Wendelstein feierte Adam Scharrers 125. Geburtstag

22.9.2014, 15:30 Uhr
Wendelstein feierte Adam Scharrers 125. Geburtstag

© Foto: Ruthrof

Zweiter Bürgermeister Klaus Vogel nannte Adam Scharrer einen aufmerksamen „Zeitzeugen und Chronisten des Lebens vor allem der kleinen Leute“. Leider sei sein Werk nach dem Zweiten Weltkrieg lange Zeit in Vergessenheit geraten. Es sei dann vor allem das Verdienst von Gudrun Vollmuth, der früheren Büchereileiterin, gewesen, Adam Scharrer ab den 1980er Jahren wieder bekannter gemacht zu haben.

Musikalisch umrahmte Christina Heinritz die Feierstunde, in der als weitgereister Gast mit Peter Schüler auch der Enkel des Jubilars ein Grußwort sprach. Er zeigte sich sehr erfreut, dass sein Großvater heute als Schriftsteller auch in seiner Geburtsregion wieder bekannt und gewürdigt werde.

Szene aus Scharrers Zeit

Als Einstimmung auf den fachkundigen Vortrag von Bernhard Rufflar hatte eine Schülergruppe der Mittelschule Wendelstein seit Juni eine Theaterszene eingeübt, die beim Essen der Familie Scharrer im Hirtenhaus spielte. Die Jugendlichen ließen dabei eindringlich mit den Worten von Adam Scharrer das harte und spröde wie zugleich spannungsgeladen Leben seiner Familie am damaligen „unteren Rand“ der Bevölkerung im ländlichen Franken um 1900 wieder lebendig werden. Für Bernhard Rufflar war dies der ideale Einstieg in seinen Vortrag über Leben und Werk des Jubilars.

Erstaunlich war im Falle von Adam Scharrer, so Rufflar, dass seine Familie es ihm ermöglichte nach der Schule eine Lehre zu machen, da er aus einer kinderreichen Familie stammte, die wie die Familien von Kleinbauern und Taglöhnern in der zeittypischen „Dorfarmut“ lebte und auf das Wohlwollen der bessergestellten Familien angewiesen war. Daraus tritt schon in diesen Jahren sein Willen deutlich zutage, sich nicht den damaligen von oben her diktierten Wertvorstellungen zu beugen und diese harte Realität literarisch zu dokumentieren.

Frühe Flucht ins Exil

Zunächst auf die innere Stärke und Ideen der sozialistischen Parteien damals hoffend, erlebte Adam Scharrer den Ausbruch des Ersten Weltkriegs als Enttäuschung, da sich fast alle europäischen sozialistischen Gruppierungen wie selbstverständlich in den Dienst fürs Vaterland stellten. Sowohl in seinen „Vaterlandslosen Gesellen“ als Aufarbeitung der Kriegserlebnisse und als anklagendes „Anti-Kriegsbuch“ wie auch in seinen Gesellschaftsromanen über die Weimarer Zeit wird deutlich, wie intensiv und stetig Scharrer nach seiner Idee vom lebenswerten Sozialismus suchte und damit zugleich auch für sich einen literarischen Standpunkt in der damaligen Geisteswelt.

Seine frühe Flucht ins Exil – zunächst 1933 in die Tschechei und später in die Sowjetunion mit mehrfacher Umsiedlung dort – zeige zudem, dass er zunächst noch Hoffnung hatte, bald wieder in ein demokratisch geprägtes Deutschland zurückkehren zu können. Diese Hoffnung schwand aber immer mehr, so dass vor allem sein Überleben dort trotz der Stalinschen Säuberungsaktionen ohne Gnade Fragen nach der eigenen politischen Standpunktsuche aufwerfe.

Als Mitglied der „Gruppe Ackermann“ kehrte Scharrer dann nach Kriegsende 1945 wieder nach Deutschland zurück und arbeitete hier in der politischen Kulturarbeit in Schwerin mit.

Kein Kommunist

In seinen letzten Lebensjahren bis zu seinem Tod 1948 hatte Adam Scharrer jedoch auch immer wieder Schwierigkeiten mit anderen politischen Zielsetzungen und Planungen weiterer Angehöriger der „Gruppe Ackermann“ und führte mit ihnen gern intensive Diskussionen. Wie schwierig es heute wie auch früher war, Scharrer insgesamt einer politischen Richtung zuzuordnen, zeigte Bernhard Rufflar zufolge am Ende des Vortrags ein Zitat von ihm, bei dem er auf die Frage, ob er Kommunist sei, so antwortete: Gerade weil er in der Sowjetunion im Exil gelebt habe, sei er sich sicher und froh, dass er kein Kommunist sei.

Das Schlusswort oblag wieder Büchereileiterin Helga Löhlein, die nach einer Kurzvorstellung der neuen Ausstellung auch deren Entstehung und Idee vor 16 Jahren schilderte. Prägende Erlebnisse von Adam Scharrer sichtbar machen mit Exponaten ist der eine Schwerpunkt, während der politisch-literarische Hintergrund zu seinem Leben und Gesamtwerk auf Informationstafeln das zweite Standbein der Schau ist. Diese Tafeln seien jetzt neugestaltet und neugemacht worden, wodurch die verspätete „Geburtstagsfeier“ zugleich auch als erfreulichen zweiten Anlass die Wiedereröffnung der Scharrer-Ausstellung bedeute.

Die Gemeindebücherei, Marktstraße 1, ist bis zum November an folgenden Tagen geöffnet: Montag von 9 bis 12 Uhr, Dienstag 15-20 Uhr, Mittwoch 15-18 Uhr, Donnerstag 9-12 Uhr, Freitag 15-18 Uhr und Samstag 9-12 Uhr sowie am Donnerstag, 1. Mai, von 11-17 Uhr; weitere Infos unter der Telefon (0 91 29) 40 11 29 oder per e-mail: buecherei@wendelstein.de

Keine Kommentare