Übergangsklasse beim BR-Bildungsprojekt „So reden wir“

13.4.2015, 09:09 Uhr
Übergangsklasse beim BR-Bildungsprojekt „So reden wir“

© Foto: oh

Reden wie einem der Schnabel gewachsen ist, fällt den Schülerinnen und Schülern der Übergangsklasse Ü II der Grund- und Mittelschule Rednitzhembach nicht schwer, sie sind eine lebhafte und aufgeweckte Gruppe. Ganz anders sieht es jedoch beim Sprechen auf Deutsch aus. Die Mädchen und Jungen müssen ihre Hemmungen überwinden, Mut fassen und den Mund aufmachen: Nur mit Sprechen, Sprechen und nochmals Sprechen sind Fortschritte möglich.

Für Konrektorin Christiane Sonnauer lag es auf der Hand, an den Spracherfolg des Theaterprojekts „Mischen“ im letzten Schuljahr anzuknüpfen und die Schülerinnen und Schüler der Übergangsklassen erneut mit etwas Besonderem zu motivieren, sich auf das Abenteuer Sprache einzulassen.

Die sechs Jungen und 14 Mädchen zwischen zehn und 17 Jahren stammen aus Amerika, Afrika, Asien und Europa und konnten zu Beginn kein Wort Deutsch. Sie lernen hier schon ganz unterschiedlich lange Deutsch, einige bereits seit einem Jahr, andere sind erst im Herbst dazu gestoßen. Hoch motiviert, leben und lernen sie hier gerne und mit Freude – aber sie hätten nie gedacht, dass ein Neuanfang so schwierig sein kann.

So bewarben sich die 20 Schülerinnen und Schüler aus Ü II bei „So reden wir“, einem der Bildungsprojekte des Bayerischen Rundfunks. „Der Jubel war groß, als wir aus über 100 Bewerbern ausgewählt wurden“, erzählt Sonnauer.

„Wir durften mit Unterstützung eines BR-Profis einen eigenen Hörbeitrag erstellen. „Hallo, ich heiße Diellza und komme aus dem Kosovo.“ „Und ich heiße Anastasija. Ich bin aus Serbien.“ „Wir sind die Erblin und Blerta. Wir kommen aus North Carolina.“ „Mein Name ist Lena. Ich bin aus Russland.“ „Ich bin Grigorios aus Griechenland.“ „Wir haben viel Spaß. Aber manchmal vermissen wir ganz viel.“

Immer wieder hatten die Sprachanfänger in ihrem charmanten, fränkisch gefärbten und international akzentuierten Deutsch davon gesprochen, wo sie vorher lebten, welche Träume sie begruben, was sie zurücklassen mussten, welche Sehnsucht sie plagt. Also machte man sich auf die Suche nach dem, was die Kinder und Jugendlichen in ihrer Heimat zurücklassen mussten oder verloren zu haben glaubten. „Wenn ich etwas suche, was ich verloren glaube, dann gehe ich zum Fundamt.“

So entstand die Idee, im Fundbüro „Vermisstenmeldungen“ aufzugeben. Dort suchen die Schülerinnen und Schüler das albanische Lied „Nina Nana“, fragen nach dem Spiel Verstecken (V-ati ascunselea) auf Rumänisch, erkundigen sich nach dem Rezept für ihr amharisches Lieblingsessen Ingera (Fladenbrot aus Äthiopien). Sie sehnen sich nach der Sonne Mozambiques und den Wellen des portugiesischen Meeres, wollen zurück auf die Akropolis, trauern um ihren verlorenen Hund Odi in Slowenien, fragen nach ihren Freunden in Tschetschenien und ihrem Zuhause in Syrien, das sie zurückgelassen haben.

„Tut mir leid, da ist nichts zu machen. Ich kann euch das nicht geben“, so lautet die entnervte Auskunft des Fundbüros.

Was nun? Da war guter Rat teuer, und die Schülerinnen und Schüler mussten sich etwas einfallen lassen, wie sie hier heimisch werden können. Nach längerem Nachdenken und Herumfragen kamen die Schüler auf folgenden Tipp an alle „Neuen“: „Schau nicht zurück – schau nach vorne. Lebe dein neues Leben. Lerne Deutsch, gehe in die Schule, mach‘ Sport, singe und tanze, spiel‘ Theater und finde Freunde.“

Nachdem die ganzen Aufnahmen mit Hilfe vieler Textproben, tausendmal Anhören und Wiederholen endlich zufriedenstellend gemeistert war, waren die Beteiligten glücklich und begeistert, als man den Radiobeitrag zum ersten Mal hörte. So viele Fortschritte bei Aussprache und Wortwahl hätte man ohne „So reden wir“ nie erzielt. Das verdanke man der Unterstützung und tatkräftigen Begleitung durch Marion Christgau, waren sich die Rednitzhembacher einig; ebenso dem unermüdlichen Üben unter Leitung von Frau Spahl.

Höhepunkt war die Präsentation auf der Homepage des BR und die Vorstellung des Hörbeitrags im Funkhaus in München vor allen anderen Projektteilnehmern. „Am anstrengendsten war, dass wir laut und deutlich sprechen mussten“. Yolanda schildert: „Es war sehr schwierig, Amharisch zu reden, aber gleichzeitig lustig, weil manche Worte neu waren. Ich habe auch manche neue Wörter auf Deutsch gelernt.“

Hörbeiträge gibt es im Internet unter:
http://www.br.de/Unternehmen/inhalt/bildungsprojekte/2015-so-reden-wir100.html oder http://www.br.de/radio/bayern1/sendungen/mittags-in-franken/ues-radiobeitrag-rednitzhembach-100.html oder www.vs-rednitzhembach.de („So reden wir — Fundbüro des Lebens“).

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