Launiger Abend mit den vier Abenberger Turmschreibern

26.4.2014, 09:46 Uhr
Launiger Abend mit den vier Abenberger Turmschreibern

© Robert Unterburger

„Ich bin John Lennon“, behauptete Reinhard Knodt, „den Zebrastreifen denken wir uns einfach.“ Nur Klaus Gasseleder fragte mit entwaffnender Offenheit: „Was ist die Abbey Road?“ Aber auch er machte brav mit.

Sie zeigten Humor, die vier Turmschreiber, die zu einer gemeinsamen Lesung an ihren früheren „Wirkungsort“ zurückgekehrt waren. Beim Einzug der „Viererbande“ in den Stilla-Saal gab es zwar kein hysterisches Gekreische der Fans wie anno dazumal in den 60-ern bei den vier Pilzköpfen, doch die Zuhörer im proppenvollen Saal applaudierten freundlich.

Schließlich sind alle — Zuhörer und Schriftsteller - rund 50 Jahre älter geworden. Da springt man nicht mehr so leicht über Tische und Stühle und die Zeit der Beatlemania ist leider vorbei. Auch zu ihren Gitarren brauchten die vier nicht zu greifen, denn für die musikalische Umrahmung der Lesungen sorgte das Windsbacher Trio mit Kerstin Egelkraut, Thomas Bauer und Martin Ziegler mit fränkischen Weisen.

„Wahrer Genuss“

Bürgermeister Werner Bäuerlein schwärmte von einem „literarischen Highlight“, von einem „wahren Genuss“ und erinnerte daran, dass vor zehn Jahren Reinhard Knodt die Reihe der Turmschreiber begonnen hatte. Sein Buch „Brief an den Turmschreiber“ sei das erste einer längeren Reihe von geplanten Turmschreiber-Büchern der Stadt Abenberg geworden.

„Ich musste noch mit dem kleinen Turmschreiber-Turm Vorlieb nehmen“, blickte Reinhard Knodt mit viel Ironie zurück. „Franz Kornbacher hat mir sofort den Turm zur Verfügung gestellt und hat den Turm schön geredet.“ Kurz nach dem Krieg hätten sechs Personen in diesem Turm gehaust, der zwar so klein sei, dass man nicht darin schlafen kann, jedoch eine Toilette enthalte. „Herr Bäuerlein kam oft mit einer Tasse Kaffee und hat mich getröstet“, witzelte Reinhard Knodt.

Mitgebracht hatte er ein dickes Kompliment an Abenberg und seine Bewohner. „Jeder Pflasterstein hier in Abenberg bildet kein Pflaster, wo man einfach Stein an Stein legt, sondern das sind Kunstfertigkeiten“, meinte er. „In solchen Städten wie hier entwickelt sich die Kultur, hier ist alles noch überschaubar, hier kommen die Dinge zum Ziel.“ Für Knodt ist Abenberg eine „komplexitätsreduzierte Welt“. „Da wächst Kultur wie in einem Treibhaus.“

Mitgebracht hatte Reinhard Knodt eine Erzählung, die er schrieb, während er Turmschreiber war und die er 2014 als Mini-Büchlein publiziert hat. Sie heißt „Unternehmerenergie“ und erzählt mit krasser Selbstironie in Ich-Form, wie er in einem mittelfränkischen Unternehmerseminar als Unternehmerberater und „Mann von Welt“ auftrumpft, jedoch der alte Verlierer bleibt.

Der zweite im Bunde war der Turmschreiber von 2007, Gerd Scherm, ebenfalls vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Friedrich-Baur-Preis für Literatur. „Ich war im Turm der geschwätzigen Vögel“, sagte er, „ich wohnte im Juli/August fünf Wochen in der Mauerseglerzeit hier im Schottenturm.“ Alle Texte, Geschichten und Gedichte habe er damals mit der Hand geschrieben und bewusst auf den Laptop verzichtet, erzählte Gerd Scherm. Seine Impressionen hielt er damals auch mit der Kamera fest und zeigte während seiner Lesung den Zuhörern eine Reihe von Fotos.

Scherm hatte einen Brief an Wolfram von Eschenbach geschrieben, der bekanntlich den Turnieranger auf Burg Abenberg erwähnt hatte. „Es wird wieder viel gesungen auf deinem Anger“, schrieb er dem mittelalterlichen Minnesänger und erinnerte an die Konzerte von Joan Baez, Chris de Burgh und John Fogerty. „Es ist besser, wenn Lieder statt Lanzen regieren.“

Gerd Scherm setzte sich auch mit der seligen Stilla auseinander. „Hier vermischen sich Legende und Gebet“, schrieb er. „Die Worte und den Wind, der von der Burg zum Kloster weht, habe ich selbst erlebt.“ Scherm erinnerte sich auch an so manche Hochzeit, die auf Burg Abenberg gefeiert wurde, an eine verregnete Macbeth-Aufführung direkt unter dem Schottenturm, an eine Kirchenführung in Dürrenmungenau mit Pfarrer Wolfgang Layh und an „Stillas Kinder“ in Ebersbach.

Deiche und Teiche

Ihm folgte im Jahr 2010 der geistige Vater von Käpt’n Blaubär, Bernhard Lassahn. Mit dem Satz „Ich bin der Fremde aus dem hohen Norden, der in den tiefen Süden vorgedrungen ist“, begrüßte er das Publikum und hatte sofort die Lacher auf seiner Seite, als er die ersten Sätze aus seinem Buch „Turm der Lieder und Lügen“ vorlas.

„Man muss so oft wie möglich ,ä weng‘ sagen, das ist ein Schlüssel zum Herzen der Franken“, witzelte er und bot einige frappierende Beispiele, wie ein Norddeutscher, der des Fränkischen unkundig ist, aufs Glatteis geführt wird, wenn er den Unterschied zwischen Deiche und Teiche, zwischen Pärchen und Bärchen oder zwischen danken und tanken nicht erkennt.

„Fremder in der Fremde“

Den Abschluss bildete Klaus Gasseleder, der vierte Abenberger Turmschreiber aus dem Jahre 2013. Sein Buch „Das Abenberger Alphabet“ wird voraussichtlich im Herbst erscheinen. „Der Turmschreiber ist ein Fremder in der Fremde“, sagte er und erzählte ein Erlebnis, das er in Dürrenmungenau hatte. Dort sei er spazieren gegangen. Aus einem Garten habe ihm ein Bub ein „Grüß Gott!“ zugerufen, und auch eine Dame habe ihn gegrüßt. Beim Vorbeigehen habe er gehört, dass die Frau dem Buben erklärte: „Es gibt auch ältere Menschen, die nicht wissen, was sich gehört.“

Gasseleder las heitere Texte über fränkische Klöße, über die Abenberger Kerwa, über fränkisches Brauchtum und ein „stark gebeugtes“ Gedicht über den 1. FCN vor, in dem der letzte Vers lautet: „So stets den Sieg die Franken verschanken.“ Worauf Werner Bäuerlein erbleichte: „Da kann man als Club-Fan nicht mehr schmunzeln.“

Bürgermeister Bäuerlein dankte den vier Turmschreibern für die Zeit, in der sie in Abenberg waren.

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