Über 30 Kameras wachen über Rednitzhembach

4.3.2017, 05:58 Uhr
Brennpunkte wie die Einkaufspassagen im Nürnberger Hauptbahnhof (unser Bild) werden schon seit geraumer Zeit mit Kameras überwacht. Die Frage ist: Sollen auch kleinere Städte und Gemeinden zu diesem „scharfen Schwert“ greifen?

© Archiv-Foto: Stefan Hippel Brennpunkte wie die Einkaufspassagen im Nürnberger Hauptbahnhof (unser Bild) werden schon seit geraumer Zeit mit Kameras überwacht. Die Frage ist: Sollen auch kleinere Städte und Gemeinden zu diesem „scharfen Schwert“ greifen?

In Schwabach stand das Thema Video-Überwachung schon häufiger auf der Tagesordnung von Sitzungen des Stadtrates oder der zuständigen Ausschüsse. Weil die Stadt aber kein Brennpunkt schwerer Verbrechen ist, haben sich die Stadträte im Zweifelsfall immer für das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen entschieden und gegen die Überwachung eines ganzen Platzes.

Der für solche Fragen zuständige Stadtrechtsrat Knut Engelbrecht sagt, dass die Video-Überwachung ein "scharfes Schwert" sei. Aber man müsse immer das "Gebot der Verhältnismäßigkeit" sehen. "Wenn ich einen Ort lückenlos überwache, dann greife ich in die Rechte des Einzelnen ein, und das Recht auf Selbstbestimmung ist ein Grundrecht", erklärt Engelbrecht. Dem stehe bei der Videoüberwachung in den meisten Fällen ein geringer Ertrag entgegen.

Gut begründen

Dabei ist der Jurist nicht grundsätzlich gegen den Einsatz von Kameras. "Das sollte aber in aller Regel die Sache der Polizei sein und nicht die einer Kommune." Wo er, Engelbrecht, eine Überwachung befürworte, sei zum Beispiel die Königstor-Passage in Nürnberg. Drogenumschlagsplatz, gewerbsmäßiges Betteln, häufige körperliche Auseinandersetzungen, dauernde Sachbeschädigungen. "Da muss der Staat reagieren, da sind dann auch Kameras angebracht", findet Engelbrecht. Einen Container-Standplatz zu überwachen, hält er dagegen für übertrieben. "Es geht niemanden etwas an, wie viele Weinflaschen ich in den Glascontainer werfe."

Auch Datenschützer stehen den Forderungen nach mehr Kameras im öffentlichen Raum kritisch gegenüber. Aber der Arm der Datenschützer reicht offenbar nicht bis nach Rednitzhembach. Obwohl nur gut ein Sechstel so groß wie Schwabach, hat man in der 7000-Einwohner-Gemeinde kaum Hemmungen, öffentliche Bereiche zu überwachen. Kameras erfassen den Rathaus-Vorplatz, die Tiefgarage unter dem Rathaus, die beiden Container-Standorte, das Wasserwerk, den Schulsportplatz, das Jugendzentrum, den Bahnhofsplatz, das Foyer des Gemeindezentrums und nachmittags nach Schulschluss sogar den Schulhof. "Mehr als 30 Kameras", schätzt Bürgermeister Jürgen Spahl, seien inzwischen wohl im Einsatz.

Nach sieben Tagen gelöscht

Probleme mit dem Datenschutz sieht er nicht. Erstens würden sämtliche Bilder zunächst auf externen Servern gespeichert und dann nach spätestens sieben Tagen gelöscht. Zweitens würden große Schilder auf die Kameras hinweisen. Drittens sitze niemand vor Bildschirmen und überwache live das, was draußen passiert. Von umfassender Überwachung könne also keine Rede sein.

Zumindest kann niemand sagen, er hätte nichts gewusst. Hinweisschild auf Kamera-Überwachung in der Rednitzhembacher Tiefgarage. Die Kamera selbst, eine von rund 30 in der Gemeinde, ist oben links zu sehen.

Zumindest kann niemand sagen, er hätte nichts gewusst. Hinweisschild auf Kamera-Überwachung in der Rednitzhembacher Tiefgarage. Die Kamera selbst, eine von rund 30 in der Gemeinde, ist oben links zu sehen. © Foto: Gerner

Nur zwei Leute, der gemeindliche IT-Beauftragte und ein Mitarbeiter des Ordnungsamts, hätten Zugriff auf die Daten. Und sie würden sich erst dann einloggen, wenn etwas kaputtgemacht worden ist. Kameras als Aufklärungshilfe also.

Nach Spahls Worten haben sich die elektronischen Spürhunde durchaus ausgezahlt. "Wir haben deutlich weniger Sachbeschädigungen als früher", sagt er. Und wenn einmal etwas passiere, dann sei die Wahrscheinlichkeit groß, dass man den Übeltäter zur Rechenschaft ziehen könne.

Keine kritischen Stimmen

Wer dem Bürgermeister mit Bedenken kommt und Rednitzhembach mit George Orwells Überwachungsstaat aus dem Buch "1984" vergleicht, dem hält Spahl die Erfahrungen des ZDF entgegen. Die Fernsehmacher haben auch schon mal einen Beitrag über die vielen Hembacher Kameras gemacht, und die zuständigen Redakteure sind dann mehrere Stunden lang durch die Straßen gelaufen, um auch kritische Stimmen zu sammeln. "Sie haben aber niemanden gefunden, den die Kameras stören", sagt Spahl. "Stören tun sie immer nur denjenigen, der etwas angestellt hat."

Zum Beispiel die Frau, die auf eine ganz verwegene Idee gekommen ist. Bilder der Überwachungskamera am Grüngutcontainer nahe der Kläranlage zeigen, wie sie mit ihrem Auto vorfährt. Sie steigt aus, öffnet den Kofferraum und nimmt einen Eimer heraus, aus dem es raucht. Asche? Glühende Kohlen? So genau ist das nicht zu erkennen. Sie kippt den Inhalt des Eimers in den Grüngutcontainer. Schon nach wenigen Sekunden steigt eine dicke Rauchsäule aus dem Container. Die Frau steigt in ihr Auto und fährt weg. Zwei Minuten später steht der Container in hellen Flammen. Weil der Rauch den Klärwärter alarmiert hat, ist die Feuerwehr schnell zur Stelle und löscht.

Das wird teuer

Dank der Aufzeichnung der Überwachungskamera konnte die Frau anhand des Autokennzeichens identifiziert werden. Sie muss jetzt vermutlich den Feuerwehr-Einsatz bezahlen und den Schaden an dem Container. "Gäbe es die Kamera nicht, würde die Allgemeinheit auf den Kosten sitzen bleiben", erklärt der Bürgermeister.

Jürgen Spahl könnte noch viele Beispiele nennen. Der Mann, der so lange auf der Schranke der Tiefgarage unter dem Rathaus herumgehopst ist, bis sie abgebrochen ist. Die Jugendlichen, die am Abend eine Sitzbank auf dem Schulhof angezündet haben. Der Dieb, der am Bahnhof ein Fahrrad gestohlen hat.

Rechtes Augenmaß

Trotzdem: Knut Engelbrecht wäre das, was in Rednitzhembach geschieht, entschieden zu viel. "Eine Generalüberwachung ist eine Fehlentwicklung", sagt er und wirbt für das rechte Augenmaß. "Es ist kein schönes Gefühl, wenn man durch die Straßen spaziert und das Gefühl hat, jeder meiner Schritte wird beobachtet."

Nur in wenigen Fällen könnte sich der Stadtrechtsrat auch in Schwabach mit einer Überwachungskamera im öffentlichen Raum anfreunden. "Wenn wir beispielsweise mehrere Sachbeschädigungen am Schönen Brunnen hätten, dann könnte man da schon mal genauer hinschauen", sagt er. Also: Kamera in diesem Fall ja, aber wenn, dann nur zeitlich begrenzt.

Keine Kameras in Schwanstetten

Den größten Streit in Sachen Video-Überwachung in den vergangenen Monaten hat es 2016 in Schwanstetten gegeben. Dort hat eine Mehrheit des Marktgemeinderates den permanenten Einsatz von Kameras abgelehnt.

Die CSU wollte den Platz vor dem Rathaus besser überwachen lassen und hatte das damit begründet, dass sich gerade hier viele Flüchtlinge, die in Schwanstetten untergebracht sind, aufhalten. Grund: Der Handy-Empfang ist im Zentrum besonders gut. Die anderen Fraktionen und auch der örtliche Asyl-Helferkreis hatten mit scharfer Kritik reagiert. Hier werde eine ganze Gruppe von Menschen unter Generalverdacht gestellt.

Die Folge: Der CSU-Antrag für die Video-Überwachung fiel durch, der Rathaus-Vorplatz bleibt so, wie er immer war: ungefilmt.

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