Tod als Star eines Theaterspektakels

23.10.2012, 08:15 Uhr

Das „Theater Rednitzhembach“ hat die Parabel über Sterben und Erlösung aus den Alpen in den nördlichen Landkreis Roth verlegt. Der Kaspar wohnt in Hembach, die Wilderer treffen sich in Ungerthal und Enkelin Marie stirbt beim Sturz vom Heidenberg. Vom Hauptdarsteller über Bürgermeister Senftl bis hin zu Erzengel Michael sprechen alle Fränkisch.

Mit Hilfe einer Flasche Kirschgeist und jeder Menge Tollkühnheit luchst der Brandner Kaspar dem ungebetenen Gast in seiner Stube 18 Jahre ab. „90, so alt wie mein Vater, will ich werden“, sagt er und linkt den betrunkenen Tod dank einer Schellen Sau im Ärmel so gewaltig, dass der ebenso kleinlaut wie wankend ohne Beute abziehen muss. „Besser als Manna“, findet er den Schnaps. Die Kammerspiele zwischen Tod Marco Zinsmeister und Brandner Manfred Hollweck sind die absoluten Höhepunkte des Abends. Zinsmeister gelingen Auftritte, die keiner im Hembacher Gemeindezentrum jemals vergessen wird. Bleich, mit riesigen Augenringen, als sei er gerade selbst dem Sarg entstiegen, huscht er linkisch und unterwürfig über die Bühne. Dresscode scheint es für ihn nicht zu geben. Sein Outfit ist angesiedelt zwischen ramponiertem Offiziersrock, stilechtem Frack und Zirkusdirektormontur. Eine spindeldürre schwarze Erscheinung mit strähnigem Haar, nerviger Fistelstimme und fahriger Körpersprache.

Höchstes Erstaunen, tiefste Zweifel und blankes Entsetzen. Zinsmeisters wandlungfähiges Spiel ist darstellerisch hohe Kunst und begeistert das Publikum nachhaltig.

Wandlung zum Opfer

Manfred Hollweck agiert als kongenialer Widerpart: Die Wandlung vom unerschrockenen Hallodri zum Opfer ist deutlich spürbar. Denn bereits am Ende der ersten drei Jahre seines Zusatzlebens stirbt seine Enkelin. Auch das ein Fehler im Himmelsplan, denn Petrus stellt einen Zahlendreher fest. Doch die Differenz zwischen 24 und 42 ist just 18 Jahre. Zufall? Schicksal? Fügung? Büßt Marie für den Betrug des Großvaters? Gibt es eine noch höhere Macht als Tod und Dreifaltigkeit? 18 Jahre plus und minus also Teufelswerk?

Kaspar lässt sich beim zweiten Treffen mit dem Tod überzeugen. „Sie warten schon auf Dich: Marie, Deine Frau, Deine Eltern“, sagt der Tod. Kaspar fährt mit, lebendig, um einen Blick ins Paradies zu werfen. Schon das Vorzimmer überzeugt ihn. Gelassene Himmelsboten, Petrus als Heiliger Türsteher, und die Aussicht auf bedeutende Gesprächspartner machen ihm die Entscheidung leicht: Schließlich sind es Orlando di Lasso, Kaiser Ludwig der Bayer und Wolfram von Eschenbach, die man ihm als Begleiter auf dem allerletzten Weg in die Herrlichkeit anbietet.

Authentische Adaption

Dem Team des „Theaters Rednitzhembach“ unter der Gesamtleitung von Jörg Deffner ist eine authentische und heitere Adaption des Oberland-Dramas gelungen. Denn immerhin musste man sämtliche Dialoge gewissermaßen übersetzen. Was für ein Glück, dass es Ausgaben des „Brandner Kaspars“ gibt, in denen neben der Fassung in oberbayerischem Dialekt auch eine Darstellung in Hochsprache aufgeführt ist.

Neben den überzeugenden darstellerischen Leistungen des gesamten Ensembles sind auch die Bühnenbilder hervorzuheben: Ob Berghütte, Brandner-Stube oder Himmelspforte. Immer sind sie einfallsreich, aufwändig und mit hoher Sorgfalt sowie einem liebevollen Blick fürs Detail gefertigt.

Ein rundum gelungenes Theaterspektakel mit dem Tod als Star. Hochverdienter und langanhaltender Applaus mit bedeutender Sonderlautstärke für Hollweck und Zinsmeister im ausverkauften Saal des Hembacher Gemeindezentrums.

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