mit unserer Teilnahme unterstützt haben (Vorschulen und weiterführende Schulen, eine KFZ-Ausbildungswerkstatt und eine Schreinerei, eine Krankenstation mit angeschlossener Aufklärungseinrichtung und eine Näherei). Überall wird hauptsächlich mit der Tatkraft einiger weniger und der Finanzierung durch Spenden gearbeitet, und unsere Hilfe war sehr willkommen.

Auktion auf dem Parkplatz

Die Fahrzeuge wurden natürlich auch noch versteigert. Für die Auktion auf dem Parkplatz vor Banjuls Fußballstadion haben wir die Wagen noch einmal richtig herausgeputzt. Dann kam ein Auto nach dem anderen vor einer großen Menge einheimischer Kauf-Interessenten unter den Hammer. Alle Autos hatten es bis Banjul geschafft, und für jedes wurde ein Käufer gefunden. So standen am Ende des Tages satte 74 000 Euro Erlös zu Buche – auch wenn es uns schwer gefallen ist, uns nach dieser Rallye von unserem treuen VW-Bus zu trennen, der uns pannenfrei die 7800 Kilometer bis dorthin gebracht hatte.

Und natürlich konnten wir das Fußball-verrückte Land Gambia nicht wieder verlassen, ohne nicht wenigstens eine Partie gespielt zu haben. Eine Auswahl der Rallye-Teilnehmer (inklusive einheimischer Verstärkung) trat gegen die ortsansässige Fußballmannschaft an. Hier kamen dann auch die Trikots zum Einsatz, die wir vom TSV Kleinschwarzenlohe bekommen hatten. Entsprechend der Trikotbeschriftung hat an diesem Tag also der TSV Kleinschwarzenlohe gegen Dynamo Dresden gespielt – die Dresden-Trikots hatte ein anderes Team mitgebracht. Auch wenn das Spiel mit 3:1 zugunsten der Heimmannschaft ausgegangen ist: An diesem Tag gab es nur Gewinner. Denn auch hier wechselten wieder einige Fußbälle den Besitzer.

Insgesamt hatten wir eine tolle Reise mit vielen bewegenden Begegnungen und Erlebnissen, die einem die Welt aus einer anderen Perspektive zeigen. Wir hatten eine tolle Hochzeitsreise, die auch ganz ohne Hochzeit eine Reise wert gewesen wäre.

 

 

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