Verbal ein klein wenig abrüsten, bitteschön!

11.4.2015, 11:33 Uhr
Symbolbild: Viel Hype um ein Regionalligaspiel und ein Ball schaffte es ins Netz.

© Colourbox.de Symbolbild: Viel Hype um ein Regionalligaspiel und ein Ball schaffte es ins Netz.

Ganz München steht Kopf“, jubilierten da die Verbands-Beauftragten – und die Schnappatmung, die sie beim Verfassen dieses gewagten Satzes erfasste, war zwischen den ganzen Pixeln fast körperlich zu spüren.

Ja, ja, auch für diese Fußball-Sachverständigen ist die Welt rund. Aber diese Welt ist nur ein gutes Pfund schwer und mit Kunststoff überzogen. Und außerdem muss dieses Runde immer ins Eckige, oder so ähnlich.

Wie dem auch sei, die Nachricht von der Kopf stehenden Landeshauptstadt erschütterte uns einigermaßen, noch dazu, weil es ja nur um ein Fußballspiel ging. Okay, es war ein Fußballspiel zwischen Bayern München („Die Roten“) und 1860 München („Die Blauen“), aber nicht zwischen den ersten Mannschaften, sondern zwischen beiden zweiten Garnituren in der bayerischen Regionalliga. Wohl gemerkt: der vierten Liga. In der vierten Liga haben in dieser Saison zum Beispiel auch die Basketballerinnen des TV 48 Schwabach gespielt, und selbst beim Derby gegen Fürth war die Stadt weit, weit davon entfernt, auf dem Kopf zu stehen. Nicht einmal die Schwimmbadhalle stand Kopf, sonst wäre ja im Erdgeschoss das Wasser aus dem Becken gelaufen. Aber das nur als kleiner Exkurs.

Wie das ist, wenn eine 1,4-Millionen-Einwohner-Metropole Kopf steht, versuchte ich noch am gleichen Abend herauszufinden und machte mich auf den Weg nach Süden. Die Fahrt war unauffällig, mit mir waren auf der A 9 wie immer Tausende unterwegs, und selbst an der Stadtgrenze machte die Straße nicht irgendwelche komischen Biegungen, die darauf hindeuten würden, als würde man demnächst mitsamt des eigenen Autos und all den Millionen armen Münchnern von einer auf dem Kopf stehenden Stadt irgendwie ins Bodenlose abstürzen.

In München war es dann so wie immer. Die Arroganz-Arena stand nahe Fröttmaning, im Hofbräuhaus gab es Bier in Maßkrügen, und das Maximilianeum, das Deutsche Theater, das Deutsche Museum und all die anderen schönen Errungenschaften waren auch noch da. Von ihren ganzen Kopfständen hatten sich die Menschen und ihre Stadt offenbar ganz gut erholt, und der Spruch von „ganz München“ muss im Nachhinein auch noch etwas relativiert werden. Im Stadion an der Grünwalder Straße hatten sich 12 500 Interessierte (mehr passten nicht hinein) dieses Fußballspiel angesehen und den 1:0-Sieg des FC Bayern II bestaunt. Das ist weniger als ein Prozent aller Münchener, wobei nicht ausgeschlossen ist, dass sich unters Volk auch einige aus, sagen wir mal, Unterhaching mischten, weil sie sich auch mal so einen kollektiven Kopfstand anschauen wollten.

Und was lernen wir daraus? Verbände, die glauben, ein Vierte-Liga-Spiel zum Champions-League-Finale hochjazzen zu müssen, verspielen auf Dauer vor allem eines: Glaubwürdigkeit.

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