„Solche Vorbilder braucht das Land“

13.10.2016, 08:17 Uhr
„Solche Vorbilder braucht das Land“

© Foto: Robert Schmitt

„Obwohl er 35 Jahre in Schwabach lebte, ist er heute in der Stadt kaum bekannt“, stellte Rabenstein fest. „Als hochgebildeter und aufrechter Kämpfer gegen das barbarische Nazisystem“, fügte der promovierte Historiker hinzu, „und vor allem als Opfer hat er ein ehrendes Andenken aber wahrhaft verdient.“

Merz war eine Hassfigur der Nazis. Er gehörte zu den ersten 37 SPD- und KPD-Mitgliedern, die in Bayreuth bereits im März 1933 verhaftet worden sind. Nach einem kurzen Aufenthalt im KZ Dachau wurde er wieder entlassen, ist 1937 aber erneut festgesetzt worden. Im Anschluss an eine eineinhalbjährige Gefängnisstrafe überlebte er bis 1945 in mehreren Konzentrationslagern.

Zu Kriegsende befreite ihn die US-Armee aus dem Außenlager Augsburg-Pfersee. Zuvor war er in Dachau und Flossenbürg gewesen, wo er schwere Zwangsarbeit leisten musste und an der Ruhr erkrankte.

Zur offiziellen Eröffnung der Ausstellung im Stadtmuseum hielt Christoph Rabenstein vor annähernd 100 Besuchern einen spannenden Vortrag über das Leben und die politischen Haltungen von Oswald Merz. Nach dem Krieg muss er zunächst in bitterer Armut leben, ehe er im Kultusministerium Arbeit findet.

Total geschwächt, stirbt Merz aber bald. „Das Rehabilitierungsverfahren verläuft ähnlich skandalös“, sagte Rabenstein. 1960 wird eine Wiedergutmachung mit der Begründung abgelehnt, sein früher Tod könne nicht mit der KZ-Inhaftierung in Verbindung gebracht werden.

„Während also hochdekorierte Nazis wieder in Saus und Braus leben, werden die Nazi-Verfolgten ein zweites Mal bestraft“, kommentierte Christoph Rabenstein diese Forschungsergebnisse.

In Schwabach Parteimitglied

1919 tritt Oswald Merz in die Schwabacher SPD ein, in der er laut Rabenstein allerdings kaum aktiv ist. Ab 1924 lebt er in Bayreuth und ist dort am Aufbau des „Reichsbanners“ beteiligt. Bis 1927 wirkt er als Chef dieser wehrhaften Organisation republiktreuer Verbände, die als Gegengewicht zur SA der Nazis gegründet worden waren. Zu dieser Zeit arbeitet er als Studienrat an der Lehrerbildungsanstalt.

Die Nazis sehen Merz als einen ihrer Hauptgegner. Nach seiner ersten Verhaftung erhält er Berufsverbot. 1937 wird er bei dokumentierten Verhören brutal gefoltert. „Die Protokolle erzeugen Gänsehaut“, so Rabenstein. „Mich erinnert das an die Hexenprozesse.“

Die Nazis hatten Merz und 19 weiteren Beschuldigten die Gründung einer neuen Partei vorgeworfen, was nach Einschätzung Rabensteins allerdings nicht zutraf. Seine wichtigste Aufgabe sah Merz in Bayreuth darin, einen großen Arbeiterchor zu leiten. Als Dirigent genoss er enorme Bewunderung. „Er war in Bayreuth außerordentlich bekannt, und die Nazis sahen in ihm ihren Gegner schlechthin, weshalb er nach der Machtergreifung gnadenlos verfolgt wurde“, so Rabenstein. Erschreckend sei, „dass er selbst nach seinem Tod nicht gewürdigt wurde, und ihm keine Genugtuung widerfahren ist“.

Die Ausstellung wurde von Oberbürgermeister Matthias Thürauf eröffnet. Er nannte sie „eine wunderbare Arbeit“ und dankte Helga Schmitt-Bussinger für ihren Einsatz, sie in Schwabach zeigen zu können. „Das Schicksal von Oswald Merz bewegt uns heute noch alle, obwohl er in Schwabach nicht sehr bekannt ist“, sagte Thürauf.

Museumsleiter Tobias Schmid erklärte, „Vorbilder wie Merz braucht das Land heute dringend wieder, um dem erneut aufkeimenden dumpfen Nationalismus gepaart mit Rassismus und Fremdenfeindlichkeit entgegenzutreten“. Insbesondere zeige das Leben des Schwabacher Sozialdemokraten, dass es in den 20er Jahren falsch war, sich den Nazis anzubiedern, statt den braunen Sumpf trockenzulegen. „Die Geschichte belegt, dass man bereits die Anfänge bekämpfen muss“, so Schmid, der auch Merz’ Einsatz gegen linken Extremismus hervorhob. „Nach dem Ersten Weltkrieg stand er auch gegen die Räterepublik der Kommunisten auf.“

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